KFZ-Steuer

Steuerstreik

d'Lëtzebuerger Land du 19.11.2009

Seit Monaten findet in diesem Land ein breiter Steuerstreik statt, ohne dass größeres Aufheben darum gemacht wird. Rund 30 000 Autofahrer weigern sich, ihre Autosteuer zu bezahlen, und werfen Rechnungen und Mahnungen der Zoll- und Akzisenverwaltung in den Papierkorb. Der Ausfall für die defizitgeplagte Staatskasse wird inzwischen auf fast zwei Millio­nen Euro geschätzt. Zoll- und Akzisenverwaltung versuchen derzeit, bei Straßenkontrollen die Säumigen zu verwarnen.

Der Steuerstreik ist seit Jahrhunderten eine Extremform des bürgerlichen Ungehorsams und Protestes. Anders als beim Steuerbetrug und der Steuerhinterziehung, wo die Steuerpflichtigen durch individuelle Schummelei Geld sparen wollen, stellt ein Steuerstreik oft die grundsätzliche Ablehnung einer Steuer dar, die als übertrieben hoch, ungerecht oder schikanös empfunden wird. In diesem Fall geht es um die 2007 in Kraft getretene Reform der Autosteuer, die besonders Besitzer von Großraumlimousinen und Geländewagen stärker belastet. Die drastische Steuererhöhung war mit dem hohen Verbrauch und dem hohen Schadstoffausstoß dieser Wagen gerechtfertigt worden und kostete den damaligen Umwelt- und Transportminister Lucien Lux (LSAP) bei den Kammerwahlen vor einem halben Jahr sein Amt.

Dass gerade eine ökologisch gerechtfertigte Maßnahme auf derart virulente Ablehnung stößt, mag überraschen in einem Land, wo das Bewusstsein, die Umwelt schützen zu müssen, derart weit verbreitet ist. Doch vielleicht ist der Streik der Besitzer großer Wagen gegen die ökologische Autosteuer nur  das zynische Spiegelbild der Abwrackprämie und der CARe-Zuschüsse für den Erwerb umweltschonender Kleinwagen, ist die Staats- und Beamtenfeindlichkeit dabei, noch populärer als der Umweltschutz zu werden.

Gemeinhin werden Steuern und Steuererhöhungen bis zu einer gewissen Höchstgrenze als Abgabe an den Staat und die Allgemeinheit akzeptiert und bezahlt. Über diese Grenze hinaus werden sie aber als eine Form der ungerechtfertigten Beschlagnahme empfunden und im Extremfall sogar bestreikt. Die Reform der Autosteuer scheint für die Besitzer verschiedener Autoklassen diese subjektive Grenze überschritten zu haben. Erleichtert wurde der Steuerstreik aber sicher durch die teilweise chaotischen Verhältnisse, mit denen die neue Autosteuer zumindest im ersten Jahr durch eine schlecht vorbereitete Verwaltung eingetrieben, beziehungsweise nicht eingetrieben wurde. Dies ließ zusätzlichen Zweifel an der Legitimität der Steuerreform aufkommen.

Dass der Finanzminister so ungewollt zum Steuerstreik ermutigte, mag die Diskretion erklären, mit der er den Vorfall behandelt. Hinzu kommt aber auch, dass er dem spontanen Streik nicht zuviel Öffentlichkeit verleihen und so verhindern will, dass der Streik sich organisiert und sogar ausweitet. Die Autosteuer zu bestreiken, scheint zudem bis hinauf zum Minister, der verzweifelt gegen den Ruf der Steueroase ankämpft, als Kavaliersdelikt angesehen zu werden, weil die Besitzer von Großlimousinen und Geländewagen, anders beispielsweise als die unberechtigten Bezieher von Arbeitslosengeld oder So­zial­hilfe, weitgehend aus jenen Mittelschichten kommen, welche die Wählerbasis der Regierungsparteien darstellen. Und spätestens seit der Bewegung von Jenny a Männi für personalisierte Nummernschilder wissen wir, dass die freie Autofahrt mit und ohne Promille das erste Bürgerrecht ist. Die Besteuerung stellt die materielle Grundlage aller staatlichen Funktionen dar, und ein Steuerstreik rüttelt um so mehr an den Grundfesten des Staates, als er Präzedenzcharakter haben könnte.

Romain Hilgert
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