Kompetenzmarketing

Ask Yves!

d'Lëtzebuerger Land du 22.11.2013

Sie heißen Yves mit Vornamen oder Wagner mit Nachnamen. Oder im Falle von Yves Wagner von BCEE Asset Management ganz einfach beides. Sie sind allesamt Luxemburger und bei den Luxemburger Schalterbanken mit großer lokaler Kundenbasis für die makroökonomische Analyse zuständig und als solche eine Art Aushängeschild für die Fachkompetenz in der Firma. Eine Fachkompetenz, welche ihre Arbeitgeber verstärkt zu Marketingzwecken einsetzen. Konferenzen, Newsletter, Medienbeiträge, Videos, Blogs, Tweets – oft steht dabei die Wirtschaftsanalyse gegenüber den Produkten im Vordergrund.

„Das mit den Namen ist mir auch schon aufgefallen, das scheint eine Einstellungsbedingung zu sein“, scherzt Yves Nosbusch. Seit rund einem Jahr ist Nosbusch Chief economist bei BGL BNP Paribas. „Posez vos questions à Yves Kuhn“, werden die Kunden auf der Webseite der Banque internationale à Luxembourg (Bil) aufgefordert. Seit Juni 2012 ist Kuhn Chief investment officer (CIO) der Bil. Yves Wagner ist seit 2006 Exekutiv-Direktor der Asset-Management-Gesellschaft der Luxemburger Staatssparkasse, davor war er bei der BGL tätig. Guy Wagner fing 1986 bei der Banque de Luxembourg an, wo er als Chief economist fungiert und seit 2011 Managing director von Banque de Luxembourg Investments (BDLI) ist. Wagner und Wagner sind schon lange dabei, Kuhn und Nosbusch erst kürzlich wieder in Luxemburg aktiv.

Die verstärkte Öffentlichkeitspräsenz der Chefvolkswirte und ihrer Mitarbeiter der großen Schalterbanken hat wahrscheinlich mehrere Ursachen. Denn dass sie beispielsweise heutzutage mehr Kundenkonferenzen veranstalten als früher, streiten Yves Wagner und Claude Hirtzig (CFA) von BCEE Asset Management ab. „Ich habe schon immer solche Konferenzen gemacht“, so Wagner. „Das ist der beste Weg, auf Kunden zuzugehen. Ein Vortrag und ein Umtrunk.“ Wagner hat in Aix-en-Provence Wirtschaftswissenschaften studiert, dort ein Doktorat absolviert. Seine Doktorarbeit trug den Titel Politique monétaire et crédibilité du contrôle optimale und analysierte, wie es im Rahmen der Theorie der rationalen Erwartungen noch eine effiziente Geldpolitik geben könne. Bevor er Mitte der Achtziger zur BGL ging, war Wagner als Assistenzprofessor tätig. Heute ist er wieder im akademischen Betrieb. An der Luxembourg School of Finance unterrichtet er Portfolio-Theorie. Alle Jahre wieder touren Wagner und sein Team durchs Land, geben bei mehreren Terminen Schalter- wie Privatbankkundschaft einen Wirtschaftsausblick auf die kommenden zwölf Monate. Für die Privatkundschaft gibt es außerdem jährlich eine themenbezogene Konferenz, zu der „zwischen 500 und 700 Zuhörer kommen“, sagt Hirtzig. Auch da wird nicht über BCEE-Produkte, sondern nur die jeweilige Problematik gesprochen, unterstreicht Wagner. Was sich also geändert hat? „Seit 2008 ist das Umfeld ein anderes, es gibt viel mehr Nachfrage“, meint Hirtzig, ein größeres Bedürfnis, sich wirtschaftliche Sachverhalte erklären zu lassen.

Die BGL veranstaltet seit zwei Jahren unter dem Titel Meet the experts ebenfalls themenbezogene Konferenzen. Vergangen Sommer referierte Nosbusch in diesem Rahmen über sein Spezialgebiet Staatsanleihen. Auch Nosbusch unterrichtet. An der London School of Econmics (LSE) gibt er dieses Semester Vorlesungen in finanzieller Risikoanalyse. Nosbusch war früher selbst Student an der LSE. Promoviert hat er in Harvard. Seine rezenteste Publikation stammt vom August. Mit zwei LSE-Kollegen veröffentlichte er in der Review of Financial Studies den Artikel „Bond market clienteles, the yield curve and the optimal maturity structure of government debt“. Vor zwei Wochen versuchte er der Luxemburger Presse zu erklären, warum Eugene Fama, Lars Peter Hansen und Robert Shiller, deren Forschung die Bildung der Aktienkurse und die Preise anderer Vermögenswerte betrifft, den Nobelpreis erhielten.

Apropos Presse. Dass vor allem die Luxemburger Print-Medien in der vergangenen Jahren Wirtschaftsredaktionen aufgebaut haben, deren Mitarbeiter zu solchen Terminen erscheinen, ist eine weitere Ursache für die verstärkte Öffentlichkeitspräsenz von Nosbusch und seinen Kollegen. Dass sich die BGL mit Akademikern von Nosbuschs Format schmückt und die Kunden regelmäßig zum Gespräch – auch mit anderen Experten – einlädt, hat auch damit zu tun, dass die Bank das Vertrauen zurückgewinnen will, das sie durch ihren Beinahe-Kollaps 2008 verloren hat. Die Kunden sollen merken: Diese Leute wissen, was sie tun.

Nirgendwo ist dies wichtiger als bei der Bil. Nicht nur weil die Bank mehr Rettungsaktionen mitmachen musste als die BGL. Seit der Abspaltung von Dexia hat die Bank Personal rekrutiert, um Posten zu besetzen, die während der Dexia-Ära auf Konzernebene ausgelagert waren und bei der selbstständigen Bil erst einmal geschaffen werden mussten. Das gilt auch für den Chief investment officer. „In den vergangenen fünfzehn bis 20 Jahren sind die Finanzmärkte immer komplexer geworden“, sagt Yves Kuhn, „da braucht man Experten.“ Mehr als einen. „Auch wenn ich in der Vitrine bin – hinter mir stehen 40 Leute, die nicht weniger spezialisiert sind als ich“, unterstreicht er. Wichtig sei dies heute umso mehr, weil vor allem junge Leute sich übers Internet sehr viel Wissen selbst aneignen können. Um den Unterschied zu machen, müsse man „wirklich Kompetenzen“ vorweisen. Bevor er zur Bil kam, war Kuhn Senior Portfolio Manager beim Schweizer Asset Manager der Kantonalbanken Swisscanto in Zürich. An der ETH in Zürich hat er auch studiert. Kuhn ist Ingenieur. Das, sagt er, habe ihm die Angst im Umgang mit Zahlen und Modellen genommen. An der Rotterdamer Erasmus Universität hat er einen MBA absolviert. Seine Sporen hat er sich vor allem in der Londoner City verdient, wo er für Pictet Asset Management die Schwellenländer im Blick hatte, bevor er als Partner den Hedge Fonds Fabien Pictet & Partners mitgründete. Bei der Bil, die vor annerthalb Jahren eine Abteilung digitales Marketing aufgebaut hat, arbeitet man derzeit an einer neuen Kampagne für digitale Medien, in der auch Yves Kuhn eine zentrale Rolle einnehmen wird. Die Details sind noch geheim.

Wie man die neuen Medien bespielt, macht Guy Wagner von der Banque de Luxembourg vor. Die Bank will sich zum Thema nicht äußern. Hinter der starken Öffentlichkeitspräsenz stecke keine besondere Strategie, sagt Sprecher Paul Wilwertz. Dabei ist Guy Wagner, der einer Lizenz in Wirtschaftswissenschaften der Université libre de Bruxelles besitzt, als Marke überall präsent. „Investieren in Japan – Die Auswirkungen der Abenomics“, twittert er dreisprachig den Link zu einer Analyse. Oder: „A dollar is a dollar is a dollar – Die Fluchtwährung US-Dollar“. Auf Facebook postet er Grafiken, auf Vimeo referiert er in Bild und Ton. Auf Linkedin ist er sowieso. Dass Wagner das nicht alles alleine macht, sondern durchaus auf die logistische Unterstützung eines Marketingteams zurückgreift, zeigt auch sein Wirtschaftsblog, mit dem er in Luxemburg eine Vorreiterrolle einnahm. Das funktioniert fünfsprachig, die Analysen und Kommentare zur Weltkonjunktur können auf deutsch, französisch, englisch, spanisch und niederländisch gelesen werden.

Michèle Sinner
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