CTF zu den Koalitonsgesprächen

Neue Frauen braucht das Land

d'Lëtzebuerger Land du 18.06.2009

Eigentlich ist alles gesagt. Der Gedanke drängt sich auf angesichts der Empfehlungen, die das die Regierung beratende Comité du travail féminin (CTF) am Mittwoch vorstellte. 46 Maßnahmen zu den Bereichen Steuerpolitik, Sozialversicherung, Familien- und Beschäftigungspolitik hat das aus Vertreter/inn/en der Gewerkschaften, des Patronats, der Regierung und des Frauenrats bestehende Komitee Regierungs-Formateur Jean-Claude Juncker  für die Koalitionsverhandlungen auf den Weg gegeben. 

Viele davon sind alte Bekannte, werden seit Jahren von Politikern beschworen, versprochen – und doch zu wenig umgesetzt: die Beseitigung der Lohnschere zwischen Frauen und Männern, der Kampf gegen eine Arbeitsmarktsegregation, derzufolge als „frauentypisch“ geltende Tätigkeiten schlechter bezahlt werden als „männertypische“. Andere hat der CTF in Eigeninitiative angemahnt, etwa eine berufliche Orientierung sowie Schulausbildung, die den Gender-Aspekt berücksichtigt und Stereotypen bekämpft. Auch die Frage der Individualisierung der Sozialversicherung ist so ein Klassiker und stand schon 2004 auf der CTF-Wunschliste ganz oben. Bloß: Wen kümmert das?

Noch kurz vor den Wahlen stellte Chancengleichheitsministerin Marie-Josée Jacobs (CSV) die Auswertung des nationalen Aktionsplans 2006-2008 zur Gleichstellung von Frauen und Männern vor.  Fazit: Obwohl von der Regierung beschlossen, und obwohl Gremien wie das Comité interministeriel sich bemühen, die Gleichstellungspolitiken der verschiedenen Ministerien zu koordinieren,  gibt es nur spärliche Erfolge. Zwei Drittel der Ministerien schicken nur unregelmäßig oder keine Vertreter zu den Sitzungen. Diejenigen, die sich engagieren, fühlen sich von ihren Vorgesetzten oft nicht genügend unterstützt oder klagen über fehlende Ressourcen. Einige haben nicht einmal einen klar umrissenen Auftrag für ihre Arbeit.

Angesichts dieser Ignoranz erstaunt die Freundlichkeit, mit der das vor allem von Frauen besetzte CTF seine Empfehlungen wiederholt. Man „hoffe“, dass die neue Regierung das Komitee mehr einbeziehe, sagt Anik Raskin vom nationalen Frauenrat und lobt die „konstruktive Arbeit“ in dem „originellen Organ“. Doch in den Wahlprogrammen der Möchtegern-Koalitionäre von CSV und LSAP finden sich an konkreten Vorschlägen zur Gleichstellung vor allem die Gratis-Kinderbetreuung. Feministische Forderungen wie gleicher Lohn für gleiche Arbeit werden pflichtschuldig  abgehakt. Die Bedeutung, die die schwarz-rote Koalition dem Gender-Thema wirklich beimisst, lässt sich nicht zuletzt am Haushalt des zuständigen Ministeriums ablesen: Dessen Anteil am Gesamtbudget beträgt 2009 gerade einmal 0,11 Prozent; Kürzungen wegen der Krise nicht ausgeschlossen. Schon kreisen Gerüchte, das Ministerium solle wegrationalisiert oder mit einem anderen Ministerium fusioniert werden. 

Ganz unschuldig an der Misere sind die Frauen aber nicht. Statt empört mit der Faust auf den Tisch zu hauen und messbare Fortschritte einzufordern, bleibt es bei freundlichen Empfehlungen: „Le conseil estime qu’il est indispensable d’aligner le niveau de protection légal contre les discriminations fondées sur le sexe“, „Le conseil encourage le Gouvernement à institutionaliser le Girl’s Day et Boy’s Day“, und „Le CTF encourage les initiatives“ (au niveau des actions positives, d. Red.). Dazu, eine konsequente Quotenregelung zu fordern, kann sich die Quadripartite nicht durchringen, auch nicht zur Forderung einer Selbstverpflichtung für Unternehmen mit klaren Fristen. Das würde ohnehin nicht viel bringen: Als norwegische Unternehmen 2001 versprachen, den Frauenanteil in den Vorstandsräten freiwillig zu erhöhen und zwei Jahre später der Anteil immer noch bei knapp acht Prozent herumkrebste, platzte  der damaligen christdemokratischen Familienministerin der Kragen: Gegen erheblichen Widerstand der Wirtschaft führte sie die Quote ein. 

Was norwegische Christdemokraten fertig bringen, ist in Luxemburg nach wie vor verpönt. CTF-Mitglied Viviane Goergen vom LCGB räumt auf Nachfrage zwar ein, das man  „in bestimmten Bereichen ohne Quoten nicht mehr weiter“ komme. Man könne das Instrument diskutieren, sobald der neue Aktionsplan aufgestellt werde. Doch zum einen ist gar nicht sicher, wann es die Neuauflage geben wird, zudem gehört ein solcher Paradigmenwechsel, um überhaupt eine reelle Chance  auf Umsetzung zu haben, unbedingt ins Koalitionsabkommen – und die Verhandlungen dazu laufen jetzt. Apropos: Man darf gespannt sein, wer den Posten des LCGB-Generalsekretärs Marc Spautz künftig übernehmen wird. „Wir haben kompetente Frauen in unseren Reihen“, betont Goergen. Ein Blick in die Führungsetagen von CGFP, OGB-L oder LCGB zeigt allerdings, wie gerne Gewerkschaftsmänner dort noch immer unter sich bleiben. 

Anstatt die Blockadehaltung nun  mit vereinten Kräften anzugehen, werden Konflikte lieber intern ausgetragen, mit bekanntem Ergebnis. Bis heute haben die diversen Frauensektionen und -organisationen keine vernetzte Strategie, um ihre Forderungen durchzusetzen. Fehlende personelle Ressourcen mögen eine Erklärung sein, aber wahrscheinlich hemmt noch etwas anderes: Organisationen, wie Cid-femmes oder Frauenrat, sind staatlich finanziert, deutliche Kritik an der Regierungspolitik fällt da oft schwer. Für Frauenrechtlerinnen der ersten Stunde war die Emanzipation vom (Ehemann und) Geldgeber die Voraussetzung für einen erfolgreichen Kampf gegen Diskriminierung. Vielleicht ist es Zeit, sich auf alte Wurzeln zurückzubesinnen. 

Ines Kurschat
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