Leitartikel

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d'Lëtzebuerger Land vom 23.02.2018

Am 14. Oktober soll es nicht, wie so oft, bloß darum gehen, mit welchem Koali­tionspartner die CSV weiterregiert, sondern um die Frage, ob die CSV wieder an die Hebel der Macht im CSV-Staat kommt, die ihr im Jahr 2013 ungeschickterweise entglitten waren. Deshalb führen alle Parteien bereits energisch Wahlkampf. Der Spitzenkandidat der CSV inszeniert sich rund um die Uhr entspannt staatsmännisch, um die Wirtschafts- und Familienpolitik der Regierung mit vornehmer Zurückhaltung zu kritisieren. Der virtuelle Spitzenkandidat der LSAP gibt weiter den tollkühnen Tausendsassa, der nach den Sternen greift, ohne den Mindestlohn zu vergessen. Die Grünen führen ihrer Wählerschaft vor, wie sie mit unbeirrbarem Verantwortungsbewusstsein Straßenbahnschienen legen und Füchse schützen. Die kleineren Parteien steigern ihren rhythmischen Ausstoß von Presseerklärungen.

Alle Parteien? Nein! Eine von unbeugsamen Liberalen bevölkerte Partei ist kaum im Wahlkampf zu hören. Die DP wäre in all dem Rummel gänzlich in Vergessenheit geraten, hätte sie nicht schon wieder ihren Generalsekretär ausgetauscht und wäre sie nicht die erste Partei gewesen, die mit dem heranrückenden Wahltermin die Nerven verlor und der Beamtengewerkschaft CGFP versprach, das Praktikum im öffentlichen Dienst von drei Jahren auf ein Jahr zu verkürzen. Aber ansonsten findet der Wahlkampf weitgehend ohne Zutun der Liberalen statt.

Premier Xavier Bettel erscheint als der große Abwesende der Luxemburger Politik. Ab und zu sieht man Bilder von ihm zusammen mit ausländischen Politikern oder Kunstschaffenden, aber was er so tut, was er so denkt, was er so zu den aktuellen politischen Debatten zu sagen hat, erfährt man nicht. Nachdem er 2013 überzeugt werden musste, überhaupt eine ungewohnte Koalition mit LSAP und Grünen einzugehen, hatte er klargestellt, dass sein politisches Programm sich darin erschöpft, stets alle Protagonisten an einem Tisch zu vereinen und für eine kameradschaftliche Atmosphäre im Kabinett zu sorgen. Ansonsten schien er fast willenlos alle Geistesblitze seines LSAP-Vize Etienne Schneider mitgemacht zu haben.

Aber das dürfte kaum ausreichen, um die Wähler von der Notwendigkeit einer Wiederwahl der DP zu überzeugen, umso mehr als die vier Prozent Wähler, die 2013 aus Enttäuschung über den zum unsicheren Kantonisten gewordenen Jean-Claude Juncker von der CSV zur DP gewechselt waren, nun kaum einen Grund mehr sehen dürften, nicht wieder zu dem Sicherheit verströmenden Claude Wiseler zurückzukehren. In politischer Abwesenheit des Premiers fällt die Rolle des liberalen Hoffnungsträgers langsam Finanzminister Pierre Gramegna zu, dem ehemaligen Direktor der Handelskammer, der im ersten Jahr seiner Amtszeit vor allem als politisch unbegabter Tollpatsch auf sich aufmerksam gemacht hatte. Nachdem er sich im Zuge eines rabiaten Kurswechsels mit einer Steuerreform für die Steuererhöhungen seines Zukunftspak entschuldigt hatte, soll er nun die Dankbarkeit der Wähler für die Steuersenkungen vom vergangenen Jahr einklagen und womöglich neue Steuersenkungen für die Zeit nach den Wahlen in Aussicht stellen.

Ob Pierre Gramegna damit Erfolg haben wird, ist nicht abzusehen, weil er auf wunderbare Weise den politischen Zickzackkurs der Partei verkörpert, der er erst beitrat, als er Minister werden sollte: Die Partei, die mit Unterstützung diverser Unternehmerlobbys an die Macht gekommen war und sich einen Teil des Koalitionsabkommens von Steuerberatern schreiben ließ, um das Land neoliberal durchzumodernisieren. Bis sie am Ende entdeckte, dass die Big Four noch kein Wahlrecht haben, anders als die Angestellten im Elternurlaub und die Staatsbeamten.

Romain Hilgert
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