Junge Leserinnen und Leser über das Lëtzebuerger Land

D’Letzland, du Hauli!

d'Lëtzebuerger Land du 20.12.2013

Wer Studien zu Lesegewohnheiten junger Leserinnen und Leser liest, könnte dem Trugschluss erlegen, diese Spezie gebe es nicht mehr. Oder zumindest sei sie am Aussterben. Zwischen Fernsehbedienung, Gratiszeitung, Smartphone und Internet scheint die wöchentliche gedruckte Zeitung wie ein Museumsstück.

Eine Studie des britischen National Literacy Trust hat die Lesegewohnheiten von knapp 35 000 Kindern im Alter zwischen acht und 16 Jahren untersucht und herausgefunden: Zum ersten Mal in der Geschichte lesen die Jungen mehr Inhalte über Computer und andere elektronische Bildschirme als sie Gedrucktes, Bücher, Zeitungen oder Comics, lesen. Die Ergebnisse gelten für Großbritannien, das dem Kontinent in Sachen Digitalisierung von jeher einen Schritt voraus war. Und das Land wird von den Kleinen eh nicht gelesen. Eine Zielgruppe sind die Acht- bis 16-Jährigen jedenfalls nicht.

Was nicht heißt, es gebe keine jüngeren Land-Leser. Klar gibt es sie. Wir sind sogar schon welchen begegnet. Zum Beispiel Luc M. In einem Café am Aldringen sitzt er, die Beine lässig übereinander geschlagen. 18 Jahre alt ist er und besucht eine Schule auf dem Limpertsberg. Das Land liest Luc, „weil es mir mehr Analysen als beispielsweise das Tageblatt oder Luxemburger Wort bietet.“ Obwohl es „oft klare politische Standpunkte vertritt, wirken diese besser recherchiert und nicht so parteiisch“. Lesen tut er die Wochenzeitung auf Papier zuhause: „Da haben wir einen großen Küchentisch“, sagt er. Kim G., ebenfalls Schüler und sporadischer Land-Leser, schreibt auf Land-Anfrage, Wünsche und Verbesserungsvorschläge vorzubringen: Nicht jeder habe so einen großen Tisch daheim. Auf der Ipad-App lesen will Luc das Land derzeit nicht: Seine Eltern hätten das Land abonniert, deshalb lese er es zuhause. „Vielleicht würde ich mir später, wenn ich mal ausziehe, ein Abo zulegen“, überlegt er laut. Andere hätten gerne eine Android-App, damit die Zeitung auch auf anderen Tablets lesbar wird und nicht nur auf dem Ipad.

Das XL-Format und der – beschränkte – Online-Vertrieb – das sind wiederkehrenden Themen, gerade bei den jüngeren Lesern. „Wie groß ist das Land eigentlich“, fragt einer auf Twitter: „Vom Norden zum Süden oder vom Westen zum Osten gemessen“, fragt ein Scherzkeks scheinheilig. D’Letzland (so heißt d’Land auf Twitter, die Redaktion) meine er, „du Hauli!“, wird zurückgedisst. Auf jeden Fall „etwas zu groß und relativ unhandlich“, kontert ein nächster per Tweet. Student Patrick K. schreibt halb im Witz, halb im Ernst: „Ich muss leider zustimmen, die Bänke im Hörsaal sind einfach zu klein.“

Es gibt auch andere Stimmen. Das Redesign des Layouts sei gelungen und das Format immens, „Zeitunglesen sollte ein wohl überlegter Prozess sein, je unhandlicher desto besser“, verteidigt Chris P. das neue Format. Und dass die Fotos von Land-Fotograf Patrick Galbats besser zur Geltung kommen, darüber besteht weitgehend Einigkeit.

Aber die Papierversion ist und bleibt wohl gerade für die jungen Leserinnen und Leser, die ihr Feedback über Twitter und Facebook zwitschern oder posten, die zweite Wahl. Sie lesen die Wochenzeitung als App auf dem Ipad, im Bus oder im Café. Ob überhaupt Geld für Informationen ausgegeben werden muss, ist ebenfalls Thema. „Ich lese nur Informationen, die ich gratis und legal aus dem Internet bekomme“, schreibt Jeff C. auf Facebook. Auch die Enthüllungen um die Geheimdienstaffäre und das abgehörte Gespräch zwischen dem ehemaligen Premier Jean-Claude Juncker und dem damaligen Geheimdienstchef, das das Land als erstes Medium abdruckte? „Srel-Wiki hat vieles zusammengefasst“, so seine Antwort. Dort stehen wohl zwei Artikel der damals noch beim Land tätigen Journalistin Véronique Poujol. Doch der Artikel, mit dem alles begann, ist nicht dabei. Weil sich die anonyme Plattform auf die Printpresse beschränkt, fehlen auch Beiträge des Radios 100,7.

Die Srel-Affäre und die vorgezogenen Wahlen mitsamt den Koalitionsverhandlungen und der Regierungsbildung seien der Knüller des vergangenen Jahres gewesen. „Für mich war es ein Grund, die Zeitung aufmerksamer und regelmäßiger zu lesen“, gibt Lotus C. zu, eine Post-Doktorandin der Uni Luxemburg. Eine andere Neu-Leserin nennt den Artikel zum OP-Roboter als den, der sie „persönlich überzeugt“ habe. Dass die Zeitung Hintergründe zu Wickringen-Liwingen und den Srel recherchierte und sich nicht mit Beteuerungen von Politikern zufrieden gab, rechnen junge Leser dem Land hoch an: „Die Srel-Affäre hat deutlich gezeigt, warum unabhängige Medien absolut nötig sind. in jeder Demokratie“, schreibt Tanja F. Sie liest das Land seit August regelmäßig und wünscht sich, dass die Zeitung „ihren kritischen Blick behält und konsequent umsetzt.“ Übrigens, während der Srel-Enthüllungen verzeichnete die Zeitung mit die höchsten Kioskverkäufe überhaupt in ihrer Geschichte und war binnen Tagen ausverkauft.

Für manche ist die Artikelgröße eine Herausforderung. Einige junge Leserinnen und Leser meinen, dass das Gros der politischen Artikel „ein bisschen zu lang sind“, wie Cátia G. schreibt. Auch mehr Einteilungen und aktualitätsungebundene Wochendossiers werden gewünscht. Tanja F. widerspricht: Das Verhältnis zwischen kurzen und langen Artikel sei „gut ausgewogen“, diese seien gut recherchiert, die Themen „breit gefächert und mit wahrhaftigem Interesse geschrieben“. Sie wünscht sich aber mehr Illustrationen und Karikaturen von wechselnden ZeichnerInnen.

Als Highlight, das gerne als erstes gelesen wird, nennen viele die Seite vier mit dem Leitartikel, den Kurznachrichten, Kulturbegeisterte lesen gerne den Tablo de bord, mit Tipps zur Luxemburger Kulturszene.

Das alles sind freilich Eindrücke, die nicht repräsentativ sind. Eine Leser-Umfrage unter Land-Leser gibt es nicht. Und wenn, würde sie vom Land bestimmt so kritisch analysiert, wie andere Meinungsumfragen auch.

Wahrscheinlich sind ohnehin ähnliche Ergebnisse zu erwarten wie in anderen Ländern: dass jüngere Leser tendenziell kürzere Texte lesen, dass die netzaffine Generation für Informationen nicht unbedingt bezahlen will – einfach weil sie es schon gewohnt ist, für vieles nicht zu bezahlen. Für Luxemburgs Zeitungen, wo Pressehilfe an die schriftliche Ausgabe gebunden ist, ist das keine gute Nachricht. Andererseits: Das Land ist die einzige Zeitung, deren Leserzahl in den vergangenen Jahren trotz Zeitungskrisen und Finanzflaute stabil geblieben ist. Das an sich ist schon ein toller Erfolg.

Ines Kurschat
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