CSV

Lob der Kleinstaaterei

d'Lëtzebuerger Land vom 31.07.2008

Ende Juli jeden Jahres gibt sich die Stadt Salzburg die Ehre, Touristen und Provinznotabeln mit dem österreichischen Exportschlager Mozart und mit Hugo von Hofmannsthals Mysterienhumbug zu unterhalten. Dazu passend wird der Eröffnungstag der Salzburger Festspiele alle zwei Jahre für eine besondere Veranstaltung benutzt: die feierliche Vergabe des „DDr.-Herbert-Batliner-Europa­prei­ses für Verdienste um den Kleinstaat“ im Rahmen der jährlichen „Festakademie“ des von einem Vaduzer Treuhänder gegründeten und auf seinen Namen getauften Herbert-Batliner-Europainstituts.

Wurde anderswo die Kleinstaaterei als Wundbrand am Heiligen Römischen Reich deutscher Na­tion bekämpft, will sie der liechtensteinische Anwalt hegen und pflegen. Vielleicht weil sie zeitlebens seine Geschäftsgrundlage darstellte. Nach dem estnischen Präsidenten, Len­nart Meri, im Jahr 2000, dem Regierungspräsidenten der spanischen Autonomen Gemeinschaft Katalonien, Jordi Pujol, im Jahr 2002, dem Präsidenten des Gerichtshofs der Europäischen Freihandelsassozia­tion, Carl Baudenbacher, im Jahr 2004, und der lettischen Präsidentin, Vaira Vike-Freiberga, im Jahr 2006, war es am Montag fast zwangsläufig am Luxemburger Premier Jean-Claude Juncker, Bronzemedaille, Diplom und 30 000 Euro Preisgeld in Empfang zu nehmen. Damit wurde er als „hervorragende Persönlichkeit geehrt, die sich um den Kleinstaat und seine Anerkennung in politischer, wissenschaftlicher, kultureller oder wirtschaftlicher Weise verdient gemacht“ habe.

„Ich mag diesen Preis, weil ich Österreich mag“, erklärte Juncker dem Wiener Kurier. Und ergänzte in Anspielung auf die Zeit, als seine ÖVP-Parteikollegen durch ihre Koali­tion mit der rechtsextremen FPÖ Österreich in die Isolation getrieben hatten: „Das habe ich auch in schwierigen Zeiten nicht versteckt. Als Spezialist kleiner Räume freue ich mich, dass man zur Kenntnis nimmt, dass auch kleinere Staaten Einfluss nehmen können, wenn sie sich artikulieren.“ Aber vielleicht mag der Premier die Preisverleihung unter Souverä­nitäts­nischlern und liechtensteinisch-österreichisch-luxemburgischen Verteidigern des Bankgeheimnisses auch, weil Batliner seit Jahrzehnten Teil christlich-sozialer Seilschaften ist und als solcher hofiert wird.Im Juli 2001 war Kommissionspräsident Jacques Santer (CSV) zusammen mit seinem österreichischen Landwirtschaftskommissar Franz Fischler (ÖVP) nach Salzburg gereist, um einen „Festvortrag“ über Die Rolle der kleineren Mitgliedsstaaten in der Europäischen Union – Perspektiven und Problem aus der Sicht Luxemburgs zu halten.

Und als das Herbert-Batliner-Europa­institut 2003 ein zweitägiges Symposium an der Schweizer Universität Sankt-Gallen über den Kleinstaat als Akteur in den Internationalen Beziehun­gen organisierte, gehörte auch Romain Kirt zu den Sprechern, Santers Kabinettsmitarbeiter und inzwischen Regierungsrat in Jean-Claude Junckers Staatsministerium. Kirt referierte über den Kleinstaat im Zeitalter der Globalisierung.

Im deutschen Sprachraum gibt es eine beeindruckende Anzahl von Eu­ropainstituten mit meist christlich-konservativer Gesinnung, die dadurch in die Presse zu kommen versuchen, dass sie allerlei Europa­preise an bekannte konservative Politiker verleihen. Aber das Herbert-Batliner-Eu­ropainstitut, das im Sommer vergangenen Jahres sein zehnjähriges Bestehen feierte – Gast­redner war der stramm rechte tschechische Präsident Vaclav Klaus – sticht doch aus der Menge heraus.

Der Ende dieses Jahres 80-jährige Fürstliche Kommerzienrat und päpstliche Kammerherr Seiner Heiligkeit, Batliner, gründete die Anwaltskanzlei Dr. Dr. Batliner [&] Partner in Vaduz, zu deren Spezialitäten Treuhandgesellschaften und Stiftungen für sehr vermögende Ausländer gehören, die keine Steuern zahlen wollen. Batliner wird die Erfindung der liechtensteinischen Familienstiftung nachgesagt.

In Deutschland wurde Batliner vor allem als Vertrauter von Junckers Mentor Helmut Kohl populär. Denn Kohl und dessen CDU hatten Batliners Stiftungen gebraucht, um illegale Parteispenden zu waschen. Die Staatsanwaltschaft Bochum hatte des­halb gegen Batliner wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ermittelt und war schließlich mit einer Geldbuße in Millionenhöhe zufrieden.Doch Batliner ist schon viel länger Diener der Wissenschaften und der Christlich-Konservativen. Laut Der Spie­gel (26.09.1983) war Batliner seit 1959, seit CDU-Kanzler Konrad Aden­auer, Treuhänder des Etablissements Aspe, das die „Sozialstrukturen sämtlicher Länder Europas“ zu untersuchen vorgab, und später des Etablissements Inter-Droit, das die „völkerrechtlichen Grundlagen der Menschheit“ schützen sollte. In Wirklichkeit versorgten beide Etablissemente  wäh­rend des Kalten Kriegs die CDU mit illegalen Spenden.

Trotz aller politischen Loyalitäten  gibt es Leute und Auszeichnungen, die nicht unbedingt dem guten Ruf dienen. 

Romain Hilgert
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