DP

Erklärungsbedarf bei der DP

d'Lëtzebuerger Land vom 25.06.2009

Der Parteitag der Demokratischen Partei an diesem Wochenende soll eigentlich ein rein statutarischer sein. Lediglich eine Minderheit des Comi­té directeur muss neu gewählt werden. Die Mandate der Parteiführung gelten bis nächstes Jahr. Aber sie weiß, dass viele Parteimitglieder am Samstag nach Steinsel kommen, um sich erklären zu lassen, was am 7. Juni schief gelaufen ist. Bei den Kammerwahlen verlor die Partei noch einmal einen Prozentpunkt Stimmen und einen Sitz, auch wenn sie sich tröstet, dass es lediglich ein Restsitz war. Und dies, nachdem sie 2004 bereits mehr als vier Prozentpunkte und fünf Sitze eingebüßt hatte. Damit ist der Einfluss der Liberalen so gering wie seit 45 Jahren nicht mehr.

Trotz der nach der Niederlage von 2004 begonnenen Erneuerung gelang es der Partei während der ganzen Legislaturperiode nicht, aus dem Formtief herauszufinden. Die ehemaligen Minister wussten nicht, ob sie ihr Erbe verteidigen oder die Regierung angreifen sollten. Frak­tions­spre­cher Henri Grethen saß auf den Koffern, um sein Amt von CSV-Gnaden am Europäischen Rechnungshof anzunehmen. Trotz personeller Erneuerung hatte Charles Goerens den Frak­tionsvorsitz übernehmen müssen, stän­dig von der eigenen Parteiführung verdächtigt, mit der Koalition zu kungeln. Generalsekretärin Agnès Durdu wurde nach kurzer Zeit in den Staatsrat abgeschoben, der ehemalige Fraktionsvorsitzende Jean-Paul Rippinger verließ daraufhin geräuschvoll die Partei.

Die Wirtschaftskrise gab der noch immer geschwächten Partei dann den Rest. Erwarteten die Wähler erfahre­ne Politiker, die das Land aus der Kri­se zu führen verstünden, hatten die meisten Kandidaten der gerade erneuerten Partei bestenfalls kommunalpolitische Erfahrung. Was um so schmerzlicher für eine Partei war, die meist mehr wegen ihrer Notabeln als wegen ihres Programms gewählt wurde. Laut Meinungsumfragen verlor die DP im Zentrum massiv Stimmen an die CSV, aber auch im Norden und Osten. Nur im Süden, wo die ganze Kampagne auf die Person von Claude Meisch gerichtet war, schien es gelungen zu sein, keine weiteren Wähler an die CSV zu verlieren und sogar LSAP-Wähler anzuziehen.

Da kann die Partei fast von Glück reden, dass es nicht zu einer Regierungsbeteiligung reichte. Denn ihre Personaldecke ist noch immer so dünn, dass sie ihre liebe Mühe ge­habt hätte, alle Ämter zu besetzen. Aus diesem Grund wäre es vielleicht schon personell gar nicht möglich, dass die Parteiführung die Verantwortung für die Wahlniederlage übernähme und ihre Ämter zur Verführung stellte.Dabei scheint die Niederlage nun jenen alten Honoratioren, welche sich seit 2004 ins Abseits gedrängt fühlen, neue Munition zu liefern, um die Erneuerung der Partei als Humbug abzutun. Ob seiner persönlichen Stimmengewinne trauen sie sich zwar nicht richtig, Parteipräsident Claude Meisch für die Wahlniederlage verantwortlich zu machen. Dafür wollen sie aber in den Stimmenverlusten zugunsten der CSV zumindest einen „Gudenburg-Effekt“ erkennen. Generalsekretär Georges Gudenburg verkörperte wie kein anderer die Strategie, nicht mehr die LSAP von der Seite der CSV verdrängen zu wollen, sondern auf Konfrontation zur CSV selbst zu gehen. Er wurde nur 16. auf der Zentrumsliste, ohne Aussicht auf einen Kammersitz.

Die weiter um ihre Autorität ringende Parteiführung dreht den Spieß dagegen um. Sie wirft ihren Kritikern vor, bei den Vorbereitungssitzungen, in denen die Wahlkampfstrategie festgelegt wurde, geschwänzt zu haben oder nicht gerade durch konstruktive Beiträge aufgefallen zu sein. So dass es nun unangebracht sei, im Nachhinein die gemeinsam beschlossene Strategie schlecht zu machen. Prominente Kandidaten hätten zudem ihren eigenen Wahlkampf geführt, eigenes Propagandamaterial verteilen lassen und sich geweigert, zentrale Punkte der liberalen Kampagne, etwa zur Fami­lienpolitik, zu übernehmen und öffentlich zu vertreten.

Den Generationswechsel haben die Wahlen nicht unbedingt vorangetrieben. Der auf neun Abgeordnete geschrumpften Fraktion fehlen zwar Colette Flesch, Charles Goerens und Alexandre Krieps, doch hinzu gekommen sind die ehemalige Ministerin Lydie Polfer und, als einziges Nachwuchstalent, André Bauler. Unter dem Strich sind die beiden zerstrittenen Lager in der Fraktion beinahe gleich stark.

Parteiexekutive und Comité directeur beschlossen am Tag nach dem Debakel, niemand verantwortlich zu machen und, statt auf einen Korb von der CSV zu warten, lieber gleich auf eine Regierungsbeteiligung zu verzichten. In der ersten Sitzung der neuen Fraktion wurde dann der hauptstädtische Schöffe Xavier Bettel ohne Gegenkandidaten zum Fraktionsvorsitzenden und damit zum Nachfolger von Charles Goerens gewählt. Auch wenn Claude Meisch weiterhin mandatierter Redner zu den großen landespolitischen Fragen bleiben dürfte. Denn „Xaff“ ist bisher eher als unermüdlicher Selbstdarsteller denn als gewiefter Parteistratege bekannt geworden.

Dank Bettels persönlichem Wahlerfolg im Zentrumsbezirk soll nun an Stelle des Duos Claude Meisch und Georges Gudenburg das Duo Claude Meisch und Xavier Bettel die erneuerte DP nach außen verkörpern. Auch wenn manche altgedienten Honoratioren warnen, dass die DP dadurch, ausgerechnet in der Krise, ein Stück weiter in die Nähe einer Spaßpartei gerückt wird, ähnlich der deutschen FDP.

Romain Hilgert
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