Cegedel Bilanz 2007

Letztes Gefecht

d'Lëtzebuerger Land vom 10.05.2007

Zufriedene Gesichter lösten die guten Resultate bei den Verantwortlichen der Cegedel-Gruppe am Montag bei der alljährlichen Bilanzpressekonferenz aus. Das konsolidierte Nettoresultat stieg um satte 33,2 Prozent auf 75,3 Millionen Euro. Dabei wuchs der Umsatz über den gleichen Zeitraum um nur 1,3 Prozent auf 331,2 Millionen Euro. Was die Unternehmensführung freut, dürfte die Kunden, angesichts des allgemeinen Inflationsproblems, und der stattlichen Steigerungen der Strompreise die ihnen zu Beginn des Jahres zugemutet, wurden, ärgern. Dabei schickt Roland Michel, Verwaltungsratsvorsitzenderder Gruppe, allen anderen Informationen folgende Botschaft voraus: Der Druck auf die Gewinnmargen hat sich durch die zunehmende Konkurrenzsituation erhöht, die vor Jahren begonneneDiversifizierung des Unternehmens, dient dazu, diese Situationauszugleichen.

Die Cegedel S.A., in der das Kerngeschäft gebündelt ist, schließt miteinem Gewinn von 20,71 Millionen Euro ab, eine Steigerung von 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr, die Netzgesellschaft Cegedel Net verbucht einen Gewinn von 2,67 Millionen Euro. „Die Beteiligungen nehmen in unseren Resultaten eine immer wichtigere Rolle ein“, sagt Michel.

Das stimmt allerdings: Der Anteil an den Resultaten der Twinerg,der Soteg, von Artelis S.A., den Windparks Hengischt und Kehmen-Heischent beläuft sich auf 7,6 Millionen Euro. An Dividenden strich der Energiekonzern von den gleichen Firmen noch einmal vier Millionen Euro ein, an Zinsen und anderen Beteiligungen 4,2 Millionen. Weitere 7,3 Millionen verdiente Cegedel ausder Integration der Cegecom in das Unternehmen Artelis, alles in allem rund 23 Millionen Euro. Wegen der IFRS-Buchhaltungsregeln wird es schwieriger zu erkennen, wie der konsolidierte Nettogewinn der Gruppe zu Stande kommt. Die Diskrepanz zwischen diesem und dem Resultat der Cegedel S.A. erklärt sich zumindest zum Teil durch eine statutarische Regelung, der zufolge mehr als 20 Millionen Euro vom Gewinn der Letzteren direkt in die Reserven flossen,diese aber in die 75 Millionen Euro Gewinn der Cegedel-Gruppewieder hineingerechnet werden. Der schriftlichen Bitte und Anfrage des Land, dies im Sinne der Transparenz zu klären, kam die Firmenleitung nicht nach. 

Bewusst habe man die Diversifizierung von zehn Jahren begonnen, so der Präsident des Verwaltungsrats, um sich auf die Liberalisierung des Marktes vorzubereiten, die allerdings sei seit 2004 zu 85 Prozent abgeschlossen. Die Privatkunden, 160 000 an der Zahl, die ab dem 1. Juli ihren Anbieter frei wählen dürfen, machten nur 15 Prozent des verkauften Stromvolumen aus, erklärt der Generaldirektor Romain Becker. Auf dieses letztes Gefecht der Liberalisierungwill sich die Cegedel gut vorbereitet haben, man fürchte sich nichtvor diesem Stichtag. Die Öffnung sei größtenteils vollzogen und man habe schon einiges an Kunden verloren.

Allein im Hochspannungsbereich gingen die Stromverkäufe 2006 um 20,5 Prozent zurück. Vorstandsmitglied Nestor Didelot nimmt es gelassen, auf den Kunden, die man verloren habe, hätte man nicht viel verdient. Würden sie auch ein Viertel der verkauften Menge ausmachen, dann aber kein Viertel des Umsatzes. Auch Becker weint ihnen nicht hinterher, die Konkurrenz habe die Margen gedrückt, „wir verkaufen nichts mit Verlust“, sagt er, dann müsse man sie ziehen lassen.

Dabei stellt sich die Frage, ob man in Zeiten mieser Rendite nicht dringend ein hohes Volumen umsetzen müsste, um dennoch etwas zu verdienen. Auch die Cegedel-Verantwortlichen scheinen sich, ob all der zur Schau gestellten Gelassenheit, genau mit dieser Problematik auseinandergesetzt zu haben. Denn pünktlich zum 1. Juli schnippeln sie an der Marge, werden die Preise für die Verbraucher um durchschnittlich drei bis vier Prozent gesenkt. Möglich würden diese Preissenkungen, mit denen die Verbraucher bei Laune und in der Kundenkartei gehalten weren sollen, durch eine „erfolgreiche Einkaufsstrategie“ sowie die weltweite Entspannung der Energiepreise seit Anfang des Jahres, sagt dieKonzern-Führung. 

Daraus muss man schließen, dass der Cegedel bei ihren Preisen genug Spielraum zur Verfügung steht, um sich diese Schlankheitskur zuzumuten. Das obwohl, wie Etienne Schneider, Verwaltungsratvorsitzender der Cegedel Net, sagt, dass die Preise zuBeginn des Jahres eigentlich um 16 bis 17 Prozent hätten steigen müssen. Der Anteilseigner Staat habe dies allerdings auf zehn Prozent abbremsen können. Die Argumente, die die Geschäftsleitung zu dieser Maßnahme verleiteten: Man will preislich gegenüber den Konsumenten konkurrenzfähig bleiben, dazu ist man gewillt auf einen Teil des eigenen Profits zu verzichten. 

Außerdem hört man aus den Direktionsreihen: „Wir wollen wenigAngriffsfläche bieten.“ Sind die Margen klein, wird der Markt weniger interessant für andere Anbieter, ein zusätzlicher Schutz also vor Konkurrenten. Dass solche ins Luxemburger Massenkundengeschäft einsteigen wollten, davon wisse man nichts. Didelot räumt aber ein, einige Anbieter, die sich auf Nischenprodukte wie zum Beispiel „grünen Strom“ spezialisierten, seien schon hervorgetreten. Damit die Cegedel bei den Preisspannenetwas entspannen kann, will sie innerhalb der nächsten Monate dreigroße Projekte in Angriff nehmen, damit sie mittelfristig, bis 2012, nur noch ein Drittel des von ihr verkauften Strom im Ausland auf dem freien Markt erwerben muss. Dazu will sie verstärkt selbst produzieren und hat sich, wie sie nach Kritik von déi Gréngprompt am Dienstag mitteilte, im Ausland unter anderem um die Beteiligung an Windfarmen auf dem offenen Meer beworben.

Zweites großes Zukunftsprojekt ist der Einstieg in ein neues, noch nicht realisiertes Kohlekraftwerk. Bis Ende des Jahres wolle man dies definitiv im Kasten haben, so Becker am Montag. Auch hier wird 2012 als Stichdatum für den Produktionsbeginn genannt.Man sehe Bedarf für 100 bis 150 Megawatt, sagt Becker. Er erklärt auch, dass durchdie neue Technologie zum Abscheiden und Lagern des Kohlendioxid, das Erwerben von Zertifikaten in Zukunft überflüssig werden soll. Im Zeitraum um 2025 würden die Kohlekraftwerke CO2 -frei, der geschäftliche Gedanke beruhe darauf, dass dieses Verfahren billiger ist, als die Luftverschmutzungslizenzen zu kaufen. Wahrscheinlich, lässt er anklingen werde es ein deutsches Projekt sein.

Dort hat der Energiekonzern Vattenfall vergangenen Monat das erstekohlendioxidfreie Kraftwerk in Betrieb genommen. Es soll 30 Megawatt Wärme erzeugen, dafür wurden 70 Millionen Euro investiert, an dieUmwandlung in Strom ist noch nicht gedacht. Umweltschützer kritisieren allerdings, die Technik, nach der das schädliche Gas verflüssigt und dann unterirdisch gelagert wird, sei nicht ausgereift. Trete das Gas auch zu einem späteren Zeitpunkt aus, sei der ganzeAufwand umsonst gewesen (Spiegel Online, 5. April 2007). Auch der Cegedel-Partner und Zulieferer RWEplant an einem solchen Kraftwerk. Allerdings ist dieses voraussichtlich erst 2015 operativ. Bis die Verfahren serienreif sind, müssen also dennoch Zertifikate gekauft werden und die könnten ab nächstem Jahr in Folge der Bemühungen der EU-Kommissionund der deutschen Regierung, weniger Zertifikate auszustellen, sehrviel teurer werden als bislang.

Somit will das Unternehmen die Stromzufuhr auf eine breitere Basisstellen, das Risiko im Portfolio besser verteilen, wie der Generaldirektor ausführt. Dazu gehört auch die Erzeugung von Regelstrom. In Vianden soll das Pumpspeicherwerk ausgebautwerden, dazu hat sich der Verwaltungsrat der Société Électrique del’Our (SEO) in ihrer letzten Sitzung entschieden. Die Hälfte der zusätzlichen Kapazität von 200 Megawatt wird die Cegedel vermarkten können. Dazu beteiligt sie sich mit 70 MillionenEuro am Ausbau, der insgesamt 120 Millionen kosten werde, wieSchneider berichtet. Von der Vergrößerung des Beckens hat die RWE, die eigentlich die Konzession für das Pumpspeicherwerk inne hat, nichts.

Die Operation bleibt für die Cegedel ein extrem günstiges Geschäft, allein im Vergleichmit dem Gewinn des abgelaufenen Geschäftsjahres. Auf die Frage, wie die RWE dazu bewegt wurdesich für diesen Deal zu erwärmen, meint Schneider: „Der Einfluss des Luxemburger Staates im Verwaltungsrat der SEO ist stark genug, um dem Partner RWE diese 100 Megawatt weg zu komplimentieren.“ Die wird Cegedel in Zukunft bedienen, als wäre man selbst vor Ort, so Becker. Will heißen, man kauft selbst denStrom zumPumpen des Wassers und entscheidet selbst, wann die Kapazitäten zum Stromverbrauch oder Herstellung am günstigsten eingesetzt werden können. Das kommt, das hat man spätestens beim letzten europaweiten Black-out gemerkt, aber auch angesichts der zunehmenden Menge anerneuerbarer Energie, immer häufigervor. Welches Potenzial diese 100 Megawatt der Gesellschaft bieten, darüber ist diese wenig transparent. Auf schriftliche Nachfrage heißt es von Becker ganz einfach „keine Antwort.“ 

Ein weiteres Projekt kündigte die Cegedel am Dienstag via Pressemitteilung an. „Dans le contexte de la libéralisation du secteur de l’énergie, Cegedel et Soteg étudient actuellement la possibilité d’une collaboration qui pourrait déboucher sur un rapprochement des deux sociétés. Un mandat a été donné à un consultant externe afin d’assister les sociétés respectives dans cette démarche“, so der gesamte Inhalt der Mitteilung.  Auf die Nachfrage des Land antwortete Becker, im Artikel des Wort vom 8. Mai über die vom Staat gewünschte Netzgesellschaft, habe man Soteg mit Sotel verwechselt. Ob sich nun daraus schließen lässt, dass sich dieSuche nicht auf die Stromverteilung bezieht, sondern womöglich auf die Gasversorgung, bleibt offen. In seiner Antwort verweist er einfach zurück auf die zweizeilige Mitteilung.

Michèle Sinner
© 2023 d’Lëtzebuerger Land