Jugendarbeitslosigkeit

Weiblich, ledig, jung sucht

d'Lëtzebuerger Land vom 23.03.2000

Wenn wir die Jugend nicht hätten, wäre unsere Arbeitslosenstatistik weniger erfreulich. Der am Montag vorgestellte Tätigkeitsbericht der Arbeitsmarktverwaltung (Adem) für das Jahr 1999 zeigt: Global betrachtet, ist die Beschäftigungslage im Lande stabil, im Schnitt waren von Oktober 1998 bis Oktober 1999 bei der Adem 183 Arbeitssuchende weniger gemeldet als im Vorjahreszeitraum. Das ergibt eine durchschnittliche Arbeitslosenquote von 2,9 Prozent, im Vorjahr waren es 3,1 Prozent gewesen.

Kein großer Rückgang, wenn man bedenkt, dass die Zahl der neu geschaffenen Stellen sich seit 1992 von Jahr zu Jahr selbst übertrifft und der Zuwachs im letzten Jahr so groß war wie noch nie. Doch trotz der 12 000 neuen Jobs zählte die Adem im Dezember noch 5 534 Stellensuchende - noch bleibt, wie Arbeitsminister François Biltgen es nennt, das Problem "sozialer Arbeitslosigkeit" bestehen.

Dieses Problem hat mehrere Facetten. Eine davon heißt "weiblich, ledig, jung und wenig vorgebildet". Die Jugendarbeitslosigkeit nimmt insgesamt immer weiter ab. Der alarmierende Anteil von 47 Prozent der unter 26-Jährigen an den Stellensuchenden aus dem Jahre 1985 hatte sich Mitte der Neunzigerjahre auf 27 bis 25 Prozent reduziert. 1998 waren es 21 Prozent, im letzten Jahr knapp 19. Doch bis 1997 waren die jungen Arbeitslosen überwiegend Männer gewesen. Seit zwei Jahren sind vor allem Frauen betroffen. Der Unterschied beträgt acht Prozent, und er ist stabil.

Warum das so ist, darauf gibt es keine genaue Antwort. In den anderen EU-Staaten stellt sich das Problem ähnlich, aber in Luxemburg wurde es bis jetzt noch nicht tiefgründig untersucht.

Betroffen sind anscheinend vor allem junge Frauen mit geringerer Vorbildung. Zwar existiert keine Studie, die genau das aussagt. Aber nach den Statistiken der Adem sind unter den Arbeitssuchenden mit unterer und mittlerer Bildung die Frauen über alle Altersgruppen hinweg betrachtet leicht in der Mehrzahl. Und einer Analyse des Differdinger Sozialforschungsinstituts Ceps aus dem Jahre 1997 zufolge sind unter den Schulabgängern, die nur die Primärstufe oder die technische Komplementärstufe absolviert oder die Schule ohne jeden Abschluss verlassen haben, zwei Drittel weiblich.

Dass auch die Beschäftigungsmaßnahmen aus dem Nationalen Beschäftigungsplan (PAN) überwiegend von Männern frequentiert werden, kann ebenfalls nicht ohne Auswirkungen auf die Verhältnisse der Arbeitssuchenden bleiben, da aus der Arbeitslosenstatistik herausfällt, wer an einer solchen Maßnahme teilnimmt. Befristete Arbeitsverträge (CAT) im privaten und im öffentlichen Sektor, bei denen der Beschäftigungsfonds die Hälfte der Lohnkosten übernimmt, bestanden nach dem Adem-Bericht Ende 1999 zu 60 Prozent mit jungen Männern; die Einführungspraktika in die Betriebe (SIE) sogar zu 75 Prozent. Nur bei den so genannten Assistentenpools aus pädagogischen Hilfskräften für Lyzeums-Direktionen (zugänglich nur für junge Hochschulabsolventen) und bei den vom Arbeitsamt angebotenen Maßnahmen zur Weiterbildung sind Frauen und Männer in etwa zu gleichen Teilen vertreten.

Woraus der männliche Überhang bei den CAT und SIE resultiert, kann Karin Meyer, stellvertretende Direktorin der Adem und Leiterin des neu geschaffenen Encadrement psychosocial, auch nur vermuten: "Ein Grund ist sicher der, dass im Privatsektor vor allem für die als männertypisch geltenden Berufe Verträge angeboten werden." Und auch im öffentlichen Bereich, so Maryse Fisch, Regierungsattachée im Arbeitsministerium und zuständig für das Ressort Travail féminin, werden bislang mit den CAT-Kandidaten zu rund 50 Prozent Posten für Gemeindearbeiter vergeben und in erster Linie mit jungen Männern besetzt.

Wie fest gefügt auch unter den Jugendlichen die traditionelle Begriffswelt von Männer- und Frauenberufen ist, hat das Unterrichtsministerium vor vier Wochen mit der Untersuchung Mädchen und Technik verdeutlicht. Im technischen Sekundarunterricht waren im Schuljahr 1997/98 zwar zu ungefähr gleichen Teilen Mädchen und Jungen vertreten. Doch in der Ausbildung für Technikberufe befanden sich nur zu knapp einem Drittel Schülerinnen. In der Verwaltungs- und Handelslehre waren es dagegen 61 Prozent, in der Sektion für paramedizinische und Sozialberufe sogar 88 Prozent. In der Klassenstufe 11 der Technikerausbildung dominierten zu über 90 Prozent die Männer die Sparten Elektrotechnik, Mechanik und Informatik, die Frauen waren vornehmlich im künstlerischen Bereich und in Verwaltung, Handel und Hotellerie vertreten.

Konsequenterweise gibt es Sektoren, in denen Frauen bzw. Männer unterrepräsentiert sind. Im Rahmen des PAN soll ein großherzogliches Reglement für Chancengleicheit diesem Zustand abhelfen. Demnach könnten aus dem Beschäftigungsfonds solche Maßnahmen zu 65 anstelle 50 Prozent gefördert werden, die Arbeitslose beiderlei Geschlechts in Sektoren unterbringen, in denen Frauen bzw. Männer unterrepräsentiert sind.

Dass dieses Ziel erreicht werden könnte, ist allerdings im Moment eher unwahrscheinlich. Denn in welchen   Sektoren die beiden Geschlechter jeweils unterrepräsentiert und damit von vornherein förderbar sind, darauf hat sich das Comité permanent de l'emploi nicht einigen können. Vorgesehen ist jetzt, bei der Adem eine separate Kommission einzurichten, die für jeden einzelnen Fall prüfen soll, ob sie oder er womöglich einem Sektor zuzuordnen ist, in dem Mangel an Frauen oder Männer herrscht.

Falls es aber stimmt, dass vor allem wenig oder gar nicht qualifizierte junge Frauen von Arbeitslosigkeit betroffen oder bedroht sind, dann spielen noch ganz andere Einflussfaktoren eine Rolle. Diese Frauen, oft jünger als 18, sind ein bedeutender Teil der Klientel, um die sich die Action locale pour jeunes kümmert. Sie agiert auf lokaler und regionaler Ebene als Bindeglied zwischen Schul- und Arbeitswelt und orientiert vor allem Abgänger aus dem Régime préparatoire entweder in Zusammenarbeit mit der Adem unmittelbar in Richtung Arbeitsmarkt, oder in Richtung einer Lehre im Niveau CITP oder CCM oder zur Weiterbildung in einem Centre national de formation continue. Dass in den einzelnen ALJ-Büros generell mehr junge Frauen als Männer betreut würden, ist nicht der Fall. Zwar ist die Fluktuation der zu Betreuenden zum Teil beträchtlich, aber Jacqueline Bichler von der ALJ Ettelbrück und Dominique Pauwels aus Differdingen führen den bei ihnen herrschenden Überhang männlicher Klienten unter anderem darauf zurück, dass ein junger Mann ohne Job von seinen Eltern "Druck bekommt", wogegen eine Frau eher dazu animiert würde, gar nicht zu arbeiten und statt dessen im Haushalt zur Hand zu gehen. Frühe Schwangerschaften sind ebenfalls nicht selten, und oft scheitert die regelmäßige Teilnahme an Aus- und Fortbildungsmaßnahmen schon an der fehlenden Kinderbetreuung.

Kommt es dagegen zu einem Lehrverhältnis, spielt erneut das traditionelle Verständnis "männertypisch / frauentypisch" eine Rolle. Zwar kann ein CCM-Abschluss sowohl in Bau- und Metallberufen, aber auch für Landwirtschaft, Wein- und Gartenbau erworben werden. Darüber hinaus für Handwerksberufe im Textilbereich sowie für Bäcker, Metzger und Friseure. Während hier aber den jungen Männern eine Welt offen steht, wählen Frauen - ähnlich denen in der technischen Sekundarstufe - selten Metallberufe, eher werden sie Gärtnerin, vor allem aber Friseuse. Für CITP-Ausbildungen verhält sich das ähnlich: Elektriker, Installateur oder Mechaniker werden von Männern gewählt, von Frauen die Verkäuferin oder die Kellnerin. 

Was zweifellos schlecht ist für den Frauenanteil auf Baustellen; schwerer aber wiegt, dass die jungen Friseusen, insbesondere aber die Kellnerinnen in ausgesprochen prekären Arbeitsverhältnissen tätig werden. Im Horeca-Bereich werden die ungeregelten Arbeitsbedingungen schon seit vielen Jahren beklagt.

Und so überrascht es auch nicht, wenn Dominique Pauwels berichtet, dass in ihrem Büro immer wieder junge Frauen vorsprechen, die nach Abschluss einer solchen Lehre entlassen worden sind: "Den Chef kommt die Einstellung vieler Lehrlinge nacheinander natürlich billiger zu stehen als die Weiterbeschäftigung qualifizierter Leute."

So dass die Beseitigung prekärer Beschäftigung in derartigen "Frauen"-Berufen neben der Überarbeitung der Aus- und Weiterbildungskataloge am vordringlichsten ist. Trotz erklärter Chancengleichheit geschieht es keineswegs selten, dass eine junge Arbeitslose, die so kühn war, den Installateursberuf zu erlernen, danach nicht fertig wird mit der Situation, die einzige Frau unter lauter männlichen Kollegen zu sein und ihren Job wieder schmeißt. 

Peter Feist
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