DP-Kongress

Die DP schärft ihr Profil

d'Lëtzebuerger Land du 17.05.2007

Drei Jahre nach ihrem Wahldebakel hat sich die DP trotz der personellen Erneuerung noch nicht erholt. In den Meinungsumfragen des Tageblatt liegt sie noch einige Prozentpunkte unter dem Tief von 2004. In den Umfragen des Wort übertrifft die Beliebtheit ihres neuen Präsidenten, Claude Meisch, gerade diejenige der ADR-Politiker; nach dem neuen Generalsekretär Georges Gudenburg, der die rasch verblühte Hoffnungsträgerin Agnès Durdu ablöste, war gar nicht gefragt worden.

So wühlt die Partei in ihren alten Kisten und Schachteln und kramt in ihrer Not alles hervor, was sie schon einmal an politischen Strategien ausprobiert hat: Soll es eher radikalliberal oder besser sozialstaatlich sein, eher antiklerikal oder lieber CSV-kompatibel? Am liebsten würde sie auf Nummer sicher gehen und alles zugleich sein, aber den Liberalen eilt ohnehin manchmal der Ruf der Wankelmütigkeit voraus. 

Im Studio des hauptstädtischenTheaters versuchte die Parteiführung am Samstag ihren Kurs deutlicher zu machen. Nicht nur für die Wähler in zwei Jahren, sondern zuerst für die eigenenMitglieder, die den Saal erstmals seit Jahren zu einem Drittel leer gelassen hatten. Bei jedem Grillfest einer Lokalsektion liegen sie Mandatsträgernmitder Klage im Ohr, sie wüssten nicht mehr so recht, wofür ihre Partei stehe. 

Am Samstag bekamen sie den neuen Kurs erklärt: Weg vom treuen Koalitionspartner einer CSV, der die Staatsbeamten hofierte und den Rententisch organisierte, hin zu radikal liberaleren Positionen. Auch wenn der neue Fraktionssprecher, der beliebteste DP-Politiker im Land, Charles Goerens, eher für einen sozialliberalen Kurs steht. Jenseits aller Ideologie ist einem Teil der Parteiführung immerhin bewusst, dass es der DP in wichtigen Fragen an Profil fehlt. Dafür machte sie in den vergangenen Tagen Vorschläge zur Familienpolitik, und Gudenburg verlangte ohne weitere Einzelheiten, dass der Arbeitsmarkt nicht mehr mitMedizin, sondern mit Chirurgie kuriert werden müsse.

In der Bildungspolitik reicht es der Parteiführung nicht mehr aus, dass die ehemalige Schulministerin Anne Brasseur alles madig macht, was ihre Nachfolgerin Mady Delvaux-Stehres versucht. Der ohne Gegenkandidat wiedergewählte Parteipräsident Meisch erinnerte daran, dass das letzte bildungspolitische Programm derPartei zehn Jahre alt sei. Die Partei brauche ein neues und müsse denWählern auch erklären, was sie von Delvaux’ Reformen beibehalten wolle, wenn sie einmal wieder für das Ressort verantwortlich würde.

Vielfach herrscht in der DP noch die bequeme Überzeugung vor, dass sie 1974 mit Émile Krieps den ersten Umweltminister stellte und damit in Umweltfragen bis heute nichts mehr zu beweisen hat; der Rest sei grüne Wirtschaftsfeindlichkeit. Doch in Wirklichkeit laufen ihr junge, liberal gesinnte Mittelschichtenwähler weg zu den Grünen. Meisch meinte deshalb, dass sich die DP entscheidenmüsse, ob sie den Klimawandel für Humbug oder eine Katastrophehalte. Die Grünen hat die DP schon heute als gefährliche Konkurrenten identifiziert.Meisch war von der derzeitigenErfolgswelle der zur Öko-DP mutierten Umweltpartei so angetan,dass er den Kongress am Samstag aufrief, zu „liberalen Grünen“ zuwerden, in der Hoffnung, so die Grünen überflüssig zu machen.

Statt des angekündigten Rechenschaftsberichts lieferte der ebenfallsohne Gegenkandidat wiedergewählte Generalsekretär Gudenburg eine manchmal kabarettistische Diatribe gegen die CSV. Er kritisierte nicht bloß, dass die CSV bei mehr als sechs Prozent Wirtschaftswachstum weder dem Haushaltsloch, noch der Arbeitslosigkeit Herr wird: So schlecht geführt, wäre „jeder Betrieb längst in Konkurs“. Ohne dass sie um ihre Meinung gefragt würden, werde das Geld der Leute „umverteilt und ausgegeben“. Seilschaften und Kollektivismus herrschten im Land statt Leistungund Individualismus. Dahinter stecke nicht nur ein „Mann, dermeint, sich alles erlauben zu können“. Die wirklichen Drahtzieherseien die Gewerkschaften. Denn „fast jedes Regierungsmitglied gehört einer Gewerkschaft an“, zeigte sich der Generalsekretär jener Partei empört, die 1999 der Beamtengewerkschaft CGFP ihren eigenen Staatssekretär geschenkt hatte.

Gudenburg rief auch dazu auf, das „CSV-Staatsmodell aufzukündigen“, von dem bisher gar nicht bekannt war, dass die DP sich zu ihm verpflichtet gehabt hätte. Doch der neue Kurs ist Balsam auf die Seele jenes traditionellen DP-Flügels, der nicht weniger antiklerikal ist als der Pfaffenfresser-Flügel in der LSAP und noch immer in der Nostalgie der antiklerikalen Reformkoalition von1974 bis 1979 lebt. 

Die Frage ist, ob die DP den CSV-feindlichen Kurs bis zu den Wahlen durchhält. Denn spätestens im Frühjahr 2009 dürfte irgendjemand den Taschenrechner zücken und herausfinden,dass er ziemlich riskant ist: Derzeit verfügen LSAP und DP nurüber 24 Sitze im Parlament, eine Dreierkoalition mit den Grünenkäme auf eine einzige Stimme Mehrheit. Die Grünen haben die Rechnung längst gemacht, und spätestens seit Jean-Claude Juncker angekündigt hat, auch übernächstes Jahr wieder als Galionsfigur seiner Partei herzuhalten, gehen sie äußerst schonend mit der CSV und ihrem großen Steuermann um. Die Versuchung ist für die DP also groß, im letzten Augenblick doch lieber die LSAP von der Seite der CSV als Koalitionspartner zu verdrängen und die Sozialisten als Hauptgefahr auszumachen.

 

Romain Hilgert
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