In den Wäldern des Ösling kommt es nicht nur zu Kahlschlägen, weil sich „Bauholz“ aus Nadelbäumen derzeit gut verkauft. Ein Drittel der Waldfläche im Norden ist potenzieller Brennholzlieferant

Feuer aus Holz

d'Lëtzebuerger Land du 17.08.2012

Weil sich seit zwei Jahren die Holzpreise auf einem verhältnismäßig hohen Niveau eingependelt haben, kommt es in den Wäldern des Ösling immer wieder zu Kahlschlägen, hatte diese Zeitung unlängst berichtet. Dass vor allem im Landesnorden große Flächen abgeholzt werden, hat nicht zuletzt damit zu tun, dass 80 Prozent der dortigen Wälder sich in Privatbesitz befinden. Denn für Privatwälder trifft das von 1951 datierende Waldschutzgesetz nur gewisse Einschränkungen für Kahlschläge. In öffentlichen Forsten hingegen sind sie verboten (d’Land, 6.7.2012).

Doch mit den seit 2010 guten Holzpreisen sind die für das so genannte „Bauhholz“ gemeint: für Stämme aus Nadelbäumen, die größtenteils ins Ausland exportiert und dort zu Fertigprodukten für Schreinereien und Zimmermannsbetriebe weiterverarbeitet werden. Da die Bautätigkeit in Europa krisenbedingt nachgelassen hat, gehen Insider der heimischen Holzbranche davon aus, dass die Preise für Stämme aus Fichten und Douglasien im kommenden Herbst schon wieder fallen könnten.

Ein Kapitel für sich sind jene Wälder, deren Bäume sich nicht als „Bauholz“, dafür aber umso besser zum Verbrennen eignen. Der Bedarf dafür hängt nicht von der Baukonjunktur in ganz Europa ab, sondern von der Zahl der Kamine und Holzheizungen im Lande. Bei Lëtzebuerger Privatbësch, dem Verband der privaten Waldbesitzer, beobachtet man seit gut einem Jahrzehnt einen Auftrieb beim Brennholzpreis. Das Forstamt Wiltz kommt zur gleichen Feststellung. Und es stellt Kahlschläge nicht nur in Bauholz liefernden Nadelwäldern fest, sondern ebenso in den Brennholz liefernden „Eichen-Niederwäldern“, wie sie in der Fachsprache heißen.

Wälder dieser Art gibt es nur im Ösling. Der Volksmund nennt sie Louhecken, denn die kleinen Eichen wurden ab Mitte des 18. Jahrhunderts angepflanzt, um aus ihrer Rinde den Grundstoff für die Gerberlohe zu gewinnen. Damit die Bäume nicht zu viel Holz ansetzten, stattdessen möglichst viel Rinde zum Abschälen lieferten, wurden sie alle 15 bis 25 Jahre gefällt. Aus dem Baumstumpf wuchs eine neue dünnstämmige Eiche, die selten höher wurde als 15 Meter, ehe auch sie gekappt wurde. Bis gegen Ende des Ersten Weltkriegs hatte Luxemburg eine florierende Gerberei-Industrie besessen und von 30 000 Hektar Wald im Ösling waren 23 000 Hektar Eichen-Niederwald. Anfang der Sechzigerjahre schloss die letzte Gerberei im Lande, doch bis heute sind längst nicht alle Louhecken mit anderen Bäumen bepflanzt. 10 000 der einst 23 000 Hektar Eichen-Niederwald gibt es noch immer. Die größten zusammenhängenden Flächen liegen um den Stausee sowie in Heiderscheid, Hosingen und Putscheid.

Und der Wert der Louhecken steigt: Noch vor zehn Jahren wurde eine gut bewachsene Parzelle für an die 50 Euro pro Ar gehandelt. Heute wechseln sie nicht mehr unter 80, manchmal für bis zu 100 Euro pro Ar den Besitzer. Das liegt am Brennholzwert: Bewirtschaftet wie früher, also regelmäßig gefällt, wird heute kein einziges Stück Louhecke mehr. Eichenrinde wird nur noch „artisanal“ auf ein paar Hektar von den Stämmen geschält. Auf diese Art sich selbst überlassen, setzen die kleinen Eichenbäume aber nach und nach einiges an Holz an. Sie zu fällen, wird wirtschaftlich umso interessanter angesichts der Brennholzpreislage: Vor zehn, zwölf Jahren wurden für einen Kubikmeter rohen, ungeschnittenen Brennholzes noch 25 Euro gezahlt. Heute verkauft man ihn für über 40 Euro. Der Kubikmeterpreis für getrocknetes und fertig geschnittenes Brennholz, das frei Haus geliefert wird, liegt bei rund 150 Euro.

Verwunderlich ist das nicht. Seit vor gut zehn Jahren die damalige Regierung sich als erste ernsthafter mit der groß angelegten Nutzung aller möglichen erneuerbaren Energiequellen hierzulande auseinandersetzte, wurde Heizen mit Holz immer populärer. 2004 rechnete eine Studie des Centre de recherche public Henri Tudor für das damalige Umweltministerium vor, dass sich bis zu 14 Prozent der seinerzeit für Gebäude nötigen Heizleistung decken lassen könnten, falls man gezielt Holzhackschnitzel und Holzpellets statt Heizöl nutzt (d’Land, 16.9.2004). Ende 2011 verfügte jede dritte Gemeinde über eine kommunale Holzhackschnitzel-Heizungsanlage, bilanziert das Nachhaltigkeitsministerium. Wer privat mit Holz heizt, ist unbekannt, doch die Tendenz ist insgesamt steigend, wird im Ministerium geschätzt.

Sollte es dann problematisch sein, die alten Eichen-Niederwälder als Brennholz zu nutzen – wenn sie doch als Bauhholz nicht taugen und Eichenrinde auf kaum mehr als einer Handvoll der 10 000 Hektar Louhecken geschält wird? Nicht unbedingt. Eine Studie, die vor drei Wochen vorgestellt wurde und die ein Experte des Landes-Naturschutzverbands Baden-Württemberg für den Mouvement écologique zum Thema "Bioenergie in Luxemburg – nachhaltig ausbauen" geschrieben hat, empfiehlt sogar „eine Wiederaufnahme der Niederwaldnutzung zur Brennholzgewinnung“.

Mit „Waldnutzung“ gemeint sind darin allerdings keine großflächigen Kahlschläge, auf denen sich anschließend zehn Jahre lang nichts tut. Solche Fälle werden vom Wiltzer Forstamt immer wieder beobachtet. Sie sind allerdings nicht nur ein Phänomen des Ösling mit seinem hohen Privatwaldanteil von 80 Prozent, wo die Zahl jener Waldbesitzer, die bereit sind, mit ihren Forsten zu arbeiten, klein ist. Und wo, wie man meinen könnte, des kurzfristigen Gewinns aus dem Brennholzverkauf wegen, eine Louhecke einfach komplett abgeholzt wird. Ein kahl geschlagener Eichen-Niederwald, der zehn Jahre brachliegt, kann auch Ausdruck einer Staatsbeihilfe sein. Denn Kahlschläge in Louhecken werden staatlich gefördert. 40 Euro pro Ar gibt es dafür; also 4 000 Euro pro Hektar. Die dahinter liegende Idee lautet, dass eine alte Louhecke nach der Fällung aus den Baumstümpfen neue Eichen austreibt.

Hoffentlich: Denn dass das selten klappt, weil die kleinen Eichen schon zu alt sind und viel zu lange nicht so gefällt wurden, wie es in der Ära der vielen Gerbereien im Lande üblich war, wird auch in der Natur- und Forstverwaltung festgestellt. Das bedeutet: Eigentlich müsste man diese Wälder ganz neu anlegen. Doch ob es sinnvoll wäre, große Waldflächen für Jahrzehnte auf nichts anderes festzulegen als die Brennholzproduktion, fragt sich. Um so mehr, als bisher niemand weiß, in welchem genauen Verhältnis hierzulande die Waldnutzung für Bau- und Möbelholz zum einen und die für Brennholz zum anderen stehen. Leichter gesagt als getan ist das Neuanlegen von „Brennholzwäldern“ aus Eichen-Niederwald aber auch deshalb, weil an die 30 Prozent der Louhecken an stark geneigten Hängen stehen. Darin lässt es sich nur mit großem Aufwand arbeiten, was Privatbesitzer kaum tun. Umso mehr, wenn ihnen keine großen Flächen gehören; von den 12 000 privaten Waldbesitzern im Lande halten 11 000 höchstens einen Hektar. Louhecken-Besitzer unter ihnen machen das Subsid und der hohe Brennholzpreis überdies nicht nur einen Kahlschlag interessant, sondern auch den Verkauf ihrer Parzelle, damit sie ein anderer kahl schlägt:  Pro Hektar lässt sich aus einer kahl geschlagenen Louhecke derzeit Brennholz zum Gegenwert von an die 3 000 Euro gewinnen. Der Grundstückswert lässt sich mit ebenfalls 3 000 Euro ansetzen. Mit den 4 000 Euro Kahlschlags-Subvention sind Einnahmen von 10 000 Euro demnach sicher.

Zu guter Letzt ist das auf diese Weise gewonnene Holz auch für die Energienutzung nicht „ökologisch korrekt“. CO2-neutral, also tatsächlich eine erneuerbare Energiequelle, ist Holz als Heizstoff nur, wenn entweder Altholz genutzt wird, das in den Wäldern herumliegt, oder Abfallholz – Sägespänen aus Schreinereien etwa –, oder wenn das Holz aus „nachhaltig bewirtschafteten“ Wäldern stammt, denen nicht mehr entnommen wurde als nachwuchs. Auf Flächen, auf denen gar nichts nachwächst, nachdem sie kahl geschlagen worden sind, trifft das natürlich nicht zu. Nachzupflanzen ist aber ebenfalls eine aufwändige und ziemlich kostspielige Angelegenheit, die nicht für jeden Privatwaldbesitzer in Frage kommen dürfte. 4 500 Euro vom Staat erhält, wer einen Hektar Waldfläche mit Eichen neu bepflanzt. Doch dafür sind rund 5 000 Planzen nötig, die pro Stück 1,20 Euro kosten. Nach erfolgter Pflanzung ist in den ersten vier bis fünf Jahren eine Kontrolle des Waldes nötig, für die jeweils 1 000 Euro angesetzt werden können. Das Subsid eingerechnet, sind damit mindestens 5 000 Euro an Investionen erforderlich, doch es kann zehn Jahre dauern, bis einem neu angepflanzten Wald anzusehen ist, was dort am Wachsen ist. Ganz selbstverständlich dürfte das wiederum für kleine Privatwaldbesitzer nicht sein. Das aber hieße, dass mit Kahlschlägen in den früheren Louhecken im Ösling weiterhin zu rechnen sein wird. Nächstes Jahr wird zumindest über ihr Ausmaß mehr Klarheit herrschen: Dann steht die Aktualisierung des nationalen Forstinventars an.

Peter Feist
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