Abkommen Regierung-UEL über den Zukunftspak

Einkaufslisten

d'Lëtzebuerger Land du 16.01.2015

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (CSV), dem es sicher nicht an Sinn für Humor mangelt, dürfte gelacht haben, als er von dem Abkommen erfuhr, das seine Nachfolger in der Regierung am Mittwoch mit dem Unternehmerdachverband unterzeichneten. Denn sie, die angetreten waren, alles anders zu machen und den Sozial­dialog wieder zu beleben, taten das, was die viel kritisierte Schlussära Juncker nach dem Ende der Tripartite kennzeichnete: Um ihr Sparpaket mit einer halben Milliarde Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen durchzusetzen, gewährten sie wenige Tage vor der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes den Gewerkschaften in einem einst „Bipartite“ genannten Treffen einen zehnprozentigen Rabatt von 57,155 Millionen Euro auf dem „impôt d’équilibrage budgétaire temporaire“ und anderen Teilen ihres Zukunftspak.

Das machte erwartungsgemäß die Unternehmerseite neidisch. Und so gönnte Pre­mier Xavier Bettel (DP) – „Ich will nicht der Premier der Bipartite sein“ – ganz in der Tradition Jean-Claude Junckers der Union des entreprises luxembourgeoises ebenfalls ihre Bipartite. Ganz oben auf der Wunschliste der UEL stand mangels Inflation ausnahmsweise nicht das Ende der automatischen Index­anpassung. Vielmehr wollten sich die Unternehmer noch immer nicht mit den wiederholten Versuchen der Regierung abfinden, das arbeitsrechtliche Einheitsstatut nach sechs Jahren zum Normalfall zu erklären und nicht mehr länger als Provisorium zu bezuschussen. Und die UEL erhielt Genugtuung: Die Regierung erklärte sich bereit, dass der Staat bis zum Ende der Legislaturperiode weiter das Defizit der Unternehmermutualität für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall der ehemaligen Arbeiter trägt, damit das Einheitsstatut kostenneutral bleibt, wie es im Tripartiteabkommen von 2006 steht. Das koste den Staat dieses Jahr 25 Millionen Euro, die so nicht im Staatshaushalt vorgesehen seien, räumte Premierminister Xavier Bettel am Mittwoch ein. Im Herbst hatte die Regierung der Mutualität bereits einen einmaligen Zuschuss von 20,5 Mil­lio­nen Euro gewährt, den staatlichen Zuschuss von 0,3 auf 0,45 Prozent erhöht und die vorgeschriebenen Mindestrücklagen von zehn  auf acht Prozent gesenkt.

Daneben versprach die Regierung am Mittwoch, das seit 1965 anerkannte gesetzliche Prinzip abzuschaffen, nachdem eine zehnjährige Berufserfahrung als eine Qualifikation angesehen wird und Putzfrauen, Maurern und Verkäuferinnen Anrecht auf den 20 Prozent höheren qualifizierten Mindestlohn geben soll. Womit der Gesetzgeber den Putzfirmen nachträglich Recht gegen ein Urteil des Berufungsgerichts verschaffen soll. Auch soll das wiederholte Anrecht auf verschiedene Formen des Sonderurlaubs aus familiären und persönlichen Gründen eingeschränkt werden. Die Betriebsweitergabe soll steuerlich behandelt werden wie eine Erbschaft, und die grünen Minister dürfen in einem zweiten Omnibus-Gesetz Umweltschutz- und Kommodoregeln abspecken. Andere wohlklingende Maßnahmen stehen schon im Koalitionsprogramm oder werden, wenn es um die Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen geht, von einer Einigung mit den Gewerkschaften abhängig gemacht.

Zwar packten Regierung und UEL ihr Abkommen werbewirksam als Programm „Entreprises partenaires pour l‘emploi“ ein, und die UEL verprach, an der Stelle von Grenzpendlern innerhalb von drei Jahren 5 000 oder 17 Prozent mehr vom Arbeitsamt vermittelte Arbeitsuchende einzustellen – wenn sie über die richtige Qualifika­tion verfügen. Aber unter dem Strich bleiben die Abkommen vom November und von dieser Woche eher Einkaufslisten von Sozialpartnern statt das, was alle Beteiligten zu  fordern nicht müde werden: das große sozialwirtschaftliche Zukunftsmodell für die Zeit nach Tanktourismus, elektronischem Handel und Steuer-Rulings.

Romain Hilgert
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