Die Referendumsfrage

Erfahrungssache

d'Lëtzebuerger Land du 06.02.2015

Wie die liberale Regierung die Konvention mit verschiedenen Glaubensgemeinschaften über die Priestergehälter, den Religionsunterricht und die Kirchenfabriken abschloss, stellt zweifellos ihren bisher größten politischen Erfolg dar. Möglich wurde das nicht zuletzt, weil sie das Erzbistum und die CSV taktisch geschickt mit der Referendumsfrage über die Priestergehälter unter Druck gesetzt hatte. Der Preis dafür ist allerdings, dass der parlamentarische Ausschuss für die Institutionen und Verfassungsrevision vor 14 Tagen Änderungsanträge zum Gesetzesvorschlag über das Referendum vom 7. Juni guthieß, laut denen die vierte Frage, diejenige über die staatliche Entlohnung der Priester, beziehungsweise der „Kultusdiener“, wie sie in der verbesserten Textfassung heißen sollten, fallen gelassen wird.

Die offenbar von vornherein von der Regierung in Kauf genommene Folge ist, dass das Referendum zu schrumpfen begonnen hat, und die demnächst zum 7. Juni aufgerufenen Wähler den Eindruck bekommen können, dass das Referendum dabei ist, zu einer leeren Hülse zu werden. Vor anderthalb Jahren hatte die liberale Koalition angekündigt, dass das Referendum ein Höhepunkt gelebter Demokratie werde und die Regierung, anders als die politische Konkurrenz, „keine Angst vor dem Wähler“ habe. Nun vermittelt sie den Eindruck, dass die Volksbefragung nur ein politischer Schachzug unter anderen ist und sie die Wähler nur dann um ihre Meinung fragt, wenn es ihr gerade in den Kram passt.

So erklärte der parlamentarische Ausschuss nicht nur die entsprechende Referendumsfrage für „superfétatoire“ – die Lieblingsvokabel Luxemburger Rechtsgelehrter – sondern lehnte auch alle Vorschläge ab, sie in eine Frage über die Trennung von Kirche und Staat umzuwandeln oder durch eine andere zu ersetzen. Dabei kann man dem Ausschuss nicht vorwerfen, dass er sich keine Mühe gegeben hätte. Während zwei Sitzungen diskutierte er beispielsweise darüber, ob in der luxemburgischen Textfassung der ersten Frage „Walen“ mit oder ohne H geschrieben werden soll und ob eine Verwechslung mit deutsch: Walen vermieden werden müsse, wobei er sich nicht sicher war, ob er im Artikelkommentar die gemeinten Meeressäuger als „poissons“ oder „baleines“ bezeichnen sollte.

Doch nicht nur die Regierungsmehrheit tut sich schwer mit dem Referendum. Der CSV geht es nicht viel besser. Sie hatte schon vergangenes Jahr herausgefunden, dass die vier Referendumsfragen alle gegen sie gerichtet sind, und aus der Schmollecke heraus „viermal Nein“ zum Referendum gerufen. Doch fast zur gleichen Zeit hatte sie bei der Marktforschungsfirma TNS-Ilres eine Umfrage gekauft, die inzwischen ergab, dass die Wähler sich von den Christlich-Sozialen eine weltoffene und kons­truktive Oppositionspolitik wünschten. Am nächsten Montagabend kommt nun der Nationalrat der Partei in Junglinster zusammen, um noch einmal über ihre taktisch ungeschickte Trotzhaltung zu diskutieren.

Werden genügend Wähler diesem allzu durchsichtigen Taktieren überdrüssig, könnten die Regierung wie die Opposition am 7. Juni an die wichtigste Lehre erinnert werden, die im Laufe der Geschichte aus Referenden gezogen wurde: dass sie als politische Instrumente meist anders ausgehen, als bezweckt. Das gilt für die Volksbefragung über die Wirtschafts­union nach dem Ersten Weltkrieg, für das Referendum über das Maulkorbgesetz 1937, um ein Haar für das Referendum über den Europäischen Verfassungsvertrag vor zehn Jahren und selbst für die als verkapptes Referendum geplante faschistische Personenstandsaufnahme 1941. Auch die Mehrheit der Referenden im anderen Ländern endeten anders, als von ihren Initiatoren geplant.

Romain Hilgert
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