Seit 50 Jahren besteht das Bauernerbrecht mit seinen Sonderregelungen, die die Bauernzentrale wollte. Seitdem werden Hoferben gegenüber ihren Geschwistern bevorzugt behandelt

Einfach so Besitz vom Staat

d'Lëtzebuerger Land vom 16.08.2019

Dieses Jahr feiert die Bauernzentrale ihr 75-jähriges Jubiläum. 50 Jahre zurück liegt der Zorn der Bauernopfer über das ausgesprochen spezielle landwirtschaftliche Erbrecht, das die Abgeordnetenkammer 9. Juli 1969 verabschiedete, und verliert dementsprechend an Wahrnehmung. Das landwirtschaftliche Erbgesetz kam auf vehementen Druck der Bauernzentrale, der einst alleinigen Bauerngewerkschaft, zu Stande. Für die Nachkommen eines Landwirtes, die den Hof nicht fortführten, sollte sich die neue Regelung als eine erschreckend arge Geringschätzung herausstellen.

Verlockung Reichserbhofgesetz

Bis dahin hatte seit Anfang des 19. Jahrhunderts der Code Napoléon mit der Devise „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ das allgemeine Erbrecht bestimmt, das der Bauern auch. Im Erbfall konnte ein Bauernhof weiterbestehen, sofern alle Erben einwilligten und jeder von ihnen den gleichen Anteil am Familienvermögen erhielt. Zum Äußersten kam es selten, da die Eltern meist schon sehr früh ihr Erbe familienintern regelten und für einen korrekten Ausgleich unter all ihren Kindern sorgten. Diese Regelung konnte vereinzelt bei jungen Bauernfamilien, die den ungeteilten Hof ihrer verstorbenen Eltern bewirtschafteten, zu Notlagen führen. Im Todesfall des Jungbauern konnten dessen Geschwister die Witwe samt Kindern des Hofes verweisen und frei über die Hofgüter verfügen.

Bereits in der Zwischenkriegszeit gab es diverse Bestrebungen der Bauernschaft für eine Abänderung des Erbrechts.

1933 führten die Nazis im Deutschen Reich die Reichserbhofgesetzgebung ein. Damit wollten die Nazis einer möglichen ökonomischen Schieflage eines Hofs im Erbfall entgegenwirken. Sie wollten verhindern, dass der Hof unter den Kindern des Bauern aufgeteilt würde. Da dabei die anderen Kinder des Bauern diskriminiert wurden, sorgten die Nazis für einen Ausgleich. So musste der Hoferbe für die Erziehung und die Ausbildung seiner Geschwister aufkommen.

Die Nazi-Regelung sorgte für rege Diskussionen in der luxemburgischen Jungbauernschaft.

Nach dem Zweiten Weltkrieg und gleich nach ihrer Gründung organisierte die Bauernzentrale unter den Landwirten ein Referendum über das Erbrecht. Die ganz große Mehrheit der Teilnehmer sprach sich für die Gleichbehandlung all ihrer Kinder im Erbfall aus, also gegen die „Erbhoflösung“. Auch war die Mehrheit gegen die verfügte, komplette Übergabe des Hofes an nur eines ihrer Kinder. Stattdessen müsse jedes Kind den Anteil erhalten, der ihm legitim zustehe.

Auf einer Tagung des Jungbauern- und Jungwinzerbundes im Jahre 1947 rief Präsident Charles Wirtgen dazu auf, „alle Bauernprobleme nach den Gesetzen der Gerechtigkeit und Nächstenliebe zu lösen“. Es müsse die Möglichkeit geschaffen werden, dass der neue Besitzer den Hof zum Ertragswert übernehmen kann. Die anderen Erben müssten so entschädigt werden, dass für sie kein Nachteil entsteht (Luxemburger Wort vom 23. April 1947).

Der Bauernzentrale, die sowohl als rechtmäßige Landwirtschaftskammer als auch als monopolistischer Agrarkonzern fungierte, folgte jedoch verstärkt anderen Maßstäben. Sie argumentierte, bei der Bauernerbfolge müssten unbedingt rentabilitäts- und vor allem profitorientierte Regelungen geschaffen werden. Alle Faktoren, die dem Bauern finanzielle Belastungen verursachten, müssten auf den Prüfstand, und hierzu gehörten auch die Bestimmungen des Erbrechts. Dieses müsse endlich an die neue Agrarökonomie der Ende 1950-er/Anfang 1960-er Jahre und an einen gemeinsamen europäischen Markt angepasst werden.

Schon 1948 hatte die Bauernzentrale der Regierung vereinzelte Maßnahmen vorgeschlagen, die auch, wie zum Beispiel der aufgeschobene Lohn für den Betriebserben im Jahre 1964, von der Abgeordnetenkammer verabschiedet wurden. Mit dem aufgeschobenen Lohn wird den Familienmitgliedern, die auf dem Hof hauptberuflich gearbeitet haben, ein Entgelt gesetzlich garantiert. Ebenfalls 1964 wurde einer künftigen Aufsplitterung der Ländereien durch das Flurneuordnungsgesetz Einhalt geboten.

Nachdem 1966 auf die Krise der Regierung Werner-Cravatte I die Regierung Werner-Cravatte II folgte, brachte der neue Justizminister Jean Dupong Anfang 1967 eine langjährige Forderung der Bauernzentrale als Gesetzentwurf ins Parlament, der veranlassen sollte, dass die Erziehungsausgaben, die Bildungskosten und der so genannte „Trousseau“ der Bauernkinder dem Erbe angerechnet werden mussten. Gab es nicht schon ähnliche Ideen im Nazi-Reichserbhofgesetz von 1933? Nach und nach schien der Zug aus Richtung „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ des Code Napoleon in Richtung „Bauernherrentum“ einer Erbhof-Regelung ins Rollen zu kommen.

Jean Dupong war ein Verwandter von Mathias Berns, dem mächtigen Generalsekretär der Bauernzentrale. Der Umstand sollte später noch eine wichtige Rolle spielen, da dadurch eine direkte Weitergabe der Forderungen der Bauernzentrale an die Regierung erleichtert wurde.

Über mehrere Jahre arbeitete die Bauernzentrale an einem Gesetzesvorschlag zum Bauernerbrecht, den sie 1965 der Regierung zukommen ließ. Hierbei beriet sie Robert J.F. Randier, ein französischer Fachanwalt für Agrarrecht und Professor am Institut des Hautes Études de Droit rural et d’Économie agricole. Der Text, für den man sich teils auf die französische, teils auf die schweizerische Gesetzgebung bezogen hatte, sah fünf grundsätzliche Umänderungen vor:

– Der Fortbestand des ungeteilten Bauernbetriebes: Die Fortdauer der landwirtschaftlichen Betriebseinheit sollte im Todes- oder Trennungsfall absichert werden.
– Die erzwungene Abgabe des persönlichen Erb­anteils (auch begünstigte Zuteilung genannt): Dadurch sollte der Hof als wirtschaftliche Einheit erhalten und die Erbfolge im Interesse des Neubauern geregelt werden.
– Die Taxierung des Betriebs aufgrund des Ertragswertes: Die Ermittlung des Hofwertes (Haus, sonstige Gebäude, Ländereien, Vieh, Maschinen, sonstiges Material und so weiter) sollte über den landwirtschaftlichen Ertragswert bestimmt werden und nicht wie bis nun über den Realwert.
– Der zusätzliche obligatorische Ausgleich unter allen Miterben nach dem gewinnbringenden Verkauf einer Betriebsimmobilie: Um den Spekulationsabsichten des Jungbauern entgegenzuwirken, sollte binnen zehn Jahren der lukrative Verkauf einer Betriebsimmobilie zu einer Entschädigung der Miterben führen.

Die „Bauerngerichte“: Zur rechten Lösung der befürchteten Rechtsfragen betreffend die neue Gesetzgebung sollten Gerichte geschaffen werden. Drei Richter sollten von zwei Bauern assistiert werden.

Institutionelle Spannungen

Die Regierung übernahm den Gesetzesvorschlag der Bauernzentrale nahezu komplett, bis auf den Punkt, der die obligatorische Ausgleichszahlung an die Miterben bei gewinnbringendem Verkauf von Betriebsimmobilien betraf: Dort schlug die Regierung eine Verkaufsfrist von zwanzig statt zehn Jahren vor. Die von ihr geänderte Fassung reichte die Regierung weiter zur Begutachtung an den Staatsrat.

Wenn auch der Staatsrat sich in seinem Gutachten vom 5. April 1968 mit den Prinzipien der Einheit und der Kontinuität des ungeteilten Bauernbetriebes sowie der erzwungenen Übergabe des Erbanteils des elterlichen Hofes an den Jungbauern einverstanden erklärte, war dies bei der Taxierung des Hofes aufgrund des Ertragswertes und bei den sogenannten Bauerngerichten nicht der Fall. Die Wertermittlung auf Basis des Ertrages gefiel dem Staatsrat nicht: „En l’occurrence il est proposé non seulement de ne plus laisser aux copartageants leur part en nature, mais encore de leur refuser l’équivalent de leur part héréditaire.“ Er schlug vor, sich am Gutachten der Notariatskammer zu orientieren, welches festhielt, dass bei gütiger Einigung im Erbfall der eingetragene Wert des Bauernhofs bei rund drei Viertel des Realpreises läge.

Allein die Schweiz bestimmte damals die Taxierung des Bauernhofes über den Ertragswert. Konnte dabei der Ertragswert nicht ermittelt werden, zählten automatisch drei Viertel des Realpreises.

In Rechtsangelegenheiten forderte die Bauernzentrale in ihrem Gesetzesvorschlag zwei Bauernbeisitzende am Gericht. Sie begründete ihre Forderung damit, dass Bauernfragen zu kompliziert und zu technisch seien und es hierzu Agrarfachleute bedürfe. Der Staatsrat war strikt gegen die Bauerngerichte, da dies eine unannehmbar starke Einschränkung der richterlichen Eigenständigkeit sei. Irgendwie geriet das Gutachten des Staatsrates in die Hände der Bauernzentrale; keiner weiß, wie.

In einem Zusatzgutachten vom 2. Mai 1968 stemmte die Bauernzentrale sich heftig gegen das Gutachten des Staatsrates. Mit dem Argument, dem Interesse der Landwirtschaft müsse Rechnung getragen werden, verlangte sie weiterhin die „Bauerngerichte“. Ebenso stellte sie sich kategorisch gegen die obligatorischen Ausgleichszahlungen an die Miterben nach dem gewinnbringenden Verkauf einer Betriebs­immobilie innerhalb von 20 Jahren, wie die Regierung und der Staatsrat es vorschlugen. Sie beharrte auf ihrem Vorschlag von maximal zehn Jahren.

Den Standpunkt des Staatsrates zur Ermittlung des Betriebswertes wies sie rigoros zurück. Die Taxierung über den landwirtschaftlichen Ertragswert müsse zurückbehalten werden, da sonst ein Sondergesetz des bäuerlichen Erbrechts keinen Sinn mache.

Nach starkem gesellschaftlichem Gegenwind musste die Bauernzentrale auf die „Bauerngerichte“ verzichten. Stattdessen forderte sie nun drei obligatorische Experten bei Gericht, wobei einer von der Bauernzentrale zu bestimmen sei. Am 11. Juli 1968 verabschiedete die Abgeordnetenkammer in erster Lesung das landwirtschaftliche Erbrecht so wie von der Bauernzentrale vorgeschlagen – bis auf den strittigen Punkt der „Bauerngerichte“. Aufgrund des negativen Gutachtens des Staatsrates musste das Erbgesetz zur zweiten Lesung in die Abgeordnetenkammer.

In dem Gutachten hierzu vom 22. Oktober 1968 zeigte sich der Staatsrat zutiefst erbost darüber, dass ihm vor dem ersten Votum der Abgeordneten das Hauptgutachten der Bauernzentrale vorenthalten wurde, während das Gutachten des Staatsrats der Bauernzentrale zwecks Prüfung zugestellt worden war: „De toute façon, le Conseil ne saurait admettre que les chambres professionnelles refusent de se prononcer jusqu’au moment où le Conseil d’État, las d’attendre et cédant aux instances du Gouvernement, formule son avis et que, dans la suite, cet avis soit transmis pour observations aux chambres professionnelles récalcitrantes.“

So blieb der Staatsrat trotz enormen öffentlichen Drucks der Bauernzentrale weiterhin der Ansicht, den Wert des Bauernbetriebs im Erbfalle auf drei Viertel des Normalwertes zu taxieren, da in keinem Land des gemeinsamen europäischen Marktes nach dem Ertragswert des Hofes geschätzt würde. Auch bei der Ausgleichszahlung an die Miterben im Falle des vorzeitigen gewinnbringenden Verkaufs der Betriebsimmobilien sah sich der Staatsrat einer groben Nötigung durch die Bauernzentrale ausgesetzt, erklärte sich aber einverstanden mit der vorliegenden Empfehlung der Regierung, die Frist auf zehn Jahre innerhalb und auf zwanzig Jahre außerhalb des Perimeters festzulegen. Bei den Streitprozeduren, den „Bauerngerichten“, blieb der Staatsrat unnachgiebig und gab erneut ein negatives Gutachten.

Daraufhin setzte die Abgeordnetenkammer eine Spezialkommission ein, bestehend aus Adrien van Kauvenbergh, Präsident, sowie den Mitgliedern Albert Berchem, Frankie Hansen, Joseph Herr, Robert Krieps, Marcel Schlechter, Arthur Useldinger, Jean Winkin und Charles Wirtgen. Tony Biever war ihr Berichterstatter. Für sie alle standen vorwiegend die Rationalisierung und die Produktivität der Bauernbetriebe hinsichtlich der Anforderungen des gemeinsamen europäischen Marktes im Mittelpunkt. Zu den umstrittenen Punkten schlug die Spezialkommission vor, in Gerichtsprozessen Experten von einer Liste des Ackerbauministeriums, die von der Bauernzentrale vorgeschlagen wurden, zuzulassen. Die Ausgleichszahlung an die Miterben nach dem gewinnbringenden Verkauf einer Betriebsimmobilie sollte, wie von der Regierung gewünscht, zehn Jahre innerhalb und bis zu 20 Jahre außerhalb des Perimeters erfolgen.

Der Ertragswert des Betriebs sollte der Ermittlung des Gesamtwertes des Anwesens bei der Erbschaft dienen und liege laut ihren Unterlagen zwischen 1 365 und 1 660 Euro pro Hektar, was damals ungefähr 60 Prozent des Realpreises entsprach. Folgender Auszug aus dem Protokoll dokumentiert die Denkweise der Sonderkommission: „Cette finalité qui conduit à attribuer à la propriété rurale une fonction sociale ne va pas sans le sacrifice d’idées traditionnelles en droit successoral et ne peut être réalisée que par l’abandon partiel de la stricte égalité entre copartageants, considérée jusqu’ici comme l’âme des partages.“

Damit bezog die Spezialkommission deutlich Stellung für ein Sonderrecht des Neubesitzers. Auch befürwortete sie, dass seine Mitgeschwister schlechter gestellt wurden und dass der demokratische Staat grundsätzlich auf seinen Anspruch der Gleichstellung seiner Mitbürger verzichtete.

Nachwehen der Gesetzgebung

Schließlich wurde das landwirtschaftliche Erbrecht am 9. Juli 1969 einstimmig von der Abgeordnetenkammer verabschiedet, exakt so, wie von der Spezialkommission festgehalten. In den folgenden Jahrzehnten sollte es zu zahlreichen Rechtsstreiten zwischen den Miterben eines Bauernhofes führen. Die Gesetzgebung musste des Öfteren nachgebessert werden, wenn auch nur geringfügig. Die bedeutendste Änderung erfolgte im Jahre 2009, nachdem 2007 der Passus mit der obligatorischen Ausgleichszahlung an die Miterben bis zehn Jahre innerhalb des Bauperimeters, beziehungsweise bis 20 Jahre außerhalb des Bauperimeters bei gewinnbringendem Immobilienverkauf vom Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurde. Die Verkaufsfrist der Betriebsimmobilien wurde daraufhin generell auf 25 Jahre angehoben.

Erst 2014 unter der DP-LSAP-Grüne-Regierung wurde das entwürdigende, aus finsterer Zeit stammende Gesetz von Jean Dupong revidiert, wodurch die Erziehungsausgaben, die Bildungskosten und der „Trousseau“ der Bauernkinder dem Erbe angerechnet wurden. Wie schon erwähnt, stellte die Spezialkommission von 1968 bei einem ausgewiesenen Realwert von rund 2 480 Euro pro Hektar Land einen Ertragswert von 1 360 bis 1 660 Euro pro Hektar fest – und das samt Haus, Ställen, Scheunen und anderer Gebäude, Material, Maschinen, Vieh und so weiter. Die Sonderkommission stützte sich dabei auf das Beispiel eines Hofs mit 20 Hektar Land bei normalem materiellem Verschleiß, der somit einen Gesamtertragswert zwischen 27 270 und 33 220 Euro erzielte. Hat der Bauer vier Kinder, bekäme der Jungbauer den gesamten Bauernbetrieb und die anderen drei Geschwister zwischen 6 817 und 8 305 Euro pro Person als Erbteil. Das galt im Jahre 1969.

Wie sieht die Realität 2019 aus?

Der jetzige landwirtschaftliche Ertragswert liegt zwischen 3 873 und 5 490 Euro pro Hektar. Dem landwirtschaftlichen Erbrecht nach erzielt unser Beispielhof einen Ertragswert von 77 460 bis 109 800 Euro. Somit erhalten die drei Geschwister des Jungbauern zwischen 19 365 und 27 450 Euro pro Person. Das würde reichen, um bei heutigen Grundstückspreisen ein Drittel Ar Bauland zu kaufen. Dagegen kann der Hoferbe sich, wenn er aus welchen Gründen auch immer nach 25 Jahren mit der Landwirtschaft aufhört, eines beachtenswerten, millionenschweren Immobilienbesitzes erfreuen, den der Rechtsstaat ihm einfach nur so verschafft hat. In der Praxis kann das zu ziemlich skurrilen Situa­tionen führen. Hier ein konkretes Erbschaftsbeispiel, das aus Diskretionsgründen leicht abgeändert wurde:

Es war im Jahre 1989, als ein junger Bauer den Familienhof von seinen Eltern übernahm. Aufgrund der Berechnungen nach den legalen Vorgaben wurde der Ertragswert des Betriebes auf 18 600 Euro festgelegt. Somit erhielt jeder der zwei Brüder des Jungbauern 6 200 Euro als Erbteil für den Hof. Vor vier Jahren nun musste der Hoferbe gesundheitsbedingt beruflich kürzertreten. Da der Bauernbetrieb nicht erträglich genug war, der Hof jedoch über genügend Bauland in guter Lage verfügte, verkaufte der Hoferbe drei Bauplätze an ein Immobilienunternehmen. Sein Bruder indes lebte bis dahin recht angenehm mit seiner kleinen Familie in einem liebevoll restaurierten Bauernhaus. Jedoch verließ ihn jetzt das gewohnte Glück und damit auch seine Frau. Für das gemeinsame Haus musste seine Frau ausbezahlt werden. Schnell sollte sich jedoch herausstellen, dass das Gesparte nicht reichen würde, und so musste er mit 50 einen saftigen Kredit für die Abfindungssumme aufnehmen.

Sein Bruder, der Hoferbe, hatte auch nicht das richtige Glück. Er hatte nämlich vergessen, in seine Berechnungen die steuerliche Mehrwertabgabe einzubeziehen, und die Steuerbehörden fingen an so richtig zu drängeln. Obwohl der Landwirt nun nicht mehr über ausreichende Rücklagen für die Steuerfinanzierung verfügte, war für ihn das Problem schnell gelöst. Er verkaufte ganz einfach einen weiteren Bauplatz, und schon war er wieder flüssig. Sein Bruder, der im Jahr 1989 genau 6 200 Euro als Hoferbteil erhielt, muss sich nun 30 Jahre später mit 50 noch einmal stark verschulden, und das nur, weil der Luxemburger Staat ihn 1989 verpflichtet hatte, seinen Erbteil gehörig unter Wert seinem Bruder zu überlassen.

Dass die Bauernhöfe, die warum auch immer aufgegeben werden, keine Seltenheit sind, zeigt die Zahl derer, die seit der Einführung des Bauernerbrechts aufhörten. Gab es 1969 noch rund 8 000 Höfe, war diese Zahl bis zum Jahr 2018 auf 1 300 zurückgegangen. Demnach verschwanden in diesem Zeitraum rund 6 700 Bauernhöfe. Sicherlich wurden nicht alle Höfe nach dem geltenden Bauernerbrecht aufgelöst. Doch wo dies der Fall war, entstanden familiäre Spannungen, heftiger Streit und oft belastende Gerichtsprozesse. Das neue Bauernerbrecht von 1969 sollte sich als Quelle zahlreicher Familienstreitigkeiten herausstellen. Seitdem herrschte Unfrieden über die Erbteilungen der Bauern. Nicht oft kam es in Luxemburg zu einer gesetzlichen Regelung im Zivilrecht, die derart entzweite. Nie wurden die Mitbesitzer eines Anwesens dermaßen ihres Rechtes beraubt und legal genötigt, einem Mitgeschwister ihr Erbteil zu überlassen, ohne dass jenes die Verpflichtung hätte, gleichwertig auszugleichen.

Als Fazit bleibt kein Zweifel: Bei der landwirtschaftlichen Erbteilung muss der Realwert sämtlicher Immobilien wieder gelten. Luxemburg steht nämlich mit dem Ertragswert bei der landwirtschaftlichen Erbteilung sehr allein auf sehr weiter internationaler Flur, wenngleich nicht ganz. Wie schon erwähnt, gilt auch in der Schweiz die Bewertung des Hofes nach dem Ertrag, jedoch sind die Berechnungen verschieden und die Schweiz verfügt über eine Art Minimalwert bei der Nicht-Ermittlung des Ertrags, der drei Viertel des Realwertes beträgt. Allgemein bevorteilt das Luxemburger Bauernerbrecht die luxemburgische Landwirtschaft merklich gegenüber ihren Konkurrenten in der EU und auf dem Weltmarkt. Diese können ihre Geschwister nicht zu Ertragswerten ablegen. Wohl gibt es auch da Bevorteilungen. Dennoch bleibt das Luxemburger Bauernerbrecht eine protektionistische, rein profitbegünstigende Maßnahme im Interesse der luxemburgischen Landwirtschaft.

Nur die Berücksichtigung des Marktwertes eines Bauernhofes kann gerechte Anteile aller Miterben am Vermögen ihrer Eltern garantieren. Der Ertragswert eines Betriebes hingegen ist ein künstlich generierter, rein mathematischer Buchwert, ein Buchhalterkonstrukt, das im gesamtwirtschaftlichen Agrarsektor keinen Nutzen hat.

Keine Proteste

Dass Ende der Sechzigerjahre Jahre das nationale Parlament die Entscheidung traf, die Vermögensanrechte der vorwiegend fügsamen Bauernkinder zu vergesellschaften und sie dem Jungbauern zuzuteilen, ohne dass es zu erheblichen Protesten kam, mag den heutigen Leser verwundern. Immerhin waren hiervon um die 23 500 Personen betroffen. Zu der Zeit jedoch bestand ein anderes gesellschaftliches Gefüge als heute, was vieles erklärt. In Bauernfamilien wurde meistens „unter sich“ geheiratet, und nicht selten blieb eine Tante oder ein Onkel am Hof oder sie gingen ins Kloster. Generell kam die neue Regelung vielen entgegen. Die übrigen Geschwister „machten Schulen“ und nicht selten Universitätsstudien, so dass die Schul- und Universitätskosten den Hofanteil ohnehin aufwogen.

Heute allerdings haben sich die Voraussetzungen grundlegend geändert. Bauern heiraten nicht nur unter ihresgleichen und gehen meist nicht weniger lang zur Schule als ihre Geschwister. Für diese ist, wie für jeden, Bauland teuer, so teuer wie noch nie, und das Kapital, das für den Start ins eigene Leben benötigt wird, beachtlich. Wenn auch die Erben eines Hofes 1969 die neue Erbregelung gelassen hinnahmen, sehen heute Bauernkinder nicht mehr ein, warum sie sich damit abfinden müssen, dass der Wert ihres Erbteils immer mehr heruntergerechnet wird und von den anvisierten drei Vierteln des Realwertes im Jahre 1969 nur noch knapp ein Zehntel im Jahre 2019 übrig ist.

Wann endlich nimmt die Politik sich dieser Problematik an und fasst das heiße Eisen „Bauernerbrecht“ beherzt an? Damit beendet werden kann, was ein renommierter Luxemburger Anwalt einst als „widerwärtigste und gröbste Ungerechtigkeit der luxemburgischen Zivilgesetzgebung“ bezeichnete.

 

Reaktion der Bauernzentrale, publiziert in d'Land vom 13.09.2019 auf Seite 13:

In d’Lëtzebuerger Land vom 16. August 2019 fühlt ein gewisser Jordi Pep, ein aus ländlichen Verhältnissen stammender Lehrer im Ruhestand, so die Angaben am Schluss des zweiseitigen Artikels, sich dazu berufen, über das im Rahmen des Gesetzes vom 9. Juli 1969 eingeführte landwirtschaftliche Erbrecht ausgiebig zu fabulieren und herzufallen.

Der Titel des Artikels („Einfach so Besitz vom Staat“) ist wohl moderner Werbung in schlechtem Deutsch nachempfunden und soll suggerieren, der Staat würde den Bauern zu unrechtmäßigem Besitz verhelfen.

Der Autor schildert den recht langen und hürdenreichen Entstehungsprozess dieses Gesetzes, das auf Initiative und Druck der Bauernzentrale zustande kam. Dabei insinuiert er gelegentlich eine eventuelle Inspiration beim Nazi-Reichserbhofgesetz von 1933, um, im Widerspruch dazu, aber dann zu präzisieren, dass die Bauernzentrale sich bei dem Gesetzesvorschlag teils auf die französische, teils auf die schweizerische Gesetzgebung basiert hat.

Vor der vor 50 Jahren eingeführten Neuregelung galten die gemeinrechtlichen Bestimmungen des Zivilgesetzbuches (ursprünglich Code Napoléon genannt), nach denen, mangels gegenteiliger Einigung, jeder Erbe seinen Anspruch am Betriebseigentum in natura geltend machen konnte, was unweigerlich zur Zerstückelung der Betriebe führte. Dass unter diesen Umständen eine Bauerngewerkschaft mit Nachdruck eine Gesetzesänderung forderte, um diese Zerstückelung zu vermeiden, musste doch wohl ihr oberstes Anliegen sein, und allein die Tatsache, dass die fundamentale Neuregelung einstimmig von der Abgeordnetenkammer verabschiedet wurde, beweist den Sachverstand und die Weitsicht der damaligen legislativen Vertreter.

Das Gesetz vom 9. Juli 1969, durch das verschiedene Artikel unseres Zivilgesetzbuches grundsätzlich abgeändert wurden, ist und bleibt von großer Wichtigkeit, um die Übereignung der landwirtschaftlichen Betriebe unter finanziell tragbaren Bedingungen zu ermöglichen und so deren Fortbestand zu gewährleisten. Ohne auf alle Einzelheiten einzugehen, seien drei Eckpfeiler dieser spezifischen Gesetzgebung erwähnt:
–    die bevorzugte oder vorrangige Zuteilung des Betriebs (attribution préférentielle);
–    der landwirtschaftliche Ertragswert (valeur de rendement) als Basis für die Bewertung der zugeteilten Immobiliargüter – und nicht auch für Maschinen und Vieh, wie der Land-Artikelautor irrtümlich behauptet;
–    die zusätzliche Teilung (partage supplémentaire) im Falle von Mehrerlös beim Verkauf zugeteilter Immobilien innerhalb von zehn beziehungsweise 20 Jahren, sofern diese Güter innerhalb oder außerhalb des Bauperimeters liegen.

Der Lehrer i.R. behauptet, diese Gesetzgebung habe „des Öfteren nachgebessert“ werden müssen, „wenn auch nur geringfügig“. Im Gegensatz zu manch anderen Gesetzen, die am laufenden Band abgeändert werden müssen (siehe zum Beispiel die kommunale Bauplanung), ist das hier diskutierte Regelwerk in 50 Jahren nur zweimal und nicht unwesentlich geändert worden:
1)    Durch das Gesetz vom 5. April 1989 wurde festgeschrieben, dass auch Pachtland in Betracht gezogen werden kann, um die lebensfähige, wirtschaftliche Einheit eines landwirtschaftlichen Betriebes zu ermessen.
2)    Die zweite wichtige Änderung fand ihren Niederschlag im Gesetz vom 26. Mai 2009.

Auslöser Letzterer war eine Erbteilungsangelegenheit, im Rahmen derer das Verfassungsgericht seitens des Bezirksgerichtes Luxemburg mit der Frage befasst worden war, ob die Bewertung der zugeteilten Güter mittels Ertragswert, verbunden mit der gesetzlich vorgesehenen zusätzlichen Teilung, verfassungskonform sei im Hinblick auf Artikel 10bis (1) unserer Verfassung, der die Gleichheit der Luxemburger vor dem Gesetz vorschreibt.

Gemäß seiner Rechtsprechung in anderen Angelegenheiten bestätigte das Verfassungsgericht in seinem am 25. Mai 2007 gefällten Urteil zunächst, dass es dem Gesetzgeber erlaubt sei, einzelne Personenkategorien abweichenden Rechtsverhältnissen zu unterwerfen, unter der Bedingung allerdings, dass die sich daraus ergebende Ungleichheit objektiv, rational gerechtfertigt und angemessen ist und im richtigen Verhältnis zu ihrem Ziels steht.

Nach eingehender Analyse kam das Verfassungsgericht dann zu der Schlussfolgerung, dass die bevorzugte Zuteilung und die Bewertung der so zugeteilten Güter zu einem niedrigeren Preis als ihrem Marktwert, verbunden mit der Möglichkeit einer zusätzlichen Teilung, rechtens sind.

Das Verfassungsgericht erachtete es allerdings als Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip der Bürger vor dem Gesetz und demnach gegen die Verfassung, dass die zusätzliche Teilung binnen verschiedener Fristen nur beim Verkauf der zum Ertragswert übernommenen Güter in Frage kommt, ohne andere Veräußerungs-, sprich Übertragungs- oder gar Zweckentfremdungsmöglichkeiten des Eigentums in Betracht zu ziehen.

Von der Zielsetzung des landwirtschaftlichen Erbrechtes her kann man dieser Auffassung nur zustimmen, da die Bewertung auf Basis des Ertragswertes ja einzig und allein zum Ziel hat, eine Betriebübernahme überhaupt finanziell möglich zu machen. Demnach soll diese Bewertungsbasis auch nur so lange gelten, wie die auf dieser Basis übernommenen Güter zum Betrieb gehören und zu dem vorgegebenen Zweck genutzt werden. Auch soll die zusätzliche Teilung, die seinerzeit auf Vorschlag der Bauernzentrale im Gesetz festgehalten wurde, Spekulationszwecken einen Riegel vorschieben. Dass diese vor 50 Jahren eingeführte Gesetzesmaßnahme nur im Falle von Verkauf vorgesehen worden war, lag wohl daran, dass angesichts der Tragweite des mit der Einführung dieses Gesetzes überhaupt schon Erreichten kaum jemand andere Veräußerungsmöglichkeiten in Erwägung gezogen hatte.

Infolge des oben erwähnten Urteils des Verfassungsgerichtes hat das Gesetz vom 26. Mai 2009 nachstehende zwei wesentliche Neuerungen gebracht, von denen der Land-Artikelautor wohlweislich nur die erste erwähnt:
–    Die ursprüngliche zweiteilige Frist von zehn und 20 Jahren für die zusätzliche Teilung ist durch eine einheitliche Zeitdauer von 25 Jahren ersetzt worden.
–    Die zusätzliche Teilung gilt in Zukunft in allen Fällen, wo die übernommenen Immobiliargüter in egal welcher Form (in Eigentum oder sogar in Pacht) übertragen, beziehungsweise nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden.

Ausgenommen von dieser Regel sind Aszendententeilungen, Schenkungen in direkter Linie, Felderzusammenlegung und Tausch, sofern die betreffenden Güter landwirtschaftlich genutzt bleiben. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass unser Berufungsgericht inzwischen – entgegen einem erstinstanzlichen Urteil – formell bestätigt hat, dass das vorgenannte Urteil des Verfassungsgerichtes weder die bevorzugte Zuteilung des Betriebes, noch den Ertragswert als solchen für verfassungswidrig erklärt hat!

Noch eins zum Ertragswert: Der Land-Artikelautor stellt fest: „Luxemburg steht mit dem Ertragswert bei der landwirtschaftlichen Erbteilung sehr allein auf sehr weiter internationaler Flur, wenngleich nicht ganz.“ (Für einen solchen Satz hätte er seinen Schülern in seinem früheren Berufsleben sicher die Note Ungenügend gegeben …)

Dass es den Ertragswert außer in Luxemburg nur noch in der Schweiz gibt, hängt sicher mit der Boden- beziehungsweise Flächenstruktur zusammen. In vielen anderen europäischen Ländern gibt es weite, große, fernab vom Bauperimeter gelegene Flächen, deren realer Wert in keinem Verhältnis zu dem hiesigen steht. In unserem kleinen Land, in dem durch verschiedene Faktoren (Wirtschaftswachstum, Wohnungsknappheit, Ökopunktesystem und so weiter) bald jeder abgelegene Winkel zum Spekulationsobjekt wird, besteht das Risiko, dass den aktiven Bauern die nötige Bewirtschaftungsfläche verloren geht, beziehungsweise ihre Anschaffung unerschwinglich wird.

Was nützte unter diesen Umständen die bevorzugte Zuteilung des Betriebes, wenn nicht der Ertragswert, sondern der Verkaufswert als Berechnungsbasis herangezogen werden müsste? An eine Betriebsübernahme wäre hierzulande nicht mehr zu denken!

Das laut J. Pep „entwürdigende und aus finsterer Zeit stammende Gesetz“ (sic!) von 1969 hat also nach wie vor seine absolute Daseinsberechtigung und seine Rechtmäßigkeit wurde von unserem Verfassungsgericht bestätigt.

Zu guter Letzt noch dies: Jedes Gesetz kann zu Missbrauch führen. In den meisten Fällen und in den meisten Bauernfamilien herrscht bei der Teilung die Vernunft vor; die Eltern handeln verantwortlich und sorgen für einen korrekten Ausgleich zwischen ihren Kindern.

Ausnahmen gibt es sicherlich auch, was aber kein Grund ist, zu pauschalisieren, wie der Land-Artikelautor das tut, und ein eminent wichtiges Gesetz in Grund und Boden zu zerreden. Centrale Paysanne Luxembourgeoise

Der aus der ländlichen Verhältnissen stammende Autor ist Lehrer im Ruhestand.

Jordi Pep
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