Edward II

Mein Körper gehört mir!

d'Lëtzebuerger Land du 31.01.2002

"Ich mach' aus Englands Bürgerstädten Steingebirge" lautet des Königs hasserfüllter Racheschwur. Bloß ist es nicht ein feindlicher König, der dem Land dies verkündet, sondern der eigene, Englands König Edward II., der seinem Adel den hinterhältigen Mord an Gaveston, seinem Favoriten, nicht verzeiht. "My father is deceased. Come Gaveston!" ließ er den Schönling zu sich rufen, kaum trug er selbst die Krone auf dem königlichen Haupt, lässt die Königin "Franzosenhure" und England England sein, um sich nur noch Liebe, Zärtlichkeit und Wollust hinzugeben.

In Anik Feits radikaler Strichfassung von Christopher Marlowes Königsdrama bleiben nur sechs von rund 40 Figuren, Edwards Familie und Mortimer, Vertreter und Symbol des machtgeilen Adels. Als Marlowe, Shakespeares Vorläufer, das Stück 1592 schrieb, war er 28 Jahre alt und starb ein Jahr später einen mysteriösen Tod, unbezahlte Zeche, politische Rache, allerlei Mythen umweben noch heute den Mord mit seinem eigenen Dolch in einer Kneipe. Mittlerweile ist allerdings zumindest seine Spionagetätigkeit für und gegen den Hof Elisabeths längst anerkannt. 

Doch von politischen Machenschaften, den Intrigen bei Hofe, der Allianz mit Frankreich, den schottischen Kriegen, von all dem wird man in der Produktion des Kapuzinertheaters nichts erfahren. Genauso fiel Marlowes reiche Sprache der Cutterin zum Opfer.

Denn Regisseur Johannes Zametzer beweist auch diesmal wieder - wie schon bei Beckett x 3 vor zwei Jahren - eine gesunde Portion Irreverenz dem Autor gegenüber und destilliert das Stück so lange, bis nur die für ihn zentrale Frage übrig bleibt: wieviel Intimsphäre darf ein König haben und wann muss er sie der Staatsräson opfern? Ist eine Gratwanderung zwischen privatem und öffentlichem Leben überhaupt möglich?

"Im 16. Jahrhundert hatte sich der Begriff der Sexualität als konstituierendes Element der menschlichen Identität noch nicht gebildet und man kann dementsprechend auch nicht von einer homosexuellen Identität reden", heißt es im Programmblatt. Und weiter: "Homosexuelle Beziehungen waren weitgehend geduldet, so lange sie das soziale Gefüge nicht in Gefahr brachten." Und eben gerade dort lag Edwards Problem: seinem Geliebten opferte er nicht nur seine Ehe mit Isabelle, der Mutter seines Sohnes, sondern schenkte ihm auch Titel, Gold und Land. Was natürlich, man kann es sich ausmalen, den Adeligen nicht wirklich gefällt.

« Infâme Gaveston ! Tu corromps le roi, tu es le maquereau de ses désirs, » l'insulte Isabelle (Claudine Pelletier). Au début, elle observait les ébats amoureux des deux hommes avec une certaine bienveillance, avait préféré souffrir tous les jours la mélancolie de se sentir abandonnée plutôt que d'accepter que la guerre civile n'éclate et que le peuple ne s'oppose à son royal mari. Mais, finalement complètement délaissée, encouragée par son amant Mortimer (Lothar Kompenhans), elle voudra reconquérir le pouvoir et trahira son mari. 

Profitant de la situation linguistique au Luxembourg, Johannes Zametzer a choisi de mettre en scène une version bi-lingue français-allemand d'Edward II - autre parallèle avec Beckett x 3 - Isabelle et Gaveston (Tom Leick) s'exprimant en français alors que tous les autres intervenants parlent allemand. Ce qui souligne peut-être aussi l'aspiration à l'universalité du thème. Après distillation, les personnages qu'Anik Feit et Johannes Zametzer ont retenus sont des clichés, des marionnettes de leurs désirs, de leur haine, de leur avidité du pouvoir. 

Holzschnittartig, schemenhaft angelegte Figuren dominieren die Bühne, wie Isabelle, eine Puppe, hin- und hergerissen zwischen anfänglicher Zuwendung und Machtgelüsten, in denen sie ihr Liebhaber Mortimer unterstützt. Besonders aber steht das Liebespaar im Mittelpunkt: ein genialer Luc Feit als sehr junger, faserig-dünner und unerfahrener König im viel zu großen Rock, der anfangs bloß verspielt ist, sich mehr für Sex als für Macht interessiert, der gegen den Hofstaat aufbegehrt, wie banale Jugendliche das gegen ihre Eltern tun. Tom Leick als überdrehter, schriller und gewollt tuntiger Paradiesvogel Gaveston zeigt kaum Hinterlist, tut, als sei der materielle Wohlstand, den ihm der König gewährt, bloß ein angenehmer Nebeneffekt ihrer Liebesspiele. Der Bruder Edmund von Kent (schlichter Klaus Nierhoff) und der Sohn (der junge Yann Faber, der wie alle Kinder auf der Bühne am Ende wieder alle an die Wand spielt) scheinen in diesem Krabbenkorb die einzigen wahrhaften Freunde des Königs.

En optant pour un décor extrêmement sobre - un trône géométrique, une frise moyenâgeuse - et de sobres costumes noirs très vingtième siècle, Johannes Zametzer souligne son désir de mise à distance permanente. Les personnages ont valeur symbolique, leur histoire aussi. Dans une version aussi minimaliste, dont toutes les fioritures ont été coupées, l'histoire en accéléré des guerres et des cruautés commises dans le royaume par et envers le roi semble encore plus absurde. Pris de folie vengeresse, le roi se fera absolutiste - "entfalte deine Pranken, Edward, werde zum Tyrannen!" - deux siècles avant la révolution française, Marlowe ne parla guère encore du peuple souffrant, il s'agit uniquement ici du pouvoir des grands. Même si son histoire est celle d'Edward II, qui vécut de 1307 à 1327, sa pièce peut être interprétée comme une allégorie du règne d'Elisabeth. 

Volant « sur les ailes de la haine, » le roi ira au cachot, sera trahi une dernière fois par les siens, mais son fils est là déjà pour le venger encore, seul survivant d'un massacre - cinq des six personnages sur scène sont morts à la fin de la pièce. Et le violon d'André Mergenthaler nous fait sentir que le sang n'a pas fini de couler sur ce bas monde. Pour le sexe, pour le pouvoir et pour l'argent.

 

Edward II. von Christoper Marlowe, Regie: Johannes Zametzer, Dramaturgie und Fassung: Anik Feit, Kostüme: Ina Kromphardt, Bühne: Steffi Hennicot, Regieassistenz: Gaby Stehres; mit Luc Feit, Lothar Kompenhans, Tom Leick, Claudine Pelletier, Klaus Nierhoff, Yann Faber und André Mergenthaler am Cello; Produktion: Kapuzinertheater; weitere Vorführungen heute und morgen abend, jeweils um 20 Uhr; Reservierungen unter Telefon 22 06 45.

 

josée hansen
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