Einkommensbesteuerung

Wundermaschine

d'Lëtzebuerger Land vom 04.01.2007

Damit die Gewerkschaften die Kröte Indexmanipulation besser schlucken können, hatte die Tripartite am 28. April 2006 beschlossen, dass die Sozialpartner bis Ende vergangenen Jahrs eine Einigung über die Einführung eines einheitlichen Statuts für Arbeiter und Angestellte finden sollten. Der inzwischen ergebnislos verstrichene Termin hatte seine Bedeutung. Denn für dieses Jahr hat sich die Tripartite bereits eine neue Aufgabe gestellt: eine Einigung über eine Steuergutschrift für Familien zu finden, mit der die Gewerkschaften die Kröte Desindexierung des Kindergelds und verwandter Leistungen besser schlucken können.

Die Idee von der Steuergutschrift war irgendwann im Laufe der Tripartiteverhandlungen geboren worden, und einer ihrer stolzesten Väter ist Premier- und Finanzminister Jean-Claude Juncker. Dass er in einem ähnlich historischen Moment, am Rande des Rententisches, schon die Mammerent erfunden hatte, hängt damit zusammen, dass es in beiden Fällen nicht um Sozial-, sondern um Familienpolitik geht, eine jahrzehntealte Marktnische der CSV. Peinlich für die geplante Steuergutschrift ist bloß, dass Jean-Claude Juncker auch jener Finanzminister ist, der angekündigt hatte, mit der großen Steuerreform von 2001 gnadenlos das ganze undurchsichtige Gestrüpp von Freibeträgen, Gutschriften und anderen Abschlägen aus der Einkommensbesteuerung zu beseitigen.

Aber ein wenig geht es der geplanten Steuergutschrift für Familien wie der alchemistischen Wonnermaschinn, die den Haebicht-Abfall in Gold verwandeln sollte: Alle bewundern sie, aber niemand weiß, wie sie funktionieren soll. Dass sie alle bewundern, hat mit einigen Missverständnissen zu tun. Auf der Linken, bei den Gewerkschaften und dem CSV-Partner LSAP, ist man dankbar für jede sozial- oder familienpolitische Maßnahme in diesen Sparzeiten. Auf der am Umbau des Sozialstaats interessierten liberalen bis grünen Rechten werden kommunitaristische Phantasien von Negativsteuer, Bürgergeld und desgleichen wach. Alle zusammen pflegen sie zudem, einen Steuerabschlag wie den Bëllegen Akt fürs Eigenheim selbst in amtlichen Dokumenten einen „crédit d’impôt“ zu nennen.

Die Regierung, die im Laufe dieses Jahrs Vorschläge machen soll, wie ein solches System von Steuergutschriften aussehen kann, hatte den Wirtschafts- und Sozialrat im November 2001 gebeten, die mögliche Einführung einer Negativsteuer zu begutachten. Worauf der Wirtschafts- und Sozialrat im Juli 2004 in einem kurzen Brief höflich zu verstehen gab, dass er sich für einen solchen Humbug nicht die Mühe eines Gutachtens machen wolle. Zum Trost meinte er aber, einzelne Steuerfreibeträge könnten vielleicht durch Steuergutschriften ersetzt werden – vorausgesetzt, die Steuerpflichtigen bekämen kein Geld ausgezahlt, wenn die  Gutschrift die Steuerschuld übersteigt. Auf den Wirtschafts- und Sozialrat beruft sich jedoch ausdrücklich die Tripartite, und auch Finanzminister Jean-Claude Juncker meinte in einem Neujahrsinterview, dass die Steuergutschrift keine Negativsteuer werde, aber „etwas, das der Negativsteuer ähnelt“.

Das heißt, die Gutschrift kann am Ende ein Abschlag sein, der lächerlich niedrig ausfällt oder so hoch, dass gerade Familien mit niedrigen Einkommen, die kaum oder keine Einkommenssteuer zahlen, ihn nicht oder nicht voll nutzen können. Gibt es ausreichend Enttäuschte über das, was die Tripartite „sozialgerecht“ nannte, erhält die ADR vielleicht ihre Fraktion zurück.

Romain Hilgert
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