Bei Anne Will ging's um LuxLeaks

Ich bin aus einem kleinen Land

d'Lëtzebuerger Land vom 21.11.2014

Ein armseliger Außenminister aus einem kleinen Land, der nichts von Geld versteht, geht in ein großes Land, ins Fernsehen. Das ist sehr mutig von ihm. Im großen Land sitzen ihm nämlich welche gegenüber, die etwas von Geld verstehen, oder wenigstens so tun. Der Aufdeckerjournalist mit dem unbestechlichen, ein wenig stechenden Blick, die Rote Sahra mit den erbarmungslosen Stöckelschuhen. Um aber den armseligen Außenminister nicht zu erschrecken, hat Sarah ihre rote Böse-Königin-Kluft abgelegt. Sie hat sie eingetauscht gegen etwas beruhigend Blaues. Der Außenminister ist gottlob nicht ganz allein, er wird assistiert von einem deutschen Experten, Direktor auch noch, der immer wieder etwas Kompliziertes sagt, das alles ein bisschen relativiert, so einfach könne man das nicht sehen.

Dauernd werden nämlich dem Außenminister blöde Fragen gestellt. Zum Beispiel ob ihm der Reichtum seines Landes noch nicht aufgefallen sei. Der Journalist, der gern als Globalisierungskontrolleur um den Globus rennt, fragt ihn sogar perfide, ob er noch nie durch seine Heimatstadt gelaufen sei. Ob er dort nicht die vielen Briefkästen gesehen habe. Das disqualifiziert den Journalisten als Luxemburg-Experten total. Luxemburger laufen bekanntlich nicht durch ihre Hauptstadt, sie joggen höchstens. Später kontert der Außenminister eine dieser ewigen Briefkastenstänkereien cool, da hat er die Lacher auf seiner Seite.

Es geht viel um Mütter, vor allem um deutsche Mütter. Hat der Außenminister aus dem kleinen Land den deutschen Müttern etwas angetan? Ich muss mein Land verteidigen, sagt der Außenminister, er scheint zu schwitzen, er muss sich den Hemdkragen lockern.

Ganz allein hat er sich zu den Deutschen getraut. Wo er auch noch eine so schwere Sprache sprechen muss. Kein Kriegsminister hat sich in die Höhle der Löwen getraut, in die wir hineinschauen dürfen, auch kein Wirtschaftsminister. Du machst das schon, du mit deinem legendären Charme, die wickelst du um den kleinen Finger. Stell dich ein bisschen blöd, ein bisschen luxemburgisch, ein bisschen klein. Das kommt bei denen gut an.

Natürlich hat der Außenminister wirklich Waffen, die sehr entwaffend sind, unter anderem, wie betörend altmodisch, die des Charmeurs. Spielte er nicht in Schwarzweißfilmen in Hollywood mit? Auch strahlt er Gutmütigkeit aus, eine schon beinahe ausgestorbene Ausstrahlung. Er könnte sicher keiner Mutter etwas zuleide tun. Schimpfen kann er zwar gut, aber die haben es dann auch verdient.

Der Außenminister hat aber nicht nur Charme-Pfeile im Köcher, er hat die Pfeile raffiniert in sozialistisches Schmalz getunkt. Er erzählt von schwer schuftenden und schwitzenden Vorfahren, die den sagenhaften Reichtum des kleinen Landes begründeten, von der Stahlindustrie. Dies entlockt der schönen roten Sahra nur ein weiteres feines, grausames Lächeln. Anne findet ihn, so langsam wird es unoriginell, wieder mal wahnsinnig charmant, lässt aber dennoch nicht locker und bohrt weiter. Der Außenminister muss jetzt zerknirscht sein und Besserung geloben, denn er kommt aus einem unmoralischen Land. Unmoralisch ist viel schlimmer als illegal, bei illegal kann man wenigstens ins Gefängnis, bei unmoralisch kann man sich nur schämen. Unser Land ist also nicht nur eine Kapitale des Kapitals, ein Reich des Bösen, sondern, das wird genüsslich erwogen, vielleicht ein Unrechtsstaat! Jetzt wird der Außenminister aber langsam ungehalten. Er kann schließlich nichts dafür, für all das, er kann nichts dafür, dass Amazon Luxemburg ausgesucht hat. Und Luxemburg kann auch nichts dafür. Luxemburg hat das nicht absichtlich gemacht, all das hat sich in einer globalisierten Welt so ergeben, sagt der Außenminister.

Wir seien nicht alle Mafiosi, versucht er unser Image zu retten. Wir seien zäh und resistenzfähig, droht er subtil. Er verteidigt uns beherzt, löwenherzig. Obwohl die deutsche Sprache bekanntlich wirklich eine schwere ist. Immer wieder schleichen sich putzige Luxemburgismen ein, die zum Schmunzeln einladen.

Aber er plagt sich redlich, er ist ja auch nur ein Kleiner, aus einem kleinen Land, man kann ihm nicht wirklich böse sein.

Michèle Thoma
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