Kino

Femme Fatale und Show-Pony

d'Lëtzebuerger Land vom 09.02.2018

Schon vor Jahren war sie der heimliche Star beim Luxfilmfestival. In Colonia (2015) spielte sie Ursel, neben Schauspielern wie Emma Watson und Daniel Brühl. Doch in diesem Jahr ist der Hype um Vicky Krieps noch viel größer. Obwohl sie nichts von dem Wirbel um ihre Person hält, werde man zu einem Show-Pony, vertraute sie dem Luxemburger Wort an. In gleich zwei Filmen des Festivals hat sie eine prominente Rolle: Neben dem Thriller Gutland des Luxemburgers Govinda van Maele ist Vicky Krieps in Phantom Thread von Paul Thomas Anderson an der Seite von Daniel Day-Lewis zu sehen. Der Film wurde vergangene Woche als Vorpremiere zum Festival gezeigt und ist für sechs Oscars nominiert. Er spielt im London der 1950-er Jahre und kreist um den Modeschöpfer Reynolds Woodcock und seine Muse Alma.

Obschon das Drama inmitten der Kreativbranche spielt – die ausgefallenen Kreationen des Modeschöpfers sind vor allem unter Aristokraten beliebt – wirkt das Drehbuch zunächst nicht wirklich kreativ. Mitunter sind die Dialoge sogar reichlich abgedroschen. Nachdem sich Reynolds und Alma ineinander verliebt haben und an den Klippen entlang spazieren, fallen Sätze wie: „Ich habe das Gefühl seit langem auf der Suche nach Dir gewesen zu sein!“ Und auch der Plot kommt recht platt und sexistisch daher, wenn Reynolds anfangs gelangweilt neben seiner Partnerin sitzt und nur noch Verachtung für sie übrighat. „Während sie darauf wartet, dass Du ihr wieder Deine Aufmerksamkeit schenkst, wird sie fett. Soll ich sie wegschicken?“ fragt Cyril, die Schwester des launischen Modeschöpfers und zweite Hand im Modegeschäft Woodcock, ihren Bruder. Es ist absehbar, was dann passieren wird. Der alternde Macker verfällt natürlich der viel jüngeren Frau...

In einem Hotel wird Alma (Vicky Krieps) Reynolds Woodcock (Daniel Day-Lewis) mit Reh-Blick das Frühstück servieren. Ungelenk stolpert sie durch den Raum und bekommt rote Flecken im Gesicht, als er sie anspricht. Wenn der alternde Day-Lewis wie Jeremy Irons in seinen letzten Rollen die zerbrechliche junge Frau distinguiert, doch lüstern anglotzt, muss man schon in den ersten Szenen an frühe Lolita-Verfilmungen denken und fürchtet um die Integrität der jungen Luxemburger Schauspielerin. Doch macht gerade das Schauspiel dieser ungleichen Beziehung den Reiz von Phantom Thread aus, denn Krieps bietet dem alten Leinwandhasen souverän Paroli und schafft es, ihn herauszufordern. Es sind nicht die Szenen, in denen er Maß nimmt, sie sich von ihm einkleiden lässt oder strahlend als Model vor der High Society Londons posiert, die beeindrucken, sondern die leise Entwicklung ihrer Beziehung. Und diese nuancierte Interpretation des Drehbuchs bewahrt den Film davor zur Soap zu werden. Hier der neurotische Mode-schöpfer, den Alma um den Verstand bringt und der sich nicht mehr konzentrieren kann, wenn die junge Schöne morgens geräuschvoll ihren Toast bestreicht und beherzt reinbeißt. Dort die junge Träumerin, die ihm die Stirn bietet, ihm mal störrisch, mal ironisch, mal mütterlich begegnet und ihn permanent herausfordert. Es sind die Nuancen in diesem Paar-Spiel, die den Film sehenswert machen.

Regisseur Paul Thomas Anderson hat Vicky Krieps in Das Zimmermädchen Lynn (2014; Ingo Haeb) gesehen und für die Rolle in Phantom Thread ausgewählt, und das ist ein Glücksfall. So ist der Hype um die Luxemburgerin, die es nach Hollywood geschafft hat, durchaus berechtigt. Denn Krieps spielt die Rolle der Alma facettenreich zwischen kindlich-unschuldig und souverän-kalkulierend. Wenngleich es noch immer der Erfolg einer aus privilegierten Verhältnissen stammenden Luxemburgerin mit bekanntem Namen bleibt. Zudem beeindrucken Kulisse und Kostüme – auch wenn es Models schon seiner Zeit im Grunde nicht vergönnt war, so zu grinsen wie Vicky Krieps es beim Schaulauf vor der britischen Aristokratie tut. Ein bisschen gewagt ist dieser Film gerade im Nachklang zur #MeToo-Debatte trotzdem. Doch hinterlässt Phantom Thread keinen bitteren Nachgeschmack. Abgeschmackte Sexszenen bleiben einem erspart, und die Liebe liegt im Detail.

Anina Valle Thiele
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