Anders als ihre schwarz-rote Vorgängerin will die Regierung mehr für den Schutz des Wassers tun als über den Wasserpreis zu diskutieren. Aber das könnte sich nächstes Jahr ändern

Wer bezahlt die Kläranlagen?

d'Lëtzebuerger Land du 28.11.2014

Diese Woche war es mal wieder soweit: Das Umweltministerium musste der EU-Kommission Bericht über die Kläranlagen erstatten. Am 28. November vergangenen Jahres hatte der Europäische Gerichtshof Luxemburg zu einer Strafzahlung verurteilt, weil zwei der elf großen Anlagen im Lande die Vorgaben der EU-Siedlungswasserrichtlinie noch nicht erfüllen. Zwei Millionen Euro aus der Staatskasse wurden nach dem Urteilsspruch sofort fällig. Weitere 2 800 Euro werden es jeden Tag, der bis zur „Konformität“ vergeht.

Wann die erreicht sein wird, lässt sich nicht genau vorhersagen. Das eine beanstandete Klärwerk, das in Luxemburg-Stadt, soll Mitte 2016 vollendet sein. Dann soll auch ein großer Sammelbehälter zur Verfügung stehen, der Abwasser aus Bonneweg aufnimmt, ehe es zur Kläranlage Beggen weitertransportiert wird. An der zweiten noch nicht konformen Anlage in Bleesbrück begannen Ausbau und Modernisierung dagegen erst Mitte dieses Jahres. 2019 sollen sie abgeschlossen sein, aber die erste Ausbaustufe wird voraussichtlich schon 2016 fertig. Das könnte reichen, um die „Ablaufwerte“ der Anlage schon so nah an die Norm zu bringen, dass Luxemburg bei landesweiter Gesamtbetrachtung seiner Klärleistung gut genug da steht und die EU-Kommission das Tagesstrafgeld vielleicht nicht aufhebt, aber zumindest senkt. Bis dahin wird alle sechs Monate abgerechnet, jeweils am 28. Mai und am 28. November. Und so lange überweist Luxemburg halbjährlich 511 000 Euro an die EU.

Doch leider werden auch wenn das Klärwerk Bleesbrück vollendet ist, noch längst nicht alle Abwasser-Sorgen aus der Welt sein. Die nächste Großbaustelle kündigt sich schon an: Die Petinger Kläranlage muss erweitert werden, damit sie das Abwasser aus Differdingen aufnehmen kann. Denn die drittgrößte Stadt des Landes hat keine eigene Kläranlage, ihr Abwasser wird derzeit noch in einen Arbed-Weiher geleitet. Was ziemlich gut illustriert, wie viel noch zu tun bleibt und wie lange an der Kläranlageninfrastruktur zu wenig unternommen wurde. Eine Liste des Wasserwirtschaftsamts im Umweltministerium zählt über 30 Kläranlagenvorhaben auf. Zwar sind bei weitem nicht alle so umfangreich wie das 81 Millionen Euro teure in Bleesbrück oder das in der Hauptstadt. Oder wie das in Mersch, das nächstes Jahr fertig sein soll und wo dank einem ausgeklügelten phasenweisen Ausbau die Wasser-Ablaufwerte schon im vergangenen Jahr den Normen gerecht wurden – sonst müsste der Staat womöglich noch mehr Strafe zahlen. Ihren Kostenpunkt aber haben auch kleinere Projekte. Und so schätzt man beim Wasserwirtschaftsamt, dass die noch offenen Vorhaben den staatlichen Wasserfonds an die 337 Millionen Euro an Subventionen kosten werden.

Bei so einem Nachholbedarf stellt sich die Frage, ob es der Sache dient, wenn, wie im Zukunftspak der Regierung steht, der Zuschuss aus dem Wasserfonds für Kläranlagenprojekte auf 65 Prozent gesenkt werden soll. Es wäre die zweite Kürzung seit 2010, als die damalige CSV-LSAP-Regierung ihren ersten Spuerpak schnürte. Damals wurde die Beihilfe von 90 Prozent auf die aktuell noch geltenden 75 Prozent gekürzt.

Der Gemeindeverband Syvicol hat gegen die erneute Kürzung schon aufbegehrt. Denn die Abwasserbehandlung fällt wie die Trinkwasserversorgung in den Hoheitsbereich der Gemeinden, und was der Wasserfonds nicht subventioniert, müssen die kommunalen Haushalte tragen. „Il faut craindre, le cas échéant, que certains projets ne seront plus réalisés, les communes n’étant tout simplement plus en mesure de supporter les charges financières découlant de ce type d’investissement“, warnte der Syvicol kurz nachdem der Zukunftspak öffentlich geworden war. In welchem Ausmaß das Problem sich stellen könnte, weiß er nicht zu sagen. Doch da das Zukunftspaket sowie die mehrjährige Haushaltsplanung des Staates die Gemeinden auch an anderen Stellen am Sparen beteiligen wollen, sind die zwölf Millionen Euro, um die die Staatskasse bis 2018 bei der Bezuschussung der Kläranlagen entlastet werden soll, eine weitere Belastung, die auf die Gemeinden zukommt.

„Selbstverständlich wird der Kläranlagenbau dadurch erschwert“, meinte am Montag der CSV-Abgeordnete Michel Wolter, in dessen Amtszeit als Innenminister nach der Jahrtausendwende der Investitionsbedarf in Kläranlagen auf 900 Millionen Euro veranschlagt worden war. Die CSV-Fraktion rechnete am Montag vor, dass den Gemeinden durch den Zukunftspak allein im kommenden Jahr 139 Millionen Euro weniger an finanziellen Mitteln zur Verfügung stehen würden. Die kommunale Investitionskapazität nehme dadurch innerhalb nur eines Jahres um 31 Prozent ab. Wer Investitio-nen, die man sich nicht mehr leisten kann, dann nicht zurückstellt, dem bleibe als Alternative nur, sich „massiv zu verschulden“, zürnten Wolter und CSV-Generalsekretär Laurent Zeimet. Allerdings besteht diese Alternative nicht wirklich. So, wie der Mehrjahreshaushalt aufgestellt ist, um den Vorgaben der EU-Kommission zu genügen und bis 2018 einen Überschuss in den öffentlichen Finanzen von 1,5 BIP-Prozent zu erreichen, erlaubt er dem kommunalen Sektor insgesamt ein jährliches Defizit von höchstens 0,1 BIP-Prozent. Eine Verlagerung von Staatsschuld auf kommunale Schulden soll es ja nicht geben. Eine Darlehensaufnahme nach der anderen genehmigen könnte Innenminister Dan Kersch (LSAP) den Gemeinden schon deshalb nicht. Auch nicht, wenn es um Kläranlagen geht.

Spart die Regierung hier also an einer ganz falschen Stelle? Könnte sie Ausbau und Renovierung von Kläranlagen vielleicht sogar so stark bremsen, dass Luxemburg eines Tages wieder EU-Normen verletzt und erneut zu Strafzahlungen verurteilt werden könnte?

Nicht unbedingt. Seit Amtsantritt von Blau-Rot-Grün fließt aus der Staatskasse mehr Geld in den Wasserfonds, der Projekte subventioniert. 2013, im letzten Amtsjahr der CSV/LSAP-Regierung, wurde er noch mit 50 Millionen Euro dotiert. Die neue Regierung steckt dieses Jahr 70 Millionen in den Fonds und 2015 sollen es 80 Millionen Euro sein. Weitere 2,5 Millionen Euro soll der Wasserfonds ab 2016 erhalten, wenn die beiden kleinen Taxen auf den Trinkwasserverbrauch und das Abwasseraufkommen um 25 Prozent angehoben werden. Für den Durchschnitts-Wasserverbraucher verteuert die Wasserrechnung dadurch um rund 2,50 Euro im Jahr. „Wir schaffen dadurch die Voraussetzungen, um mehr machen zu können. Jedenfalls sehen wir das so“, sagt Umweltministerin Carole Dieschbourg (Grüne). Der neue Subventionssatz von 65 Prozent für Kläranlagen, fügt sie hinzu, sei „nach wie vor Spitze in der EU“.

Doch wenn der Wasserfonds besser dotiert ist und mehr Projekte kofinanzieren kann, bleibt die Frage, ob die Gemeinden imstande sein werden, den Rest zu tragen. Kläranlagen sind nicht die einzigen ziemlich dringend nötigen Investitionen in die Abwasser-infrastruktur. Sammelbehälter und Regenwasserrückhaltebecken müssen vielerorts ebenfalls gebaut werden. Gar nicht zu reden davon, dass in manchen Gemeinden 50 Prozent der Abwasserkanäle marode sind. Dieschbourg beantwortet die Frage so: „Fast die Hälfte der Gemeinden hat noch keinen kostendeckenden Wasserpreis eingeführt oder berechnet den Preis falsch. Die Subventionssenkung ist auch eine pädagogische Maßnahme.“

Was zweifellos stimmt. Nimmt man die EU-Wasserrahmenrichtlinie wörtlich, dann müsste es gar keine Subventionen für Kläranlagen geben. Dann müssten alle Maßnahmen zur Abwasserbehandlung über den Wasserpreis finanziert werden. Weil das, wegen der Rückstände hierzulande, zu Tarifen führen würde, über deren Höhe öffentlich nicht einmal spekuliert wurde, wird der Finanzierungsaufwand über den Wasserfonds zum Teil auf die Allgemeinheit umgelegt. Immerhin aber nahm der kommunale Sektor dadurch, dass zumindest die eine Hälfte der Gemeinden so „kostendeckend“ verrechnet, wie ein Excel Sheet aus dem Wasserwirtschaftsamt es vorschlägt, im vergangenen Jahr 190 Millionen Euro aus der Wasserwirtschaft ein. 2008, als noch keine Gemeinde kostendeckend kalkulierte, waren es knapp 102 Millionen gewesen. „Wenn wir den Subventionssatz jetzt senken“, sagt die Umweltministerin, „verhindern wir auch, dass die Wasserverbraucher für die Infrastruktur doppelt zur Kasse gebeten werden: einmal als Wasserverbraucher und ein zweites Mal als Steuerzahler.“

In den interkommunalen Abwasserzweckverbänden, in denen mit Ausnahme der Hauptstadt und den drei Speckgürtel-Gemeinden Bartringen, Hesperingen und Strassen alle anderen Gemeinden regruppiert sind, kann man der Argumentation „Das Kostendeckungsprinzip führt zu mehr Einnahmen, also kann der Subventionssatz für Kläranlagen sinken“ nur bedingt folgen. „Sie ist richtig, wenn alle erforderlichen Kläranlagen gebaut sind und sie nur noch betrieben und instand gehalten werden müssen“, sagt Roland Schaack, Direktor des Zweckverbands Siden im Landesnorden. „Aber so weit sind wir noch nicht“. Die 36 Gemeinden im Siden, dem mitgliederstärksten Abwasserzweckverband im Lande, seien „ziemlich beunruhigt“ über die Subventionskürzung.

Weil die Regierung das weiß, soll die Drohung im Zukunftspak, wer keinen kostendeckenden Wasserpreis einführt, dem könne die Kläranlagenbeihilfe noch unter 65 Prozent gesenkt werden, vorerst auf dem Papier stehen bleiben. Das wurde dem Syvicol vor zwei Wochen versprochen. Unnötig Öl ins Feuer will man nicht gießen. Denn statt sich in Wasserpreisdiskussionen aufzureiben wie ihre Vorgängerin, will die blau-rot-grüne Koalition mehr für den Wasserschutz tun. Angesichts der mit Schadstoffen belasteten Trinkwasserquellen ist das bestimmt nötig.

Aber ob sich eine neue Tarifdebatte abwenden lässt, ist nicht so sicher. Denn abzusehen ist nicht nur, dass Gemeinden ohne kostendeckenden Wasserpreis dem pädagogischen Druck nachgeben und ihre Tarife schließlich doch anpassen. Denkbar ist ebenso, dass auch die eine oder andere Gemeinde, die schon kostendeckend kalkuliert, ihre Wasserpreise anheben könnte: Nimmt der Finanzierungsbedarf für Kläranlagen, Regenrückhaltebecken und Abwasserkanäle zu, wäre es nur logisch, ihn auf die Wasserverbraucher umzulegen. Umso mehr, da in den Gemeinden ja sowieso und noch an anderer Stelle gespart werden soll.

Da ist es nicht mal ganz auszuschließen, dass erneut ein „landesweiter Wasserpreisausgleich“ gefordert werden könnte, wie zu Zeiten der CSV/LSAP-Regierung. Die Auseinandersetzung spaltete damals einwohnerstarke Stadtgemeinden, die ihre Wasser-infrastrukturen aus den Einnahmen vieler Verbraucher finanzieren, und Landgemeinden, die mit relativ wenigen Verbrauchern mitunter sehr ausgedehnte Wasser- und Abwassernetze zu finanzieren haben und – und in denen die Rückstände gerade in der Abwasserinfrastruktur oft besonders groß sind. Bei allem pädagogischen Druck, der angebracht sein mag, solange nicht alle Gemeinden sich mit ihrer Preisgestaltung an das Wassergesetz halten: Die Senkung der Kläranlagensubvention könnte sich am Ende gegen die Regierung auswirken, die das Thema Wasserpreis eigentlich lieber klein halten und ihre politischen Handlungsspielräume für den Wasserschutz nutzen möchte.

Peter Feist
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