LSAP stellt den Arbeitsminister

Danaergeschenk

d'Lëtzebuerger Land du 13.08.2009

Zwei Minister  erlitten bei den Wahlen im Juni hohe Stimmenverluste. Umwelt- und Transportminister Lucien Lux büßte 9 754 Stimmen ein, Arbeitsminister François Biltgen verlor deren 8 110. Den einen kostete es als Fünftgewählten und Sozialisten das Amt, der andere durfte als Minister weitermachen, weil er Zweitgewählter blieb und CSV-Präsident ist.

Lieferte Lux selbst die Erklärung für sein schlechtes Abschneiden – Autosteuer und Promillegrenze – so war der Misserfolg des Arbeitsministers weiter kein Thema – und für ihn am allerwenigsten, wie seine rezenten Interviews zeigen. Doch seit Biltgens Amtsantritt 2004 war die Zahl der Arbeitsuchenden um ein Drittel gestiegen, die Zahl der Kurzarbeiter, die auf Französisch das Gegenteil, „chômeurs partiels“, heißen, um das Hundertfache. Sicher trägt der Arbeitsminister wenig Schuld an der Wirtschaftskrise, aber eine politische Erfolgsbilanz sieht nun einmal anders aus.

Während der vergangenen Legislaturperiode stieg die Arbeitslosenrate bei den Jugendlichen unter 25 Jahren von 16,1 auf 20,1 Prozent. Und es war Biltgen vor drei Jahren gelungen, eine beeindruckende Zahl Jugendlicher gegen sich und das Tripartitegesetz Nummer 5611 zu mobilisieren. Denn die Generation 5611 lebt vor allem in der Angst, dass sie die erste Generation seit Ende des Zweiten Weltkriegs sein könnte, die es nicht besser haben wird als ihre Eltern, die vielleicht sogar eine schlechtere Arbeit haben und sich weniger leisten können wird. Und 5611 war vor Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise.

Diese berechtigte Angst dürfte auch die größte Herausforderung für Biltgens Nachfolger, den neuen LSAP-Arbeitsminister Nicolas Schmit, sein. Deshalb muss er als erstes versuchen, eine Neuauflage des 5611-Protestes zu verhindern, wenn er nach dem Urlaub Beschäftigungsmaßnahmen für die zahlreichen jugendlichen Schulabgänger einführen soll, die keine Arbeit finden. Denn diese Praktika müssen für die Unternehmen interessant und für den Staat bezahlbar sein, ohne dass die Jugendlichen gleichzeitig den Eindruck erhalten, dass ihre Arbeitskraft unter dem Preis verkauft wird.

Doch damit nicht genug. In ihrer für die Koalitionsverhandlungen vorgelegten Notiz über die Konjunktur und die Staatsfinanzen warnen die sieben unterzeichnenden Verwaltungschefs, dass die Arbeitslosenrate während der ganzen Legislaturperiode anzusteigen droht. Denn die Beschäftigung müsse erfahrungsgemäß um fast vier Prozent jährlich zunehmen, damit nicht nur Grenzpendler, sondern auch vermehrt Einheimische eingestellt würden. Doch gegen schwache Wachstumsraten dürfte auch die Umwandlung des Arbeitsamts von einer Verwaltung in eine öffentliche Einrichtung nur wenig ausrichten – nach der versuchten Auslagerung der Stellenvermittlung an private Leiharbeitsfirmen, um die es recht still geworden ist.

Jene Sozialisten, die es immer einen Skandal nennen, wenn die Arbeiterpartei nicht das Arbeitsministerium bekommt, kritisierten auf dem LSAP-Kongress vor drei Wochen nun, dass das Arbeitsministerium ein Danaergeschenk sei. Sie verdächtigen die CSV, auf ein Ministerium zu verzichten, mit dem man derzeit auf verlorenem Posten kämpft, und befürchteten, dass Nicolas Schmit in fünf Jahren das Schicksal von François Biltgen erleiden könnte. In diesen Zeiten, wenn der Arbeitsminister der Minister der Zukunftsangst ist, kann man es also schon klug finden, wenn er im ländlichen Osten kandidiert statt im Süden, wo sich die Sozialpolitik entscheidet.

Romain Hilgert
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