Luxemburg im Krieg in Afghanistan

Solidaritätssteuer

d'Lëtzebuerger Land vom 22.07.2010

Außenminister Jean Asselborn hatte es sich nicht nehmen lassen, am Dienstag einer atemberaubenden Veranstaltung in Afghanistan beizuwohnen. Über 70 Delegationen waren unter höchstem militärischem Begleitschutz überfallartig in Kabul gelandet, hatten sich, hermetisch von der Wirklichkeit abgeschirmt, in einer Militärfestung eingebunkert, einigen Propagandareden zugehört und rasch wieder die Flucht ergriffen, froh, mit heiler Haut davon gekommen zu sein. Jean Asselborn hatte dies in einer zweiminütigen Intervention einen Beitrag genannt, um „eine blühende Zukunft für das afghanische Volk aufzubauen“. Denn es sollen ungefragt „funktionsfähige Institutionen auf der Grundlage des Gesetzes, der Menschenreche und der Prinzipien guter Staatsführung“ in einem rückständigen Land eingerichtet werden, das seine eigene, wenn auch hierzulande unbeliebte Governance besitzt.

Offizielles Ergebnis der Veranstaltung waren die Begeisterung für einen Pakt des von seinem Volk als US-Marionette angesehenen Präsidenten Hamid Karzai mit besagtem Volk und das Versprechen, in drei Jahren dem Präsidenten die militärische Kontrolle über sein Land zu übertragen. Vorausgesetzt natürlich, dass die USA bis dahin die militärische Kontrolle erst einmal gewonnen haben. Was nach neun Jahren erfolglosem Krieg und den Erfahrungen von Vietnam bis Somalia nicht selbstverständlich ist.

Luxemburgs Beitrag zu dem neunjährigen Krieg beziffert sich inzwischen auf 40 Millionen Euro, wie der Außenminister in Kabul stolz vorrechnete, sowie die Kosten für die Entsendung von bisher neun am Flughafen von Kabul stationierten Soldaten. 40 Millionen Euro für den Afghanistankrieg ist ein ansehnlicher Betrag, denn er entspricht der Summe, die der Staat nächstes Jahr durch eine Erhöhung der Solidaritätssteuer zusätzlich einnehmen will. Deshalb könnte es schon überraschen, dass die Bezuschussung des Afghanistankriegs hierzulande kein Thema ist, und dies um so mehr, als diese Ausgabe angesichts der Ausweglosigkeit des Kriegs als hinausgeworfenes Geld erscheint. Doch weder hält es die Regierung für nötig, die Beteiligung zu rechtfertigen, noch die Opposition, sie zu kritisieren.

Statt nach Komplotttheorien und Zensurmaßnahmen zu suchen, soll man die nächstliegende Erklärung für die Abwesenheit jeder Diskussion für die richtige halten: Eine Diskussion wird überflüssig, wenn sich alle einig sind. Regierung und Opposition scheinen sich einig, dass selbst in Krisenzeiten eine Ausgabe von 40 Millionen Euro nötig ist für einen Krieg, mit dem zuerst der angeblich in einer Bergfestung verschanzte Osama Bin Laden gefangen werden sollte, danach die Afghaninnen von ihrem Schleier befreit werden sollten und der am Ende auf eine Regierungsbeteiligung der schon in den Achtzigerjahren einmal „Freiheitskämpfer“ genannten Gotteskrieger und Heroinhändler hinauslaufen dürfte.

Einig darüber, dass die 40 Millionen Euro gar nicht dafür ausgegeben wurden, den Afghanen Freiheit, Demokratie und iPhone zu bringen, sie im Fall eines Misserfolgs also auch gar keine Fehlinvestitionen darstellen, sondern als Solidaritätssteuer, um sich die Sympathie der kriegsführenden USA zu sichern oder wenigstens nicht unangenehm aufzufallen, wenn Letztere die Liste von Freund und Feind durchgehen. Auch wenn die Rendite nicht mehr so sicher ist, seit Nobelpreisträger Paul Krugman bei seinem rezenten Auftritt riet, die Regulierung der Finanzmärkte sei ein Machtkampf zwischen der Londoner City und der New Yorker Wall Street, Luxemburg täte besser daran, sich eine neue Beschäftigung zu suchen.

Romain Hilgert
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