Raumplanung

Von der Schweiz lernen ...,

d'Lëtzebuerger Land du 11.10.2013

... heißt planen lernen, nämlich Raumplanung! Die Schweiz, das sind heute 8,1 Millionen Einwohner auf einer Fläche von 41 285 Quadratkilometern. Im Durchschnitt teilen sich also rund 200 Schweizer einen Quadratkilometer – das entspricht ungefähr der Bevölkerungsdichte Luxemburgs. Was die Schweiz betrifft, ist dieser Wert natürlich ein bisschen irreführend, weil ein gutes Drittel der Landesfläche gebirgig ist und als unproduktive Naturfläche gilt. Die Bevölkerung wächst stark und regelmäßig, um jeweils 84 000 Einwohner in den Jahren 2010, 2011 und 2012 (Quelle: www.bfs.admin.ch). Auch in diesem Punkt sind wir uns ähnlich: Was für Luxemburg der „700 000-Einwohner-Staat“ ist, ist für die Schweiz die „Zehn-Millionen-Grenze“.

Wie viele Einwohner verkraftet ein Land? Hier geht es nicht nur um Fragen der Integrationsfähigkeit und der sozialen Kohäsion, sondern auch um Platzfragen, um „Lebensraum“. Viele Eidgenossen wünschen sich ein besseres, sorgfältigeres, sparsameres Flächenmanagement. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die so genannte „Mehrwertabgabe“ als Herzstück des revidierten Raumplanungsgesetzes gilt, das vom Volk am 3. März 2013 angenommen wurde. Worum geht es? Darum, dass einige Gemeinden und Kantone relativ großzügig bei der Ausweisung ihrer Bauzonen gewesen sind, derweil andere Gebiete unter einem Mangel an Entwicklungsmöglichkeiten leiden. So etwas kennt man ja auch bei uns, wo bald Parlamentswahlen sind. Natürlich möchte jede Partei etwas gegen den Wohnungsmangel unternehmen. Als Allheilmittel gilt die systematische, wahrscheinlich wieder völlig undifferenzierte Ausweisung von neuem Baugrund. Das Angebot soll gesteigert, die Reserven sollen möglichst schnell auf den Markt gebracht werden.

Die Schweizer scheinen hier eher kopf- als geldbeutelgesteuert zu sein. Die neue Schweizer Mehrwertabgabe funktioniert folgendermaßen: Wird eine Parzelle „eingezont“, also als Bauland ausgewiesen – was einem mehr oder weniger starken Wertgewinn gleichkommt –, muss der Besitzer, in diesem Fall der „Gewinner“, eine 20-prozentige Abgabe leisten. Wird dagegen Bauland umgewidmet, also wieder zur Grünzone, bekommt der „Verlierer“ eine Kompensation aus eben diesem neu geschaffenen Topf. Die Zielsetzung ist klar: Kampf gegen die Zersiedelung, besserer Schutz des „Kulturlandes“ (ein schönes Wort), nachhaltigere räumliche Planung.

Natürlich freut eine so einschneidende Maßnahme nicht jeden. Der Kanton Wallis war dagegen, als einziger. Auch die SVP war gleich zur Stelle, um ein Diktat von oben, eine Kompetenzverlagerung Richtung Bund, anzuprangern. Besser als eine Siedlungsbeschränkung sei eine Reduzierung der Immigration, schließlich seien es die Einwanderer, die zur „Bevölkerungsexplosion“ führen würden. Kein Kommentar!

Jeder Kanton ist jetzt aufgerufen, einen Siedlungsplan auszuarbeiten, aufgrund einer speziellen und, wie es scheint, ziemlich leistungsfähigen Bauzonenstatistik. Der ländliche Raum wird wohl kaum noch neues Bauland bekommen, was aber nicht heißt, dass nicht mehr gebaut werden kann, siehe Baulücken, Renovierung, Nachverdichtungspotenzial. Die Schweiz zeigt uns gerade, wie man das Thema Siedlungsentwicklung anpacken kann. Luxemburg hat seit diesem Sommer ein neues Raumplanungsgesetz. In einigen Wochen wird eine neue Regierung damit arbeiten können. Oben auf der Prioritätenliste: Wohnungsmarkt, Siedlungsentwicklung, Aktivitätszonenmanagement. Mal sehen, was ihr dazu einfallen wird.

Claude Gengler
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