Die Mammerent wird exportierbar

Import - Export

d'Lëtzebuerger Land vom 11.12.2008

Verglichen mit der erneuten Abstimmung des Euthanasie-Vorschlags nächste Woche, dürfte das Votum der Abgeordneten über die Änderung des Gesetzes zur Koordinierung der Pensionsregimes wenig Aufmerksamkeit erregen. Dabei ist darin eine bemerkenswerte Neuerung zur Mammerent versteckt. Als Reaktion auf den Rententisch hatte Premier Jean-Claude Juncker 2001 eine Gratifikation für Hausfrauen, die nur sehr wenige oder keine eigenen Pensionsansprüche erworben, aber ein Kind oder mehr groß gezogen haben, ins Gespräch gebracht. Ein Jahr später trat die Mammerent in Kraft. Nun wird sie exportierbar.

So will es die EU-Kommission, die die Regierung schon vor Jahren darauf aufmerksam machte, dass die Residenzklausel im Gesetz über den Forfait d‘éducation sich nicht verträgt mit der EU-Wanderarbeitnehmerverordnung, die die Exportierbarkeit von Sozialleistungen der Mitgliedstaaten regelt. Dass die Mammerent exportierbar sei, akzeptierte die Regierung schnell. Das Gesetz zu ändern, entschied sie erst, als die Kommission 2006 mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof winkte.

Die Mammerent wurde vor sechs Jahren als Sozialleistung sui generis konzipiert. Gegenüber internationalem Recht sei das eine juristisch fragile Konstruktion, mahnte der Staatsrat. Der parlamentarische Sozialausschuss aber fand, als eine „forme spécifique de revenu“, die einen „travail éducatif“ eines Elternteils ohne ausreichende eigene Pensionsansprüche anerkenne, sei die Mammerent eine rein Luxemburger Regelung und nicht exportierbar. Wenig später verlangten Brüsseler Beamte jedoch eben die Entscheidung, ob die Mammerent eine Familienleistung sei, die Familienlasten kompensiert, oder eine Rentenleistung. Da die Mammerent erst ab 60 zuerkannt werden kann, entschied das Sozialministerium sich für „Rentenleistung“.

Die Folgen wurden bisher noch nicht öffentlich diskutiert, und es leuchtet nicht recht ein, dass man im Sozialministerium davon ausgeht, der Empfängerinnenkreis werde nicht viel größer als heute. Denn die Öffnung der Mammerent gilt laut Gesetzentwurf nicht nur für das EU-Ausland, sondern für alle „personnes relevant d‘un instrument bi- ou multilateral de la sécurité sociale“. Wozu auch alle Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums gehören, ferner zum Beispiel die Kapverdischen Inseln, oder mehrere südamerikanische Länder, wie etwa Brasilien.

Der Gesetzentwurf aber sagt nichts darüber aus, welche Bindungen an Luxemburg eine ausländische Antragstellerin haben muss, um in den Genuss der Mammerent zu kommen. Künftig soll sie, das ist die einzige neue Einschränkung im Text, nur dem Elternteil zuerkannt werden, der sich „principalement“ der Kindererziehung widmete. So entfallen die Hausfrauen-Gattinnen männlicher Grenzpendler. Wenn die Mammerent aber künftig als Rentenleistung gilt, werden laut Wanderarbeitnehmerverordnung im Prinzip alle EU-Ausländerinnen mit Kind, die jemals mindestens ein Jahr in Luxemburg gearbeitet haben, bezugsberechtigt. Und je nachdem, was die jeweils bi- oder multilateralen Sozialversicherungskonventionen vorsehen, vielleicht auch die eine oder andere Kapverdianerin mit Kind, die einst in Luxemburg als Putzfrau tätig war, aber längst nicht mehr hier wohnt. 

Möglicherweise erfüllt Luxemburg mit dieser Öffnung eine Bringpflicht, denn laut dem jüngsten Rapport général de la sécurité sociale war das Wachstum der rentenbeitragspflichtigen Versicherten durch Migration und Grenzpendlerbeschäftigung fünfmal höher als der Versichertenzuwachs im Lande selbst. Fragt sich nur, ob daraus nicht folgen müsste, die Mammerent auch in Luxemburg als Rentenleistung zu verstehen. Dann aber kann schnell erneut die politisch brisante Frage gestellt werden, ob sie statt aus dem Staatshaushalt nicht doch aus den Pensionskassen finanziert werden sollte, wie Premier Juncker es vor vier Jahren wollte und damit um ein Haar den Koalitionsfrieden zerstört hätte. Da verwundert es dann doch nicht, dass der Sozialausschuss der Abgeordnetenkammer sich bisher noch nicht beschwert hat, über keine fiche financière zum Gesetzentwurf zu verfügen.

Peter Feist
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