Grundsteuer

Testballon

d'Lëtzebuerger Land du 05.07.2007

Wenn, wie die Regierung es geplant hat, noch in diesem Jahr das jüngste Wohnungsbau-Gesetzespaket in Kraft treten sollte, dann wird ab 1. Januar 2008 eine Reform der Grundsteuer wirksam. Eigentlich nur eine Mini-Reform, aber das wird letztlich von den Gemeinden abhängen.

Was einerseits normal ist: Wie die Gewerbesteuer ist die Grundsteuer eine rein kommunale Steuer. Andererseits aber ist „lächerlich“ das im politischen Zusammenhang mit der Grundsteuer in den letzten Jahren wahrscheinlich am häufigsten benutzte Attribut. Denn diese Einnahmen machen sehr lange schon im Schnitt nicht mehr alsz wei Prozent der ordentlichen Einnahmen der Gemeinden aus. Landesweit werden es in diesem Jahr schätzungsweise knapp 26 Millionen Euro sein – gegenüber fast einer halben Milliarde aus der Gewerbesteuer.

„Dans bien de cas, ces recettes ne permettent même pas de couvrir les frais résultant de la fixation, de l’encaissement et du recouvrement de cet impôt“, stellte der Innenausschuss der Abgeordnetenkammer im September 2003 fest, und Ende November 2003 forderte die Kammer die Regierung einstimmig dazu auf, die Grundsteuer grundlegend zu reformieren. CSV und LSAP hielten nach den letzten Wahlen in ihrem Koalitionsvertrag fest, diese Option werde „studiert“. Anfang 2005 bat der für die Aufsicht über die Gemeindefinanzen zuständige Innenminister Jean-Marie Halsdorf (CSV) das für Fiskalpolitik zuständige Finanzministerium in einem Brief, dieses „Studium“ einzuleiten. Eine Antwort liegt bis heute nicht vor.

Und trotzdem soll Anfang nächsten Jahres eine spürbare Änderung eintreten? – Das kommt darauf an. Die große Hürde für eine Reform der Grundsteuer ist deren veraltete Berechnungsbasis. Sie soll den Vermögenswert der „Wirtschaftseinheit“ Grundbesitz erfassen: Fläche und Bauvolumen, Nutzwert oder gar Verkehrswert von Gebäuden und Terrains. Daraus bildet die Steuerverwaltungeinen so genannten Einheitswert für jede der derzeit über 450 000 Ländereien und Häuser. Multipliziert mit einer staatlich festgelegten Messzahl je nach Immobilientyp und anschließend mit einem von der Gemeinde festgelegten lokalen Hebesatz ergibt sich die zu zahlende Grundsteuer.

Bisher aber wurden die Einheitswerte nur ein einziges Mal festgelegt: mit Wirkung auf den 1. Januar 1941, nachdem die Nazi-Okkupation das deutsche System Grundsteuer nachLuxemburg gebracht hatte. Weil es nach der Befreiung keinen sinnvollen Ersatz für sie gab, behielt Ende Oktober 1944 ein großherzoglicher Erlass sie in Kraft – einschließlich der Vorschrift, alle sechs Jahre die Einheitswerte, die am Beginn der Grundsteuerfestsetzung stehen, neu festzulegen. Weil das nie geschah, ist es kein Wunder, dass noch Anfang des 21. Jahrhunderts für ein Einfamilienhaus mit Garten nicht selten nur 20 bis 30 Euro jährlicher Grundsteuer fällig werden.

Damit vergingen nicht nur mehr als sechs Jahrzehnte von der Grundsteuer unbemerkt, sondern nicht zuletzt die ab Anfang der Achtzigerjahre enorme Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklungund die rasante Urbanisierung ländlicher Räume. Neue Einheitswerte würden deshalb nicht nur in den Randgemeinden um die Hauptstadt, die in den Dreißigerjahren noch überwiegend aus Wald- und Wiesenflächen bestanden hatten, heute aber zum Teil dicht besiedelt sind und zu den teuersten Gegenden des Landes zählen, zu einer vermutlich spektakulär erhöhten Grundsteuerlast führen, sondern ebenso in den in letzter Zeit an Bevölkerung gewachsenen Landgemeinden. Und innerhalb von Luxemburg-Stadt müsstenur banistisch junge Viertel wie Cents sich in den Einheitswerten an ältere wie etwa Belair annähern.

Wie politisch heikel eine solche Übung ist, musste 1983 der damalige Finanzminister Jacques Santer erfahren. Per Gesetz sollten pauschal um den Faktor 5 die Einheitswerte aller Agrar- und Forstflächen erhöht werden, die aller anderen Flächen um den Faktor 10. Pauschal, weil über 40 Jahre nach der einmaligen Einheitswertfestsetzung „les dossiers fiscaux ne disposent pas des éléments et indications indispensables“ für eine individuellere Bewertung, wie das Finanzministerium einräumen musste. Außerdem sollten die Korrekturfaktoren so gewählt sein, dass sich der politische Flurschaden in Grenzen hielt: Eine dem Gesetzentwurf beigelegte Statistik über die Entwicklung der Verkaufspreise über 40 Jahre hinweg ergab, dass für eine Stichprobe aus Wohn- und Geschäftsbauten eine Wertzunahme um immerhin den Faktor 13 bis 16 stattgefunden habe, bei ausgewiesenem Bauland um den Faktor 25 bis 40, bei Ackerflächen um den Faktor 10 bis 13. Aber trotz dieser Erklärungsversuche und obwohl gleichzeitig neue Abschläge auf die Grundsteuer eingeführt werden sollten, stieß das Vorhaben als „versuchte Steuererhöhung“ bei den Berufskammernvon Patronat und Salariat auf derartigen Protest, dass die Regierung es zurückzog.

Heute wie damals verfügt die Steuerverwaltung über keine umfassenden Statistiken zur lokalen Entwicklung der Immobilienwerte; heute wie damals würde eine detaillierte Neufestlegung sämtlicher Einheitswerte voraussetzen, „von Haus zu Haus“ vorzugehen. Und später auf Diskussionen vorbereitet zu sein, in denen etwa einem Hausbesitzer erklärt werden müsste, dass es durchaus systembedingt ist, wenn ein Eigentümer, der sein Haus in Schuss und damit wertvoll hält, mehr Grundsteuer zu zahlen hat als der Nachbar, der sein Anwesen vernachlässigt.

Deshalb könnte, wenn sich noch in diesem Monat der parlamentarische Spezialausschuss zur Territorialreform mit der Direktion der Steuerverwaltung trifft, die Einheitswert-Neufixierung, so nötig sie wäre, aus rein praktischen Gründen verworfen werden. Alternativ dazu liegt seit zwei Wochen ein Vorschlag des Ausschussvorsitzenden und früheren Innenministers Michel Wolter (CSV) auf dem Tisch: Nicht die „Wirtschaftseinheit Immobilie“ inklusive ihres Verkehrswerts wäre Basis einer so reformierten Grundsteuer, sondern der „Planungszustand“ einer Fläche. Je nachdem, für welche Nutzung sie laut kommunalem Bebauungsplan vorgesehen ist und welche Maxima für Baudichte und Bauvolumen für sie festliegen, würde daraus ein Flächenwert hergeleitet, der Grund und Boden als ein im kleinen Lande knappes Gut auffasst. Ähnliche Reformideen werden auch in Deutschland diskutiert – wo man sinngemäß das gleiche Grundsteuer-Reformproblem hat: dort wurden die Einheitswerte seit den Sechzigerjahren nicht mehr angepasst.

Dass noch in dieser Legislatur eine Grundsteuer-Reform diskutiert werden könnte, scheint allerdings wenig wahrscheinlich. Im Ansatz findet die Diskussion offenbar am ehesten im Territorialreform-Ausschuss statt. Aber auch dort wurde bisher noch nie die Frage erörtert, ob auf eine erhöhte Grundsteuer hin an anderer Stelle nachgelassen werden könnte – was nicht nur Wohnhausbesitzer beträfe, sondern auch die Eigentümer von Agrar- und Waldflächen oder von Geschäftsgrundstücken. Womit eine Diskussion um die Gesamtsteuerlast von natürlichen Personen wie von Unternehmen eröffnet werden müsste.

Zumindest öffentlich wahrnehmbar aber wurde nur ein einziges Mal in dieser Legislatur eine eventuelle Grundsteuerreform in einem Gesamtzusammenhang reflektiert: Ende 2004 war das, als der CSV-Abgeordnete Laurent Mosar als Berichterstatter zum Staatshaushaltsentwurf 2005 die Einführung einer flat tax für Betriebe vorschlug. Entstehen sollte sie aus einer abgesenkten Grundlast für Körperschafts- und Gewerbesteuer, gegenfinanzieren sollte diesen Ausfall unter anderem eine erhöhte Grundsteuer.„Würde sie verdreifacht oder vervierfacht, hätte noch kein Haushalt ein Problem damit“, meinte Mosar.

Damit aber ist ein entscheidender Punkt berührt: Das Wozu einer Reform. Nicht nur wird quer durch die politischen Lager immer wieder darauf hingewiesen, dass „eigentlich“ das Grundsteueraufkommen mindestens zehn Mal höher sein müsste. Was angesichts der im Santer-Gesetzentwurf vor fast einem Vierteljahrhundert angeführten Statistik nicht ganz falsch sein kann. Eine reformierte Grundsteuer soll aber auch den sorgsameren Umgang mit der erwiesenermaßen knappen Ressource Land fördern. Doch wenn schon damals ein bloßer Reformansatz derart starke Proteste nach sich zog, ist es möglicherweise nicht ganz ungefährlich, was die Regierung Anfang 2008 einzuführen plant. Der Gesetzentwurf über den Wohnungspaupakt ändert die Grundsteuer-Gesetzgebung punktuell ab. Seit 1967 gilt, dass die von den Gemeinden festzulegenden Hebesätze für Agrar- und Waldflächen in einer Beziehung zu den Hebesätzen, die für alle Nicht-Agrarflächen gelten, stehen müssen. Die Sätze für Agrarflächen und die für Geschäftsgrundstücke müssen gleich hoch sein – damit die Lokalpolitik nicht einenWirtschaftsakteurgegenüber einem anderen benachteiligt, vor allem einen Bauern nicht. Darüber hinaus dürfen die für Wohnflächen geltenden Hebesätze nicht höher sein als die für Agrar-, Wald- und Geschäftsflächen – was wiederum Hausbesitzern entgegenkommen soll.

Der Wohnungsbaupakt soll diese Regeln vollständig außer Kraft setzen. Es mag zwar sein, dass dies nicht das Hauptanliegen der kleinen Grundsteuerreform ist. Sondern die Einführung zweier neuer „Bauland-Kategorien“, die dann auch gleich von Staats wegen mit einem höheren Steuersatz belegt werden sollen, damit sie möglichst rasch bebaut werden. Aber dennoch erhielte jede Kommune das Recht zur individuellen Grundbesteuerung jeglicher Flächenkategorie.

Dass lediglich die Handwerkskammer in ihrem Gutachten zum Pacte logement-Gesetzentwurf lakonisch anmerkt, die Hebesatz-Entflechtung diene wohl vor allem dem „assainissement de la situation budgétaire des communes“, mag damit zu tun haben, dass allgemein angenommen wird, die Kommunen würden sich schon „vernünftig“ verhalten und die Freiheit zur Steuererhöhung gar nicht wirklich nutzen. Täten sie es doch, zumal im großen Stil, könnte das als verkappte Wiedereinführung der erst Anfang 2006 abgeschafften Vermögenssteuer missverstanden werden. Schlimmstenfalls würde daraufhin das gesamte Reformvorhaben, beidem es um mehr gehen wird als ein paar Korrekturfaktoren, auf Eis gelegt. Darunter aber litten nicht nur die Gemeindebudgets, sondern auch Flächenmanagement und Wohnungsbau. Das dieser Fall
eintritt, ist das politische Risiko der Mini-Reform.

Peter Feist
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