Rotarex Automotive

Sirius kommt ohne Gummi aus

d'Lëtzebuerger Land vom 02.02.2006

Rotarex Automotive Sirius ist in den silberfarbenen Metallzylinder eingraviert, der so klein ist, dass man ihn mit einer Hand umfassen kann. Der Sirius ist der Prototyp eines Druckreglers für erdgasgetriebene Fahrzeuge, den die Automotive-Branche der Rotarex Group in Lintgen entwickelt hat, „und dass er viel kleiner ist als die bislang marktüblichen Druckregler, macht schon mal einen Unterschied aus“, sagt Frank Wies, Managing Director von Rotarex Automotive.

Allerding nicht den Hauptunterschied. Druckregler sind eine wichtige Baugruppe in Erdgasantrieben. Zum einen müssen sie den Gasdruck mindern: In den Vorratsflaschen wird das Gas unter einem Druck von 200 bar aufbewahrt. Um im Motor verbrannt werden zu können, muss es entspannt werden, und je nach Einspritztyp des Gasmotors darf der Druck dann nur noch drei oder acht bar betragen. Zur Druckminderung kommt – zweitens – die Druckregelung: die drei beziehungsweise acht bar müssen konstant zur Verfügung stehen. Auch dann, wenn in den Gasflaschen der Vorrat zur Neige geht und der Fahrer des Erdgas-Autos mal eben kräftig Gas gibt. Bricht der Druck an den Einspritzventilen in einem solchen Fall zusammen, beginnt der Motor zu „stottern“. Denn eine Pumpe, die im System für einen gleich bleibend hohen Vordruck sorgt wie in Diesel- oder Benzinantrieben, gibt es in Erdgasmaschinen nicht.

Sirius in seinem mechanischen Aufbau so zu optimieren, dass er einen Motor nicht stottern lässt und dabei den Gasvorrat optimal ausnutzt, nahm denn auch einen großen Teil der zweieinhalbjährigen Entwicklungszeit in Anspruch. Beteiligt an den Arbeiten ist auch das Team des Fluidtechnik-Labors im Fachbereich Technik der Fachhochschule Trier unter der Leitung von Professor Harald Ortwig. Mit der FH kooperiere man schon länger, sagt Frank Wies. Die regelungstechnische Analyse des Sirius-Prototyps an einem eigens dafür aufgebauten Prüfstand und sein Test unter simulierten Praxisbedingungen mit Hilfe einer speziellen Mess-Software, die in Trier schon seit Jahren benutzt wird, sind Forschungsaufträge, die Rotarex Automotive an die FH vergeben hat.

In einer ausgeklügelten Mechanik besteht die Innovation des Reglers aus Lintgen. Ein Gasdruckregler wird im Innern über Membranen verstellt. Üblich sind bislang Regler mit Elastomer-Membranen, einer Art Gummi. Doch wenn sich das Gas von einem Druckniveau von 200 bar auf eines von acht oder drei bar entspannt, kommt es zu einem enormen Temperatursturz im Regler. In der Physik wird diese „Kälteentwiicklung“ Joule-Thompson-Effekt genannt. Seine Auswirkungen sind in den Druckreglern von Erdgasantrieben so stark, dass sie vom Kühlwasser des Motors gewärmt werden müssen. Geschähe das nicht, würden die Elastomer-Membranen im Regler erstarren und brechen. Sirius jedoch benötigt keine Zusatzwärme. Der Regler aus Lintgen kommt ohne Gummi aus, seine Membranen bestehen aus einem speziellen Edelstahl. Die Lösung ist zum Patent angemeldet und eine Synergie des Hauses: Zum Entwicklungs- und Fertigungsportfolio der Rotarex Group gehören unter anderem auch Ventile für den Einsatz in kältetechnischen Anlagen. Das Tieftemperatur-Knowhow wurde zur Konstruktion von Sirius genutzt.

„Als wir den Regler im vergangenen Herbst auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt vorstellten, wollten uns Vertreter der Autohersteller gar nicht glauben, dass er funktioniert“, erinnert sich Frank Wies. „Denn mit seinem Aufbau ist er nicht nur weniger anfällig gegenüber Störungen, sondern auch aus weniger Bestandteilen zusammengesetzt und damit preiswerter zu fertigen als die bislang gebräuchlichen Gasdruckregler.“

Noch in diesem Jahr soll das Serienmodell von Sirius verkauft werden. Mehrere Hersteller von Erdgasfahrzeugen seien interessiert, sagt Frank Wies, „längst nicht nur DaimlerChrysler, mit dem wir unsere Entwicklung gemeinsam in einem Test-Mercedes erproben“. Und womöglich ließen sich mit dem neuen Regler Erdgasantriebe noch weiter optimieren. Wegen der nicht mehr nötigen Wärmezufuhr muss Sirius nicht in der Nähe des Motorblocks montiert werden, um Kühlwasser zu beziehen. Was laut Frank Wies nicht nur ein konstruktiver Vorteil ist, sondern die Möglichkeit bietet, weitere Module zur Beeinflussung des Antriebs an Sirius anschließen zu können.

Eventuell könne der Regler, meint Wies, zu einer so genannten „mechatronischen“ Lösung werden, einer mechanischen plus elektronischen, die der Bordcomputer des Fahrzeugs steuert. Doch das ist noch Zukunftsmusik – nicht, weil es technisch schwer machbar wäre, sondern weil die Hersteller von Erdgasfahrzeugen an solch komplexen Antrieben noch nicht interessiert sind. „Man legt noch immer Wert auf Einfachheit“, sagt Frank Wies, und das werde sich wohl erst ändern, wenn sich Erdgasantriebe stärker durchsetzen.Technisch ist das möglich: Schon der erste Ottomotor wurde 1872 mit Methan, dem Hauptbestandteil von Erdgas, betrieben. Jeder Otto-Benziner lässt sich ohne weiteres auf Erdgas umrüsten, und Hersteller wie Ford, Opel, Fiat, VW oder Volvo bauen schon seit Jahren Erdgas-Pkw in Serie. Ein entscheidender Parameter für die Zukunft von Erdgasfahrzeugen dürfte die Entwicklung der Kraftstoffpreise sein. Bei rund 70 Cents liegt in Luxemburg zurzeit der Preis für ein Kilogramm Erdgas, was dem Leistungsäquivalent von eineinhalb Litern Benzin entspricht. Ein weiteres Kriterium würde eine ökologisch orientierte Fahrzeugsteuer darstellen.

Verglichen mit der aufwändigen Raffinierung zur Produktion von Benzin und Diesel ist der Energieeinsatz zur Erdgaskomprimierung geringer. Erdgasmotoren liegen in ihrer Schadstoffbilanz auf dem Stand modernster Otto-Motoren, die bereits heute die Grenzwerte der neuen Euro-4-Norm erfüllen. Beim Ausstoß von Treibhausgasen liegen Erdgas- und Dieselmotoren gleichauf, und verglichen mit Benzinern um fünf bis 20 Prozent günstiger.

 

Peter Feist
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