Conventions d'activation individualisées

Ungleiche Vertragspartner

d'Lëtzebuerger Land vom 05.04.2007

Die Regierung verabschiedete am Freitag den Entwurf eines großherzoglichen Reglements, das vorschreiben soll, wie die im Tripartitegesetz vorgesehenen Conventions d’activation individualisées aussehen sollen, die Arbeitslose, ein wenig nach dem Vorbild privatwirtschaftlicher Dienstleistungsverträge, mitdem Arbeitsamt schließen sollen.

Jeder neu beim Arbeitsamt eingeschriebene Arbeitslose soll binnendrei, beziehungsweise sechs Monaten – je nachdem, ob er oder siejünger oder älter als 30 Jahre ist – eine solche Aktivierungsvereinbarung mit dem Amt unterzeichnen. Hat ein Arbeitsloser nach drei bis sechs Monaten noch keine Arbeitgefunden, beginnt er, für das Arbeitsamt als problematisch zu gelten.Trotz des Ungleichgewichts zwischen dem nationalen Arbeitsplatzangebot und der grenzüberschreitendenNachfrage wird das Vermittlungsproblem dann nicht mehr bei der Unfähigkeit des Arbeitsmarkts vermutet, Angebot und Nachfrage zusammenzuführen. Vielmehr läge es dann zuerst beimArbeitsuchenden, der oft unzureichend qualifiziert ist, sich in der Arbeitswelt nicht zurecht findet, körperlich oder seelisch wenig geeignet erscheint oder nicht den ausreichenden Arbeitseifer aufbringt.

Die Aktivierungsvereinbarung verfolgt deshalb ein doppeltes Ziel. Sie soll den Arbeitslosen verpflichten, sich neben dem Vorsprechen beim Arbeitsamt auch selbst um eine Arbeitsstelle zu bemühen,das heißt die Eigeninitiative fördern, wie die Tripartite es gewünscht hatte. Und sie soll ihm ein auf seine Fähigkeiten und Schwächen maßgeschneidertes Trainingsprogramm in Aussicht stellen, das ihm doch noch zu einer Beschäftigung verhilft.

Damit wären die Vereinbarungen ein viel versprechendes Mittel, umaus tatenlos abwartenden Arbeitslosen jene unermüdlichen Blechhasen aus der Duracell-Werbung zu machen, die dem Arbeitsminister mit dem Begriff „aktivieren“ vorzuschwebenschien. Doch in der Praxis wird es sich möglicherweise anders verhalten. Die Aktivierungsvereinbarungen sollen aus zwei Teilen bestehen, einem individuellen und einem allgemeinen. Die Handelskammer hatte aber bereits in ihrem Gutachten zum Tripartitegesetz im November vergangenen Jahres darauf hingewiesen, dass das Arbeitsamt personell und materiell gar nicht in der Lage sein dürfte, um Tausenden von Arbeitsuchenden maßgeschneiderte Programme aufzustellen und sie individuell zu betreuen. Der Rechenschaftsbericht des Arbeitsamts für 2006 gibt an, dass es 2006 im Durchschnitt zu „46 contacts par jour ouvrable et par placeur“ kam (S. 56), was zehn Minuten je Arbeitsuchendenentspräche.

Damit dürften die individuellen Aktivierungsvereinbarungen sich aber in der Praxis vor allem auf den allgemeinen Vertragsteil beschränken. Was wiederum ein rechtliches Problem verschärft. Denn das Arbeitsrecht, dessen Teil diese Bestimmungen sind, verdankt seine Existenz der Einsicht, dass Arbeitgeber undArbeitnehmer keine gleich starken und gleich informierten, freien Vertragspartner sind. Das Missverhältnis zwischen den Vertragspartnern Arbeitsamt und Arbeitslosem dürfte aber noch größer sein. Denn der Arbeitslose muss sich nun zu einer Reihe Auflagen verpflichten und wird mit dem Entzug des Arbeitslosengelds bestraft, wenn er sie nicht erfüllt. Das Arbeitsamtmuss sich dagegen weder zu der gewünschten Dienstleistungverpflichten, noch ist es seinerseits gegenüber seinem Vertragspartner haftbar, wenn es die abgemachte Leistung nicht erbringen kann. 

 

Romain Hilgert
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