Weshalb sollte man im Sprachentest prioritär eine rudimentäre Beherrschung der Nationalsprache überprüfen – statt den Nachweis des Erlernens einer der drei Landessprachen zu fordern?

Ein Sprachentest ersetzt keine Sprachenpolitik

d'Lëtzebuerger Land vom 15.01.2016

Liest man die Definition von proaktiv im Duden, weiß man, was der Luxemburger Politik fehlt: Dort heißt es, proaktiv sei „durch differenzierte Vorausplanung und zielgerichtetes Handeln die Entwicklung eines Geschehens selbst [zu] bestimmen und eine Situation herbei [zu] führen“.

Luxemburger Politik ist nicht proaktiv, Luxemburger Sprachenpolitik schon gar nicht. Von Sprache ist meist nur dann die Rede, wenn die nationale Identität angeblich bedroht ist. So wie derzeit, da der Sprachentest im Rahmen der Reform des Staatsbürgerschaftsrechtes von 2008 umgestaltet werden soll. Durch das Fokussieren auf symbolträchtige Kontroversen wie diese Reform oder die Festschreibung der Nationalsprache in der Verfassung leisten die Sprachschützer ihrem Anliegen einen Bärendienst. Sie bestätigen all jene, die im vermehrten Gebrauch oder gar der Förderung der Luxemburger Sprache einen repli identitaire oder gar einen ausländerfeindlichen Akt sehen. Bevor ich selbst einen die sprachlichen Gegebenheiten des Landes respektierenden Sprachentest vorschlagen will, möchte ich diesen durch die Beschreibung des sprachenpolitischen Kontextes nachvollziehbar machen.1

In Westeuropa hat sich im Laufe der neueren Geschichte ein inniges Verhältnis zwischen Nationalstaat und Nationalsprache herausgebildet, so dass in der jeweiligen Nationalgeschichte tief verankerte Einstellungen zur eigenen (National-)Sprache und zur Sprach(en)politik einen konstitutiven Bestandteil der jeweiligen nationalen Identität bilden.

Demnach existieren in den vier Ländern der Großregion verschiedene Beziehungen zur Sprachenpolitik, zur eigenen Sprache und, darüber hinaus, sogar grundverschiedene Auffassungen des Sprachbegriffs: In Frankreich gibt es eine bis in die Zeit des Absolutismus zurückgehende enge Verbindung zwischen Zentralstaat und einer als Inkarnation der Vernunft angesehenen französischen Staatssprache, über deren Norm die Académie seit dem 17. Jahrhundert wacht. Jüngste Sprachengesetze wie die Loi Toubon (1994) kann man als Nachhutgefechte gegen den Vormarsch des Englischen als informelle Lingua franca der EU und als Weltwirtschaftssprache verstehen.

Die romantische Vorstellung des deutschen Volkes ist zwar eng mit der deutschen Muttersprache verbunden, doch in der Geschichte der verschiedenen deutschen Staaten findet sich im Kontrast zu Frankreich keine sprachenplanerische Tradition und die aktuelle Sprachenpolitik der Bundesrepublik lässt sich am besten mit dem Begriff des Laisser-faire bezeichnen.

Trotz aller Unterschiede teilen Frankreich und Deutschland die Vorstellung einer Bindung zwischen Staat und Sprache, die es so in Belgien und Luxemburg nicht gibt. Mit seinem in den Gesetzen von 1963 und 1966 austariertem Gleichgewicht zwischen vier Sprachgemeinschaften, drei Regionen und vielen Gebieten mit sprachlichen Sonderregelungen, die so genannten „Gemeinden mit Spracherleichterungen“ (communes à facilités), birgt Belgien ein hohes sprachenpolitisches Konfliktpotenzial, während Luxemburg in einer durchgängig monolingualen EU manchem Beobachter als Leuchtturm des konfliktfreien mehrsprachigen Miteinanders erscheint.

Luxemburg unterscheidet sich von seinen Nachbarn durch seine offizielle Dreisprachigkeit und vor allem die Mehrsprachigkeit seiner Bevölkerung. Nach der Volkszählung von 2011 nennen 89 Prozent der Luxemburger beziehungsweise 56 Prozent aller Einwohner Luxemburgisch als ihre Hauptsprache beziehungsweise Muttersprache. Als junge, wenig verbreitete und hauptsächlich gesprochene Sprache hat sie ein geringes kulturelles Prestige, ist wenig normiert und wird kaum in der Schule unterrichtet. Französisch ist die Hauptsprache von vier Prozent der Luxemburger beziehungsweise 12 Prozent aller Einwohner, ist aber auch die meistverbreitete Zweitsprache. Vor allem ist es die einzige Gesetzes- und Hauptverwaltungssprache und war bis vor kurzem die zentrale Kultur- und Bildungssprache.

In dieser Funktion gerät das Französische zunehmend in Konkurrenz zum Englischen. Trotzdem bleibt es die wichtigste Sprache auf dem Arbeitsmarkt. Deutsch ist die Hauptsprache von einem Prozent der Luxemburger beziehungsweise drei Prozent der Einwohner. Es ist jedoch die dominierende Sprache in der Presse und der Grundschule. Portugiesisch ist die Hauptsprache von 16 Prozent der Einwohner und damit die erste Einwanderersprache.

In Frankreich ist die Beherrschung der literarischen Hochsprache mit all ihren Feinheiten Voraussetzung des schulischen Erfolges, in Luxemburg ist es eine implizit definierte Mehrsprachigkeit. Oder, ausgedrückt in den Kategorien einer von Bourdieu inspirierten Soziolinguistik: An die Stelle der langue légitime in Frankreich tritt in Luxemburg eine legitime Sprachkompetenz, die multilingual ist.

Dies gilt allerdings nur für die nationalstaatliche Kerngesellschaft, an der immer mehr in Luxemburg lebende und arbeitende Menschen nicht teilhaben. Wie viele Menschen in einer transnationalen, globalisierten Gesellschaft mit ihren eigenen Reproduktionsregeln leben, wie viele Franzosen sich in einer frankophonen Wirtschaftsexklave nach monegassischem Vorbild wähnen, ist schwer zu sagen. Bekannt ist zum Beispiel, dass 12 Prozent der in Luxemburg wohnenden Schüler nicht im nationalen Unterrichtssystem eingeschult sind, sondern in internationalen Schulen beziehungsweise im benachbarten Ausland. Diese in der bildungspolitischen Diskussion weitgehend ausgeklammerten Schüler, die zwar vermutlich nicht alle zur globalisierten Diaspora zu rechnen sind, kommen in ihrem schulischen Umfeld wenig in Kontakt mit der Luxemburger Sprache und werden die traditionelle Mehrsprachigkeit (drei Landessprachen plus Englisch) nicht beherrschen. Genauso wie die vielen Neueinwanderer und die Grenzpendler, da die traditionelle Form der Luxemburger Mehrsprachigkeit auf dem Arbeitsmarkt, abgesehen vom öffentlichen Dienst, kaum gefordert wird.

Neben dem Ideal der Vielsprachigkeit hat das offizielle Luxemburg die Ausländerfreundlichkeit und eine sich nicht nur auf Wirtschaft und Arbeitsmarkt beschränkende Offenheit zur Staatsräson erhoben. Wegen dieses Grundkonsenses sind explizit ausländerfeindliche Parolen in der politischen Debatte nicht möglich. Doch angesichts des rasch wachsenden Ausländeranteils an der Wohn- und Erwerbsbevölkerung2 kommt es zunehmend, und dies besonders bei vom sozialen Abstieg real oder potenziell Bedrohten, zu Äußerungen der Angst vor Überfremdung und der Ablehnung des Fremden, meist im Gewande der Ablehnung der fremden Sprache. Der Gebrauch des Französischen wird abgelehnt und dessen traditionelle Rolle als Luxemburger Staatssprache verleugnet. Deshalb flammen regelmäßig heftige Debatten um die sprachliche Identität des Großherzogtums und den Schutz seiner vermeintlich vom Aussterben bedrohten Sprache auf. Die ADR greift diese weitverbreitete Stimmung offensiv auf und zwingt so alle anderen Parteien, dem Thema mehr oder weniger Rechnung zu tragen. Sie tut dies:

– mit einer Vielzahl oft kleinlicher parlamentarischen Anfragen: Weshalb ist dieses Formular nicht auf Luxemburgisch abgefasst, jenes aber auf Portugiesisch?;

– mit symbolischen Forderungen wie der nach der Einschreibung der Luxemburger Sprache in die Verfassung, etwa nach dem Vorbild der französischen, die in ihrem zweiten Artikel proklamiert: „La langue de la République est le français“, eine Forderung, die auch dem Verein der Luxemburger Sprachpfleger und -schützer (Actioun Lëtzebuergesch) besonders am Herzen liegt;

– mit dem Appell, Luxemburgisch zur EU-Amtssprache zu machen, dem das Argument entgegensteht, zwei der drei Luxemburger Verwaltungssprachen besäßen bereits diesen Status, sowie die Tatsache, dass alle Luxemburger mindestens eine der beiden kennen;

– mit dem Versuch aus der Luxemburger Sprache eine protektionistische Barriere zu machen, etwa mit dem Ansinnen, „die perfekte Beherrschung der luxemburgischen Sprache in Wort und Schrift“ zur „unabdingbaren Voraussetzung für eine Einstellung im öffentlichen Dienst“ zu machen.

Dieser letzte Punkt muss näher erläutert werden, um zu zeigen, wie die ideologische Überfrachtung der Sprachenpolitik zu deren Blockade führt. Der Zugang zum Staatsdienst setzt sowieso die Beherrschung der drei Verwaltungssprachen in je nach Laufbahn differenzierten Kompetenzniveaus und deren Kontrolle in einer Aufnahmeprüfung voraus (siehe unten). Die auf die perfekte Beherrschung des geschriebenen Luxemburgisch gelegte Emphase der ADR verleugnet die Tatsache, dass es in der Schule nicht als Schriftsprache unterrichtet wird und deshalb die Wenigsten es korrekt schreiben und die Allermeisten es auch nur mit Mühe lesen können, unter anderem weil Deutsch weiterhin die Hauptzeitungssprache ist. Übrigens ist das ADR-Wahlprogramm in deutscher Sprache abgefasst, allerdings mit luxemburgischen Titeln und Zwischentiteln. Durch den kaum kaschierten protektionistischen Charakter des ganzen Programms werden auch die darin enthaltenen sinnvollen sprachenplanerischen Maßnahmen unglaubwürdig. Dem Einsatz für die Luxemburger Sprache wird die Legitimation entzogen, wenn er als Eingriff in ein gut funktio-nierendes, der übergroßen Mehrheit Wohlstand bringendes System erscheint.

Im Sprachengesetz von 1984 ist der amtliche Gebrauch der drei traditionellen Landessprachen geregelt: Luxemburgisch wird zur Nationalsprache erhoben; Französisch zur alleinigen Gesetzessprache bestimmt. Französisch, Deutsch und Luxemburgisch– in dieser Reihenfolge im Gesetz – sollen die Sprachen der Verwaltung und Gerichte sein. Die Verwaltung antwortet im Rahmen ihrer Möglichkeit in der vom Bürger gewählten Sprache. Das Gesetz enthält keine konkrete Ausführungsbestim­mung und war von keinerlei sprachenplanerischen Maßnahmen begleitet. Es war eine Antwort auf sprachenpolitisches Säbelrasseln deutscher Rechtsextremisten3, und man hat den Eindruck, dass auch die meisten weiteren sprachpolitischen Gesetze und Verordnungen der folgenden 30 Jahre defensive, um die Erhaltung des Status Quo bemühte ad hoc-Reaktionen auf reale oder vermeintliche Bedrohungen der Luxemburger Sprache oder gesellschaftlichen Verhältnisse darstellen.

Als 2010 nach längerem juristischem Scharmützel mit dem Europäischen Gerichtshof der öffentliche Dienst für EU-Bürger geöffnet werden musste, kam es zu einer Neudefinierung und Neuregelung der erforderten Sprachenkenntnisse. Als die EU- und Nicht-EU-Bürger das kommunale Wahlrecht erhielten, wurde der Gebrauch der Luxemburger Sprache im Gemeinderat bekräftigt. Wenn der Unmut über nicht Luxemburgisch sprechendes Personal besonders in Pflegeheimen und Gesundheitseinrichtungen in Leserbriefkampagnen hochkocht, werden Versuche unternommen, der Situation mit Zuckerbrot und Peitsche Herr zu werden (zum Beispiel Sprachenurlaub, beziehungsweise gesetzliche Verpflichtungen für Angestellte des Gesundheitssektors, Luxemburgisch zu lernen).

Seit 1939 galt die Beherrschung des Luxemburgischen als Voraussetzung für die Einbürgerung, ohne dass deren formale Überprüfung gesetzlich geregelt war. Das geschah erst 2008, als ein neues Einbürgerungsgesetz die doppelte Staatsbürgerschaft einführte. Sozusagen als Kompensation für den erleichterten Zugang zur Staatsbürgerschaft wurde die vorgeschriebene ununterbrochene Mindestaufenthaltsdauer von fünf auf sieben Jahre verlängert und ein Luxemburgisch-Sprachentest eingeführt.

Die Besonderheit der Luxemburger Sprachensituation kann man nur im Licht der sprachhistorischen Entwicklung verstehen, die in die Fachliteratur als Fallbeispiel für das Entstehen einer so genannten Ausbausprache eingegangen ist4: Luxemburgisch hat sich als eigenständige Sprache aus dem Gefüge der deutschen Mundarten in einem allerdings noch immer nicht abgeschlossenen Prozess emanzipiert. Dieser Ausbauprozess ist weitgehend ungeplant und gegen die Eliten des Landes geschehen, die im Ausbau des Luxemburgischen in der Regel eine Bedrohung ihres eigenen, in der mühsam erworbenen Dreisprachigkeit verkörperten Bildungskapitals sehen. Paradoxerweise haben die meisten luxemburgisch schreibenden Autoren bis in die 1970er Jahre und die Sprachpfleger bis zum heutigen Tage nichts Entscheidendes dazu beigetragen, da ihr Hauptanliegen der Erhalt der „ursprünglichen Sprache“ – exakter müsste man sagen: der vormals in Luxemburg gesprochenen Mundarten – und nicht deren Modernisierung und Standardisierung war.

Diesen Ausbauprozess hat der Staat, freilich nur zögerlich, mit einigen sprachpolitischen Maßnahmen und Verordnungen zur Korpusplanung unterstützt. Als Beispiele kann angeführt werden:

– die von ihm finanzierten Wörterbücher von 1906 und 1950, auch wenn diese noch ganz der Erhaltung der Mundart verschrieben sind;

– die Einführung der Luxemburger Sprache als Unterrichtsgegenstand in der Grundschule 1912, wenn auch nur eine Wochenstunde, während sie darüber hinaus nicht als Unterrichtssprache gebraucht werden sollte;

– die damit einhergehende Definition einer Rechtschreibung, auch wenn diese nicht verbindlich unterrichtet wurde;

– in jüngerer Zeit die Reform der Rechtschreibung im Jahre 1975 und die Schaffung einer Art Sprachakademie 1998 mit dem Namen CPLL (Conseil permanent de la langue luxembourgeoise);

– die Halbherzigkeit, mit der das Potenzial der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien genutzt wird, obschon diese einen entscheidenden Impuls für den Ausbau der Schriftlichkeit geliefert haben. Praktisch ohne staatliche Unterstützung sorgt heute die Korrektursoftware – das Open-Source-Projekt spellchecker.lu genauso wie das Microsoft Office Language Pack – für die Verbreitung einer korrekten Schreibweise, während das Schulcurriculum noch immer eine explizite Absage an die Rechtschreibung und eine Luxemburger Standardsprache beinhaltet, mit dem Argument, die dialektalen Sprachgewohnheiten der Schüler nicht diskriminieren zu wollen.

Der nächste logische Ausbauschritt, eine Alphabetisierung in Luxemburger Sprache, wird von beiden Extremen des politischen Spektrums heute diskutiert. Von der ADR aus symbolisch-identitären und implizit protektionistischen Gründen; von Déi Lénk, weil sie darin eine Möglichkeit sieht, die durch die Pisa-Studien attestierte, im Vergleich zu anderen Staaten außergewöhnlich hohe soziale Selektivität des traditionellen Schulsystems abzumildern. Für die Actioun Lëtzebuergesch, ebenso wie für das Bildungsministerium, Lehrerorganisationen und die meisten Bildungsforscher bleibt diese Maßnahme undenkbar. Doch mittlerweile haben mehr als die Hälfte der die Luxemburger Schule besuchenden Kinder keine der drei Landessprachen als Muttersprache und die an der traditionellen Dreisprachigkeit festhaltende Grundschule wird für sie zur regelrechten Sprachenfalle.

„Et soll wéi iwwerall op der Welt sinn: – Mammesprooch (Lëtzebuergesch zu Lëtzebuerg, Franséisch a Frankräich, etc.) – Englesch als éischt a wichtegst Friemsprooch, well et ouni Englesch net méi geet.“ So oder ähnlich kann man es regelmäßig im Internet lesen. Man kann diese die historisch gewachsene luxemburgische Dreisprachigkeit negierende Haltung als populistischen Chauvinismus abtun, man kann darin aber auch den Anpassungswillen an eine durch die Globalisierung verstärkte weltweite Tendenz zur Hegemonie des Englischen sehen. Um diesem Trend entgegenzusteuern, hat die EU-Sprachenpolitik das Ziel vorgegeben: Jeder europäische Bürger sollte zusätzlich zu seiner Muttersprache zwei weitere Sprachen beherrschen, implizit gemeint ist Englisch sowie eine so genannte „Sprache des Nachbarn“. Selbst innerhalb von Staaten mit verschiedenen Sprachgemeinschaften (in der Schweiz oder in Belgien) überflügelt heute Englisch die nationalen Amtssprachen und übernimmt tendenziell die Rolle der Lingua franca. Wie kann man in diesem sprachökologischen Umfeld eine proaktive Sprachenpolitik definieren, wohlwissend, dass diese nur dann Erfolg haben kann, wenn sie positive Auswirkungen für die betroffenen Menschen hat, zum Beispiel indem sie deren reale Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessert oder eine – und sei es auch nur gedachte – Teilnahme an einem zukunftsträchtigen gesellschaftlichen Projekt verspricht?

Angesichts der Größe dieser Aufgabe erscheint die marginale Vereinfachung des Luxemburgisch-Tests zur Erlangung der Staatsbürgerschaft eher nebensächlich und lenkt von der „wahren“ Luxemburger sprachlichen Identität und Grundlage unseres so erfolgreichen Geschäftsmodells ab. Diese ist die Dreisprachigkeit und, darüber hinaus, das Bewusstsein, dass die Beherrschung der Fremdsprachen eine zwingende Notwendigkeit für den Bewohner eines Kleinstaates ist. Oder wie Alfred Houdremont 1897 schrieb: „C’est en effet un besoin généralement senti, un besoin impérieux qui nous pousse à parler et à écrire les deux langues. La réalité plus pratique de la vie se charge de le prouver mieux que toute disserta-tion savante et théorique. Elle nous dit que, de nos jours plus que jamais, un homme possédant deux langues vaut deux hommes, sans parler de la facilité que la connaissance des idiomes français et allemand procure pour l’étude d'une autre langue, non moins importante aujourd’hui et presque indispensable, la langue anglaise.“

Weshalb sollte man im Sprachentest zur Erlangung der Staatsbürgerschaft also prioritär eine rudimentäre Beherrschung der Nationalsprache überprüfen? Wäre es nicht sinnvoller, den Nachweis des sprachlichen Integrationswillens über das Erlernen einer der drei Landessprachen als Fremdsprache zu fordern? Wer eine der drei Landessprachen als Muttersprache hat, müsste das Erlernen einer weiteren nachweisen. Wer keine der drei zur Muttersprache hat, was laut Volkszählung 2011 immerhin auf 29 Prozent der Einwohner zutrifft, soll in einer der drei Landessprachen nach eigener Wahl getestet werden. Auch wenn vermutlich viele Französisch als die am besten auf dem Luxemburger Arbeitsmarkt verwertbare Sprache wählen dürften5, würde das dem unaufhaltsamen Aufstieg des Luxemburgischen seit der Verabschiedung des Gesetzes von 1984 keinen Abbruch tun.

1 Die folgenden Abschnitte sind in erweiterter Form erschienen als ein Kapitel des Buches Lorig, W. u.a. (Hrg., 2015): Großregion SaarLorLux – Anspruch und Wirklichkeit, Springer. http://hdl.handle.net/10993/22745
Fernand Fehlen
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