Mama Bumba

Was passiert, wenn man auf seinen Hintern hört?

d'Lëtzebuerger Land du 12.06.2008

Es gibt Theaterstücke, die sind, salopp gesagt, „für den Arsch“ und die sollte man sich auch ersparen. Fabienne Bievers Mama Bumba. Mein Hintern, der Tango und ich, das bis zum 21. Juni im Kasemattentheater zu sehen ist, handelt hingegen von einem Arsch, der es nicht länger ertragen kann, dass seine gestresste Trägerin ihre Hinterbacken ständig so fest zusammenkneift, dass das liebe Hinterteil buchstäblich keine Luft mehr bekommt. Dieser Arsch, Mama Bumba genannt, macht sich kurzerhand selbständig und offenbart seiner Trägerin, dass es noch mehr im Leben gibt als Kindererziehung, Einkaufen und Wäsche waschen. 

Die gestresste Hausfrau und Mutter, unterstützt von ihren „besten Teil“, verlässt in einem Tagtraum nun Haus und Herd (wobei die Zuschauer als Babysitter herhalten müssen) und träumt sich an einen Hafen, an Deck eines Dampfers, um dann schließlich in einer verrauchten Kellerbar in Buenos Aires dem personifizierten argentinischen Tango in der Gestalt des Tangoman zu begegnen. Doch wird dem Traum von der Liebe durch den Einbruch des Alltags Einhalt geboten; die Checkliste des Nachmittags fordert ihren Tribut: Einkaufen und Wäsche waschen stehen auf dem Programm. Als die gestresste Mutti dann trotzdem wieder den Weg in ihre Traumwelt findet, ist dort nur noch eine Wüste vorhanden, so endlos öde wie ihr auch das Leben erscheint. Nun tritt Mama Bumba als verkörperte Stimme der unausgesprochenen Wünsche wieder in Ak-tion, fordert Leidenschaft und die Abkehr vom ewig rationalen Denken, kurz, sie verlangt den Einlass des Tangos in das Leben der Protagonistin und beweist damit, wie sich im Laufe des Stücks herausstellt, dass es nicht unbedingt „in die Hose gehen muss“, wenn man auf seinen Bauch beziehungsweise Arsch hört.

Fabienne Bievers autobiografisch inspiriertes Theaterstück Mama Bumba. Mein Hintern, der Tango und ich schil­dert mit gekonnt angeordneten  Versatzstücken aus dem Alltagsleben einer Mutter und traumhaft-surrealen Momenten und Musikeinlagen nicht nur die Flucht einer gestressten Frau aus dem Alltag in eine Traumwelt hinein, sondern offenbart sich gleichsam auch als eine Reise in das Innenleben der Protagonistin. Dabei werden alle drei Hauptaspekte des Stücks – die pflichtbewusste, aber ausgelaugte Mutter, der Hintern als Ausdruck der Sehnsucht und der Tango als Inbegriff von Leidenschaft und Emotionalität – von den drei Schauspielern verkörpert. 

Fabienne Biever spielt die Hauptrolle mit einer wunderbaren Mischung aus Ernst und Ironie, die zwar einerseits die Verzweiflung der Figur spürbar macht, andererseits trotzdem suggeriert, dass man eben nur so gestresst ist, wie man sich auch stressen lässt. Luc Müller als Mama Bumba, als Arsch also, überzeugt nicht nur, weil er überragend in Frauenkleidern aussieht (viele Frauen würde sich solch einen Hintern im „kleinen Schwarzen“ wünschen), sondern auch weil er in seiner lakonisch-lässigen, frechen Art die teilweise spießige Denkweise seiner Trägerin entlarvt und auf die Probe stellt.

Der Hintern ist die treibende Kraft des Theaterstücks, er verkörpert die Kraft der Sehnsucht, welche die Hauptfigur dazu treibt, ihr Leben in Frage zu stellen und es auch ändern zu wollen. Dabei muss man es als Kunstgriff anerkennen, dass die Rolle der Mama Bumba von einem männlichen Darsteller gespielt wird, weil so zumindest ansatzweise thematisiert wird, dass jeder von uns, Männer und Frauen, sowohl eine weibliche, als auch eine männliche Seite besitzt. Und auch Piotre Tollik als Tangoman spielt seine Rolle mehr als angemessen; er erscheint distanziert und leidenschaftlich zugleich, wie es der Tango ebenfalls ist. Und so sind auch die sporadischen Musik- und Tanzeinlagen mehr als nur Exkurse ins Revueartige: dem Zuschauer wird bewusst, dass das Tanzen und die Musik etwas unmittelbar vermitteln kann, was sich durch Worte meist nur bedingt andeuten, nie aber in seiner Gänze entfalten lässt: Sehnsucht, Leidenschaft …

Auch erweist sich das auf eine riesige schwarze Kiste reduzierte Bühnenbild, durch die Möglichkeiten seiner Wandelbarkeit (lassen Sie sich überraschen) als ein fast unabdingbares Requisit, um mit relativ geringem Aufwand und mithilfe von Licht und Musik immer wieder neue Atmosphären zu schaffen.

Alles in allem ist Mama Bumba also ein wirklich gelungenes Theaterstück, er­frischend unkonventionell, frech und auch einmal politisch unkorrekt, mit unterhaltsamen Dialogen und viel Wortwitz, guten Schauspielern und einer Fabienne Biever, die hier nicht nur als Akteurin, sondern auch als Autorin überzeugen kann.

Mama Bumba, mein Hintern, der Tango und ich von Fabienne Biever; mit: Fabienne Biever, Luc Müller und Piotre Tollik; Regie: Eberhard Köhler; Choreografie: Luc Müller wird noch am 13., 14., 19., 20. und 21. Juni jeweils um 20.00 Uhr und am 15. Juni um 18.00 Uhr im Kasemattentheater, 14, rue du Puits in Luxemburg-Bonneweg gespielt. Kartenvorbestellung über Telefon 291 281 (Anrufbeantworter); Internet: www.kasemattentheater.lu

Sarah Lippert
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