Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt

Freiwillig reicht nicht

d'Lëtzebuerger Land vom 25.05.2006

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Das hat ja so einen Bart. Der Sinn­spruch passt beim Thema Frauen und Arbeitsmarkt vielleicht nicht ganz und doch: Wenn man die zwei jüngsten Studien liest, die das Chan­cengleichheitsministerium vor kurzem veröffentlicht hat, bleibt der Seufzer nicht aus: VielNeues hat das Ministerium nicht zu vermel­den, alles schon malda gewesen.

 

Die gute Nachricht zuerst. Die weibli­che Beschäftigungsquote steigt wei­ter. Sie belief sich im Jahr 2003 auf 52 Prozent, womit Luxemburg der durchschnittlichen Entwicklung im Europa der 15 allerdings weiterhin um gut acht Jahre hinterher hinkt. Den Grund für den allmählichen Aufwärtstrend nennt der seit 1996 in regelmäßigen Abständen erschei­nende, mehr als 230 Seiten dicke Be­richt Les femmes et le marché de l’emploi auch: Die Frauen profitieren vom an­haltenden Beschäftigungszuwachs, den Luxemburg, trotz jüngster Schre­ckensmeldungen wie Villeroy [&] Boch, TDK, Monopolund anderer, noch immer verzeichnet. Und dies sogar in stärkerem Maße als ihre männlichen Kollegen. Der Arbeitsplatzzuwachs betrug in den Jahren 2002 und 2003 für die Frauen 2,5 Prozent, während er sich bei den Männern lediglich auf 1,9 Prozent belief. Obwohlder Höhepunkt wirtschaftlichen Wachs­tums bereits zurückliegt, entstanden die meisten Jobs für Frauen in den vergangenen zwei Jahren weiterhin im Dienstleistungsbereich.

 

Das war es dann aber auch schon mit den Positivnachrichten. Ansonsten gilt, was für Frauen seit jeher zutrifft: Ihre Aussichten auf dem Arbeits­markt bleiben durchwachsen, daran hat das Plus an Beschäftigung nichts geändert. Von der rasant steigenden Arbeitslosigkeit sind Frauen wesent­lich stärker betroffen, nämlich mit 4,6 im Jahr 2003 gegenüber 2,3 Pro­zent bei den Männern; eine Zahl, die von der aktuellen Entwicklung aber bereits überholt wurde. Laut Eurostat betrug die Arbeitslosenquote für Luxemburgs Frauen im Januar dieses Jahres 7,8 Prozent, während sie bei den Männern bei 3,8 Prozent lag. Die Gefahr von Frauen, arbeitslos zu wer­den, ist somit höher und steigt zudem mit dem Alter. Auf der Internetseite der Arbeitsverwaltung Adem sucht man diese geschlechtsspezifisch auf­geschlüsselten Daten vergeblich, und erstaunlicherweise hat sie nicht ein­maldie Adem-Gleichstellungsbeauf­tragte parat.

 

Der Einstellungsrückgang im Finanz­bereich hat weibliche Angestellte ebenfalls stärker getroffen. Sie ver­zeichneten einen Rückgang von 2,5 Prozent, bei den männlichen Ange­stellten war der Einbruch mit einem Prozent nicht so tief. Über die jüngs­ten Stellenreduzierungen im Indus­triesektor liegen keine Auswertungen vor (die Studie bezieht sich auf das Jahr 2003). Doch es ist anzunehmen, dass sich hier vollzieht, was sich im Ausland ebenfalls seit längerem be­obachten lässt: dass in Zeiten von Stellenabbau, Flexibilisierung und Rationalisierung Frauen die ersten sind, die ihre Plätze räumen müssen. Eine Rolle spielt hierbei sicher die „geschlechtsspezifische Arbeitsmarkt­segregation“: WeilFrauen im Durch­schnitt häufiger niedrig qualifizier-te, schlechter bezahlte Tätigkeiten ausüben und sie zudem öfters befris­tete Verträge haben, sind sie schnel­ler kündbar. In diesem Zusammen-hang sind Wiedereingliederungs-maßnahmen, mit denen Frauen als Sekretärin, Tagesmutter oder Haus­haltsgehilfin, also für „typisch weibli­che“ Arbeiten ausgebildet werden (Naxi, InitiativRëm schaffen, Zarabi­na), kritisch zu sehen. Sie verstärken die berufliche Segregation von Frau­en. Das sagt auch die Europäische Kommission, die in ihrem Bericht zur Gleichstellung von Männern und Frauen aus dem Februar 2006 fest­stellt, „dass den größten Zuwachs bei der Frauenbeschäftigung jene Be­reiche und Berufe zu verzeichnen hatten, in denen bereits jetzt über­wiegend Frauen tätig sind“ – und in denen jahrzehntelange Diskriminie­rungen bis heute fortbestehen.

 

Zum Beispielbei den Löhnen, wo der Gender gap sich hartnäckig hält. Luxemburgs Frauen verdienen, je nach Berufsstatut und Branche, zwi­schen 15 und 20 Prozent die Stunde weniger als ihre männlichen Arbeits­kollegen (in Belgien sechs, in Frank­reich zwölf Prozent, Eurostat 2006). Sie sind zudem bei Teilzeitarbeit überrepräsentiert – und die ist oft schlechter bezahlt. Schlappe 1,7 Pro­zent der männlichen Beschäftigten in Luxemburg arbeiteten 2003 halb­tags, damit ist das Großherzogtum absolutes Schlusslicht im Europa der 15. In den Niederlanden geht jeder fünfte Mann einem Teilzeitjob nach; selbst in Geschlechterfragen eher als konservativgeltenden Län­dern wie Italien und Portugalweisen Männer doppelt so hohe Teilzeitquo­ten auf. Da erstaunt auch nicht, dass dieselbe Studie festhält, dass Kinder­haben Luxemburgs Väter in ihrer Erwerbstätigkeit ziemlich unbeein­trächtigt lässt. Anders die Frauen. Bei Müttern mit einem Kind betrug die Beschäftigungsquote im Jahr 2003 66,9 Prozent, bei drei Kindern ging aber nur noch jede zweite Mutter ei­ner Erwerbsarbeit nach, bei vier Kin­dern und mehr schrumpft die Beschäftigungsquote sogar auf rund 41 Prozent – ein Beweis mehr, dass die Hauptlast daran, Kinder zu ha­ben, in der Regel noch immer die Frauen tragen. So willes das christliche Familienbild.

 

Allerdings gilt die Beobachtung für Luxemburgerinnen und Auslände­rinnen nicht gleichermaßen. Ein Vergleich der Beschäftigungsquoten zeigt, dass es weiterhin vor allem Luxemburgerinnen sind, die es sich aufgrund eines ausreichend hohen Gehalts ihres Ehemanns erlauben können, daheim zu bleiben. Das Phä­nomen des männlichen Familiener­nährers, der allein das Geld für den Lebensunterhalt (auch) der Ehefrau verdient, existiert demnach in vielen luxemburgischen Haushalten weiter. Das Bild vom modernen Vater, der gleichberechtigt im Haushalt und bei der Kinderbetreuung anpackt, entpuppt sich weitgehend als Wunsch­vorstellung erfolgloser Werbekam­pagnen. Die Karrierefrau als Beweis für eine grosso modo doch erfolgreich gelaufene Emanzipation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt kann genauso wenig überzeugen. Dass Frauen die betriebliche Hierarchie vor allem von unten auffüllen, belegt die zwei­te Studie Les femmes dans la prise de décision économique. Deren Kernaussa­ge fasst die Chancengleichheitsmi­nisterin Marie-José Jacobs selbst mit einem Satz zusammen: „Ily a un seulconstat à faire : la participation des femmes à la prise de décision écono­mique n’a guère évolué .“ Die weibli­che Präsenz in Führungsetagen sta­gniert seit der letzten Erhebung von 2001 auf exakt demselben Niveau. Im Jahr 2003 saßen lediglich 16 Pro­zent Frauen in den Verwaltungsrä­ten, elf Prozent in der Direktion von Großunternehmen. Nur bei kleinen Betrieben hat sich die Zahlleicht ver­bessert: Dort kletterte der Frauenan­teilvon 16 Prozent im Jahr 2001 auf 22, wobei allerdings nicht auszu­schließen ist, dass eine veränderte Stichprobe zum besseren Resultat beigetragen haben mag.

 

In der Summe also null Fortschritt, sodass sogar die CSV-Politikerin Ja­cobs in ihrem Eingangswort nicht umhin kommt, zu fragen: „À l’heure actuelle, ilfaut se poser la question si la parité n’est réalisable que par des mesures contraignantes.“ Wer nun aber gedacht hat, die Ministerin wer­de energisch die Blusenärmelhoch­krempeln und ein neues, nachhal­tiges Kapitelin Luxemburgs Gleich­stellungspolitik beginnen, sollte den im Februar dieses Jahres vorgestellten Nationalen Aktionsplan des Mi­nisteriums (Plan d’action d’égalité des femmes et des hommes) lesen: Von Frau­enpower ist darin nicht vielzu lesen. Ursprünglich von der Europäischen Kommission als zentrales Instrument gedacht, um das Gender-Mainstreaming in die jeweiligen nationalen Politik­bereiche einzuführen und somit die Sache der Frauen allgemein, insbe­sondere aber auch auf dem Arbeits­markt voranzutreiben, fällt die Luxemburger Version recht zahnlos aus. Wenig Konkretes, dafür viele Ab­sichtserklärungen, bemängelte der nationale Frauenrat CNFL in seinem Avis zu Recht.

 

Beim Stichwort „Wirtschaftswelt“ wird auf den im Wirtschaftsministerium koordinierten, mit sämtlichen Minis­terien und den Sozialpartnern abge­stimmten Innovationsplan (Plan nati­onal pour l’innovation et le plein emploi) als Maßnahme verwiesen. Er formu­liert als Ziele unter anderem, die be­rufliche Mobilität zu erhöhen und die geschlechtsspezifische Segregati­on auf dem Arbeitsmarkt zu bekämp­fen. Wie das gehen kann, wird aber nicht verraten. Unter der Überschrift „Männliche (!) und weibliche Be­schäftigungsquoten anheben“ wird der Ausbau von Betreuungsstruktu­ren versprochen, wie ihn auch die EU zum Zielvorgegeben hat: 33 Prozent mehr Krippenplätze pro Jahr zwi­schen 2005-2007; darüber hinausge­hende eigene Ideen hat das Ministe­rium offenbar keine.

 

Überhaupt ist die Europäische Kom­mission in ihrem Bericht zur Gleich­stellung in entscheidenden Punkten weiter. Weildie Arbeitsmarktpolitik der nationalen Souveränität unter-liegt, haben verschiedene Punkte im Kommissionspapier lediglich Auffor­derungscharakter, darunter die fle­xibleren Arbeitszeitregelungen und ein dichteres Kinderbetreuungsnetz, um eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu gewährleisten, Reform der Steuer- und Sozialleis­tungssysteme in Angriff nehmen, um negative Anreize, die Frauen aus dem Arbeitsmarkt herausbefördern, zu beseitigen und stattdessen positive Anreize zu schaffen, erwerbstätig zu bleiben. Aber immerhin: Dass „Fort­schritte bei der Gleichstellung (…) in den letzten Jahrzehnten vor allem mithilfe von Rechtsvorschriften er­zielt“ wurden und es konkreter Fris­ten bedarf, um zu gewährleisten, dass ein Programm oder eine Maßnahme auch umgesetzt werden, hat inzwi­schen selbst die Kommission eingese­hen. Auf den Aktionsrahmen für die Gleichstellung der Geschlechter, der im März 2005 von den europäischen Sozialpartnern verabschiedet wurde, solldeshalb ausdrücklich ein jähr­licher Fortschrittsbericht folgen.

 

In Luxemburgs nationalem Gleich­stellungsplan ist indes die vom Chan­cengleichheitsministerium im Okto­ber 2005 angekündigte Evaluation der „positiven Aktionen“ aufgeführt, neben einer Studie zur Lohndiffe­renz und weiteren Analysen. Wann sie stattfinden, was sie genau untersu­chen sollen, und vor allem wie mit den Resultaten politisch umgegan­gen werden soll, darüber schweigt sich der Plan aber aus. Das wäre wohlzu vielaktive Politik gewesen. In einer Zusatzbemerkung heißt es nur, die Regierung habe entschieden, nach einer Versuchszeit von einer „obliga­tion de moyens“ auf eine „obligation de résultat“ zu wechseln, um jene Dis­kriminierungselemente zu beseiti­gen, die „objektiv“ nicht erklärt wer­den könnten. Ein konkreter Zeit­punkt wird nicht genannt. Auf Nach­frage des Land sagte Maddy Mulheims, Erste Regierungsberaterin im Chan­cengleichheitsdossier, die Fristen er­gäben sich bei der Evaluation der „positiven Aktionen“ aus der vergan­gene Woche getätigten Auftragsver­gabe, erste Ergebnisse sollen im Herbst vorliegen. Die Lohnstudie wird laut Ministerium frühestens in drei Jahren kommen, Jahre, in denen die – gesetzlich verbotene – Lohndis­kriminierung fortdauert.

 

Was bei einer solchen Untersuchung herauskommen wird, ist jedoch jetzt schon absehbar, schließlich ist das Phänomen nicht auf Luxemburg be­grenzt und forscht die Arbeitssoziolo­gie seit vielen Jahren weltweit dazu: Dass nämlich Männer alle möglichen fadenscheinige Gründe finden, um ihr Revier vor weiblicher Konkurrenz abzuschotten. Als in Norwegen, trotz „freiwilliger Selbstverpflichtung“ der Unternehmen, der Frauenanteilin den Vorstandsräten unverändert bei mageren acht Prozent herumkrebste, führte die christdemokratische Fami­lienministerin Laila Dåvøy schließlich entnervt die Quote ein (d’Land vom 28. Oktober 2005). Doch nicht ein­maldazu kann sich die CSV-LSAP-Re­gierung durchringen – und die Frau­enverbände sind zu schwach und zu brav, das allein durchzusetzen. Sodass man die Kernaussage des nächsten Gleichstellungsberichts getrost hier schon malvorweg nehmen kann. Sie wird lauten: Frauen werden auf dem Arbeitsmarkt gegenüber Männern weiterhin benachteiligt. Wetten?

Ines Kurschat
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