Fusion Cegedel, Soteg und SaarFerngas

Black Box

d'Lëtzebuerger Land vom 15.05.2008

Bald soll Hochzeit gefeiert werden. Vielleicht noch vor dem Sommer, auf jeden Fall noch dieses Jahr. Noch steht aber nicht fest, ob es ein ménage à deux oder à trois wird. Offiziell jedenfalls. Es ist eine Hochzeit, die großes öffentliches Interesse wecken müsste. Alle Energieverbraucher Luxemburgs sind betroffen, wenn Cegedel, die nationale Stromgesellschaft, und Soteg, der Gasversorger, miteinander anbandeln, und seit einiger Zeit ist gewusst, dass ein Dritter, Saar Ferngas, den Trauschein gerne mitunterschreiben möchte. 

Seit Arcelor Mittal Saar Ferngas zu den Gesprächen über eine engere „Zusammenarbeit“, wie es Cegedel-Präsident Roland Michel am Dienstag bei der Hauptversammlung der Energiegesellschaft nannte, eingeladen hat, gibt es sozusagen vorgezogenen Ehestreit (d’Land, 7. März, 14. März und 18. April 2008). Nicht alle wollen Saar Ferngas dabei haben und sie machten ihrem Unmut am Dienstag Luft. Pierre Nothomb von Deminor, einer Firma, welche die Interessen von Kleinanlegern verteidigt, zeigte sich besorgt über viele Dinge. Wie der Verwaltungsrat zu einer Fusion zu Dritt stehe, wollte er wissen, wie sich der Staat, der indirekt und direkt jeweils größter Anteilseigner von Cegedel und Soteg ist, verhalten wolle, wie sich dessen Vertreter im Verwaltungsrat verhalten wollen, um nicht in einen Interessenkonflikt zu geraten, wenn die Firmen um ihre jeweilige Bewertung streiten. Ob es dem Staat gelingen werde, die öffentlichen Interessen zu wahren? 

Vor allem befürchtet er, und diese Befürchtung teilt, das ist seit dem offenen Brief von Gaston Schwertzer (d’Wort, 11. Februar 2008) kein Geheimnis mehr, Luxempart-Energie, dass Arcelor Mittal versuche, Saar Ferngas überzubewerten, um einen möglichst großen Anteil an der neuen Energiegesellschaft für sich zu fordern. Nicht der Staat, sondern Arcelor Mittal kontrolliere dann die Energieversorgung Luxemburgs  und der Stahlriese könne seinen Anteil jederzeit an den Meistbietenden verkaufen. Weshalb Arcelor Mittal das tun sollte? Der Stromkonzern habe mit 367 Millionen Euro für seinen Anteil von 76,88 Prozent viel zu viel für Saar Ferngas bezahlt und diesen faux pas versuche man nun durch eine möglichst günstige Einbringung in die Fusion zu reparieren, meinen einige Kritiker hinter vorgehaltener Hand. 

Andere hingegen meinen, Arcelor Mittal habe Saar Ferngas überhaupt nur gekauft, nachdem die Gespräche zwischen Soteg und Cegedel bereits begonnen hatten, eben um in diesen Verhandlungen mehr in der Hand zu halten als die 20 Prozent, die man an Soteg besitzt. Das Timing des Erwerbs deute darauf hin. 

Auf seine Fragen erhielt Pierre Nothomb am Dienstag wenig konkrete Antworten. In die Verhandlungen sei der Verwaltungsrat nicht impliziert, sagte der Präsident Roland Michel, das würden die Aktionäre unter sich ausmachen. Bislang seien die Firmen Konkurrenten – wohl wahr, denn seit der Liberalisierung des Strommarktes hat die Cegedel viele Großkunden an die Soteg verloren – und deshalb habe noch keiner in des anderen data room, diesem magischen Ort, an dem die Betriebsgeheimnisse aufbewahrt werden, hineingeschaut. 

Allerdings, meinte Michel, sei es die Idee der Projektinitiatoren, sprich des Staates, in diesem Fall seinem Vertreter Jeannot Krecké, Energieminister (LSAP) gewesen, einen Energiechampion aufzustellen, der Attacken durch die ausländischen Energieriesen abwehren könne. Ein Energiechampion mit Verbündeten wie RWE, aktuell mit 49 Prozent an Luxempart-Energie beteiligt, die 30,4 Prozent an der Cegedel hält, der belgischen Electrabel, mit 7,8 Prozent an Cegedel beteiligt, und E.on, die 20 Prozent der Soteg besitzt. 

Die Aktionäre, die Einblick ins Innerste der anderen Firmen gehabt hätten, hätten eine Vertraulichkeitsklausel unterzeichnet und sich verpflichtet, keine Aktiengeschäfte mehr durchzuführen, erklärte Michel noch einmal am Dienstag. Weshalb eben der Verwaltungsrat nicht mehr wisse. Niemand wolle sich vor der Hochzeitnacht nackt zeigen, witzelte der Aufsichtsratvorsitzende. Bis der gemeinsam designierte Experte seinen Bericht über die Kaufprüfung vorgelegt und man sich auf eine Bewertung der Firmen geeinigt habe, könne man nichts sagen. „Der Verwaltungsrat weiß nicht mehr als sie“, sagte Michel. 

Eine Aussage, die durchaus mit allem unterzeichneten Vertraulichkeitsbrimborium im Einklang ist, die den Zuhörern dennoch viel Gutgläubigkeit abverlangt. Denn der sonst sehr joviale Etienne Schneider, Präsident der Netzgesellschaft Cegedel-Net und Verwaltungsratmitglied von Cegedel, der in den beiden Gremien den Aktionär Staat vertritt, saß bei der Hauptversammlung ungewohnt bescheiden im Publikum. Auch als er direkt befragt wurde, äußerte er sich knapp: „Der Staat wird seine Pflichten wahren.“ Der Pressekonferenz am Mittwoch blieb Schneider im Gegensatz zum Vorjahr vorsichtshalber gleich ganz fern. Mit seinen Kollegen vom Verwaltungsrat spreche er natürlich auch nicht über die Informationen, über die er als vertreter des Aktionärs Staat verfügt, bestätigte Roland Michel am Mittwoch noch einmal.

Alles Geplänkel? Nicht ganz, denn ganz prinzipiell stellt sich schon die Frage, ob sich ein Aufsichtsrat, wenn es um die Substanz und Struktur der von ihm bewachten Firma geht, mit der Aussage: „Das machen die Aktionäre unter sich aus“, die Hände in Unschuld waschen kann. Dazu kommt: Wenn auch nicht nackt, zumindest in der Unterwäsche haben sich alle Heiratswilligen ohnehin schon beäugt: durch die Beteiligungen des Staates an Cegedel und Soteg, den zehnprozentigen Anteil von Saar Ferngas an Soteg und die 19-prozentige Beteiligung der Cegedel an der Soteg. Ein wenig verlobt sind alle Beteiligten schon jetzt. Roland Michel beschwichtigte am Dienstag mit den Aussagen, bald, noch vor dem Sommer, auf jeden Fall noch dieses Jahr werde klar sein, wie tief die Zusammenarbeit zwischen welchen Partnern ausfallen werde. Wenn der Bericht des Experten vorliege, werde der Verwaltungsrat, die Vertreter des Staates inklusive, „in aller Gelassenheit“, eine Empfehlung an die Aktionäre geben. Die Entscheidung über das Projekt falle der Hauptversammlung der Cegedel zu, betonte Michel mehrmals. Doch das schien die Zweifel der Anteilseigner nicht zu zerstreuen.

Dass die Cegedel-Hauptversammlung entscheiden werde, deutet für Deminor darauf hin, dass es eher zu einem Tauschangebot (OPE) als zu einem Kaufangebot (OPA) kommen werde, denn ob er Letzteres annimmt oder nicht, entscheidet jeder Aktionär einzeln. Da bliebe den Kleinanlegern weniger Spielraum, findet er. Auch die Luxempart-Vertreter schienen nicht beschwichtigt. Foyer-Vorstand François Tesch forderte den Verwaltungsrat auf, sicherzustellen, dass die Variante Cegedel-Soteg zu Ende gedacht und berechnet werde. Bisher habe niemand erklärt, weshalb die Verhandlungspartner diese Alternative zugunsten einer Einbindung von Saar Ferngas fallengelassen haben. Dies möchte er begründet sehen. Luxempart-Präsident Gaston Schwertzer forderte ein weiteres Mal, die Cegedel dürfe in Folge einer Fusion nicht von der Börse zurückgezogen werden.

Wurde bisher in der Öffentlichkeit die Cegedel als unterbewertetes Schmuckstück bezeichnet, dessen Börsenwert sich in Folge der Fusionsgespräche einer Milliarde Euro nähert, werden sich dieser Tage die Diskussionen wohl vor allem auf die Bewertung von Saar Ferngas konzentrieren. Weshalb sollte Arcelor Mittal, denen man viel vorwerfen mag, aber nicht, dass sie unnötig Geld aus dem Fenster werfen, zu teuer für Saar Ferngas bezahlt haben? Weshalb wehrt sich der Stahlproduzent nicht gegen die Vorwürfe, man habe Saar Ferngas ohnehin erst und nur gekauft, um sich einen größeren Anteil der Gesellschaft sichern zu können? Wäre das verabscheungswürdig, wenn Arcelor Mittal versuchen würde ein gutes Geschäft zu machen? Nur wenn Saar Ferngas tatsächlich nichts zum guten Gedeihen der künftigen Firma beitragen würde. Da wird nämlich gemunkelt, die Mitgift von Saar Ferngas, die 1 700 km Gasnetz, sei ein wenig rostig, nicht mehr gut in Schuss. Allerdings schreibt Saar Ferngas im Jahresbericht 2006, man habe im gleichen Jahr rund zehn Millionen Euro ins Netz investiert. Auch im Vorjahr waren es mehrere Millionen. Geld eingebracht hat es den Saarländern auch: Netto zahlten andere Gasversorger für die Benutzung des Netzes 2006 ein Pachtentgelt von 44,6 Millionen Euro. 

Auch die vielen Beteiligungen an deutschen Stadtwerken, bisher in der Diskussion ein wenig belächelt, erweisen sich als durchaus lukrativ: 26,5 Millionen Euro nahm die Gasgesellschaft 2006 an Dividenden ein. Die Geister scheiden sich derzeit aber schon an der Frage, ob eine solche Fusion auf industriellem Plan sinnvoll ist oder nicht. Die eine Seite sieht die Ambitionen der Cegedel, sich auch zum Gasanbieter aufzuschwingen, durch ein Zusammengehen mit der Soteg erfüllt. Dass sie auch den Kunden der Saarländer Strom verkaufen könnte, glaubt man unter Saar-Ferngas-Kritikern nicht. Stadtwerke oder Industriekunden, wie sie dem Kundenstamm der Saar Ferngas angehören, würden nicht darauf brennen, von der Cegedel Strom zu kaufen. Genau das Gegenteil heben Befürworter der Dreier-Variante hervor: Die Cegedel erhalte so die Gelegenheit, den Kundenstamm der Saarländer zu erschließen, ihre eigene dual-fuel-Strategie, die bis zum Abschluss der Verhandlungen auf Eis liegt, umzusetzen. Ein geografische Ausdehnung des Konzeptes würde dies bedeuten, so, wie sich der Stromanbieter bereits im Telekommunikationsbereich in die Zusammenarbeit mit der deutschen VSE Net wagte. Genau diesen Punkt bemängeln andererseits die Kritiker: Eine grenzüberschreitende Fusion sei sehr viel schwieriger zu bewerkstelligen, warum die Sache also komplizieren, wenn man ohne Saar Ferngas die gleichen Ziele erreichen könnte, nämlich mit Soteg ins Gasgeschäft einsteigen? Für die Soteg hätte ein Zusammschluss mit der deutschen Gesellschaft den Vorteil, dass sie einen großen Partner für den Gaseinkauf erhalten würde. Saar Ferngas verkaufte 2007 41,3 Terawattstunden, Soteg 2006 knapp 17. Dabei machte Saar Ferngas einen Umsatz von weit über einer Milliarde. Würden die beiden gemeinsam einkaufen und nur ein paar Cent pro Kilowatt weniger zahlen müssen, weil sie zusammen ein interessanterer Kunde sind, wären schnell zweistellige Millionenbeträge eingespart. 

Könnte sich der andere Großaktionär Staat darauf verlassen, dass Arcelor Mittal seine Anteile nicht verkauft? Wer weiß, immerhin war es Michel Würth, der bei der Vorstellung der Jahresbilanz 2007 der Union des entreprises luxembourgeoise im Kampf gegen die Inflation niedrigere Strompreise in Luxemburg forderte. Als großer Energieverbraucher hat der Stahlhersteller ein ureignes Interesse an billiger Energie und ist seit Jahrzehnten der Soteg treu. Dass Arcelor Mittal sich öffentlich gegen die Vorwürfe verteidigen wird, ist unwahrscheinlich. Denn der Erwerb von Saar Ferngas durch Arcelor Mittal hat nicht zuletzt einen bitteren Beigeschmack für Cegedel-Aktionär und Luxempart-Freund RWE. Die hatten nämlich eigentlich Saar Ferngas kaufen wollen, das Bundeskartellamt untersagte die Transaktion jedoch im März vergangenen Jahres. Die Stadtwerksbeteiligungen der beiden Energiefirmen kreuzten sich in einer Art, welche die Kartellwächter fürchten ließ, andere Zulieferer hätten keinen Zugang mehr zu den betroffenen Werken. Auch in punkto Netz drohte eine Übermacht. Dass RAG-Chef Werner Müller daraufhin Arcelor Mittal eine Kaufoption zu den gleichen Bedingungen wie RWE gab und gleich noch die Kokerei Prosper in Bottrop drauflegte, stieß der RWE sauer auf. Sie klagte gar gegen den Entscheid des Kartellamtes. 

Vor einem Jahr häuften sich in Deutschland die Medienberichte darüber, dass RWE-Chef Harry Roels den früheren Minister Müller, der die RAG auf den Börsengang vorbereiten und deswegen von beiden Konzernen die Aufgabe ihrer Anteile für den symbolischen Euro ersuchte, deswegen auf der Abschussliste hatte. Müller hätte weder die Erlaubnis des RAG-Aufsichtsrat, über den Vertrag eingeholt und den Deal bereits abgesprochen, bevor das Kartellamt den Kauf durch RWE untersagte, so der Vorwurf Roels gegenüber Müller, hieß es in der Presse. Dabei liegen die Kartellamtsentscheidung, die Vereinbarung zwischen Müller und Arcelor Mittal über Saar Ferngas, das Besinnen seitens Arcelor Mittal auf die freiwillige Aufgabe der RAG-Anteile sowie die Bestätigung der Verhandlungen zwischen Soteg und Cegedel zeitlich sehr nah beieinander. Vielleicht zu nah, damit Arcelor Mittal ein strategisches Interesse an Saar Ferngas vor der Aufnahme derGespräche hier in Luxemburg bestätigen könne, ohne dadurch zuzugeben, ein Auge auf die Saarländer geworfen zu haben, bevor das Kartellamt RWE auf die Finger klopfte. 

Allerdings hatte Presseberichten zufolge auch RWE versucht, sich von Müller hier und da Sonderbedingungen im Gegenzug für den Ausstieg aus der RAG geben zu lassen. So muss man zumindest auch die Frage aufwerfen, ob die Befürchtungen einiger Arcelor-Mittal-Kritiker in diesem Kontext vielleicht etwas mit der Solidarität mit den Partnern von RWE zu tun hat, die wohl gerne selbst die Karte Saar Ferngas spielen würden. Ob Arcelor Mittal der RWE, die auch am Pumpspeicherwerk in Vianden beteiligt ist, damit eventuelle Expansionspläne hier im Land durchkreuzt – immerhin ist die Luxempart-RWE-Partei mit Cegedel-Vorstand Romain Becker so gut befreundet, dass er im Verwaltungsrat des Foyer tagt? Und ob man es wagen kann zu denken, dass Luxemburgs Solidarität mit Frankreich und Deutschland gegenüber den Pläne der EU-Kommission in Sachen Eigentümerentflechtung der Energiekonzerne, durch die für E.on und RWE viel auf dem Spiel steht, damit irgendwie im Zusammenhang steht. Wirtschaftsminister Jeannot Krecké, der diese Position im EU-Rat der Energieminister einnahm und so den Entflechtungsgegnern zur Sperrminorität verhalf, kündigte in der Energiekommission des Parlaments einen Abschluss der Verhandlungen innerhalb weniger Wochen an. Vielleicht kommt dann ein wenig mehr Licht in diese Black Box.

Michèle Sinner
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