Ökumene fir de Choix

Götterkommune

d'Lëtzebuerger Land du 28.11.2014

Eigentlich eine schöne Idee, beinahe romantisch. Wirklich idealistisch. Dass sich unsere Götter – Göttinnen sind ja leider keine mit von der Partie – zusammentun und gemeinsam was tun. Und auch noch für die Kinder. Endlich mal! Eine positive Initiative.

Das war bisher leider Gottes nicht selbstverständlich. Meist konnte der eine Gott den anderen Gott nicht ausstehen. Der eine Gott hat den anderen Gott Götzen genannt oder mindestens als Blendwerk des Satans verunglimpft. Ein jüngerer Gott wird präpotent und entthront einen alten, der lange genug gut genug war.

Beinahe immer sind diese Götter sehr von sich überzeugt. Eine, die mit einem anderen Gott liebäugelt, ist eine Abtrünnige oder eine Ketzerin, wir wissen ja, was mit denen passiert, wir sehen es im Fernsehen, jeden Tag.

Jetzt haben sich aber die Götter, raffiniert wie sie sind, zusammengeschlossen und einen Pakt geschmiedet. Gegen den Teufel, der bietet Ethik an. Er nennt es trügerisch „Werte“. Zweifel, deswegen verzweifeln die Menschenkinder und bitten dann um Sterbehilfe. Dieser Akt ist ein Verzweiflungspakt der Götter, die bekanntlich schon seit geraumer Zeit unter Artenschutz stehen. Obschon es so viele von ihrer Sorte gibt, oder vielleicht deshalb. Im Supermarkt können wir uns einen passenden aussuchen, öfter mal einen neuen, einen neuen Alten.

Unsere hausbackenen One-Man-Show-Götter haben derart viel Konkurrenz, und jetzt auch noch diese Ethik. Jetzt müssen sie, wie demütigend ist das, auf Augenhöhe kommunizieren. Ab jetzt, wir sitzen im Morgenkreis, Lynnkimtim, lies uns bitte eine Sure vor, sind wir alle nett zueinander, niemand wird mehr zum Teufel geschickt, und wir sprengen auch niemanden in die Luft. Die Ungläubigen, merkt euch das, sind die anderen. Die aus der Ethik. Die Heidenkinder.

Aber, OMG, Herr_in Religionspädagog_in, in welchen Himmel kommen wir genau, jetzt? In den mit den Jungfrauen? Oder nur mit den Engeln? Und wer ist jetzt unser Ansprechpartner? Diese Götter ähneln einander ja, und dann wieder nicht. Es ist eben vertraut und ein bisschen verwirrend, wie in einer Großfamilie, liebe Kinder, die es ja leider nicht mehr gibt. In Großfamilien gab es zum Beispiel störrische, muffige Großonkel, die immer Recht hatten und einem alles verbieten wollten. Es gab auch lockere, die sich tolerant gaben und einen auf jung machten. Wie in einer Großfamilie ähneln sich die einzelnen, sie haben allerhand gemeinsam, dann wieder bekämpfen sie sich bis aufs Blut.

Wie in jeder zünftigen WG, um es ein bisschen cooler auszudrücken, liebe Kinder, wird es kompliziert werden. Aber wenn sich alle respektieren, wird es schon gehen. Irgendwie.

Darf die Muttergottes rein, Herr_in Religionspädagog_in? Darf Jesus überhaupt rein? Ja klar darf er rein, er ist ein wichtiger Prophet. Tragen wir eine Kippa, ein Kopftuch, ein Kreuz, alles zusammen, abwechselnd? Haben wir zu Mohammeds Himmelfahrt schulfrei? Und wenn jetzt Jesus auf die Welt kommt, mal wieder, freuen wir uns dann? Oder machen wir das Hexenkreuz? Und was machen wir, wenn die Familie streitet? Vielleicht dreht der Vater durch, Gottvater.

Wessen Vater?

Und warum nur diese monoton monotheistische Großfamilie? Die sich auch noch für etwas Besseres hält. Wer bestimmt eigentlich, wer da mitmachen darf, Herr_in Religionspädagog_in? Ist das das Abbild einer diversen, multispirituellen Gesellschaft, warum werden dann so viele ausgegrenzt, solche mit Hörnern und Rüsseln zum Beispiel? Warum dürfen wir keine Hühnerknochen opfern? Und warum machen die Azteken nicht mit, und die Kelten, und Frau Erdmutter und Herr Donnergott? Wenn wir schon in einer pluralistischen Gesellschaft leben ...?

Aber jetzt, ich suche nach einem versöhnlichen Schluss, nicht immer nur meckern, möchte ich doch darauf hinweisen, dass alles gar nicht so schlimm ist. Und dass wir gar keine gespaltene Gesellschaft von Kulturkämpfern sind. Wenn es hart auf hart kommt, haben wir einen Gott, alle miteinander: Unsern Schrottgott. Jedes Jahr pilgern wir zur Automesse. Und dann opfern wir Bäume.

Michèle Thoma
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