Warum Sammler gegen das neue Waffengesetz kämpfen

Die Waffe als Anlage

d'Lëtzebuerger Land du 11.10.2019

Streit Als der damalige Justizminister Félix Braz im März (déi Gréng) den Gesetzentwurf 7425 im Parlament hinterlegte, wussten sie, dass sie aktiv werden müssen: Sportschützen, Jäger, Waffensammler. Die, die im Ausland gemeinhin als Waffenlobby bezeichnet werden. Sie trafen sich und beschlossen, eine Kampagne zu starten. Denn der Entwurf des grünen Ministers war nichts weniger als eine Kampfansage an die Waffenbesitzer in Luxemburg.

Wer mit ihnen reden will, erhält als Vorabhinweis: „Wir sind keine Rambos, keine Waffennarren, keine Cowboys.“ Sie wollen nicht missverstanden werden. Es handelt sich bei Waffen keineswegs um Spielzeug, sondern um potentiell gefährliche Objekte. Aber Waffen sind ihr Hobby, und das soll auch so bleiben.

Von Mitte März bis Mitte Juli tobte ein Konflikt zwischen Waffenlobby und dem grünen Minister: in den sozialen Medien, in der Presse, im Parlament. Und schließlich auch im Staatsrat. Es war ein Ringen und Zerren um die Gunst der öffentlichen Meinung mit dem Ziel, die Gesetzgebung zu beeinflussen. Und es war das okkulte Gremium aus dem 19. Jahrhundert, das den Streit vorerst zugunsten der Waffenbesitzer entschied. Der Staatsrat belegte den Entwurf zum neuen Waffengesetz mit 19 Oppositions formelles und bremste damit das ambitionierte Vorhaben von Justizmister Braz aus, den Waffenbestand in Luxemburg zu minimieren durch die wohl restriktivste Gesetzgebung in Europa.

Bataclan Der Hintergrund dieser Geschichte ist die so genannte Bataclan-Richtlinie. Am 13. November 2015 starben 90 Menschen im Pariser Club Bataclan bei einem Attentat. Wie schon 2011 bei den Terroranschlägen in Norwegen wurden die meisten Opfer nicht mit Sprengstoff, sondern mit Handfeuerwaffen ermordet. Die europäischen Regierungen sahen das als Anlass, politisch zu reagieren. Und sie einigten sich darauf, eine Richtlinie auszuarbeiten, um die Anzahl der Waffen in der EU zu reduzieren. Nach dem Grundsatz: je weniger Waffen, desto besser.

Es dauerte rund anderthalb Jahre, bis die Bataclan-Richtlinie im Rat und im EU-Parlament zur Abstimmung gebracht wurde. Dabei sprachen sich drei Staaten überraschenderweise dagegen aus: Tschechien, Polen – und Luxemburg. Während Tschechien und Polen sich generell gegen eine Verschärfung des Waffenrechts stemmten, war die Motivation von Luxemburg eine vollkommen andere. Justizminister Félix Braz ging die Richtlinie nicht weit genug. Er sprach damals von einem „faulen Kompromiss“. Der Waffenlobby sei es gelungen, den Text zu verwässern. Was ihn störte: Der Text verschärfte zwar den Erwerb neuer Waffen – für alte Waffen, die vor dem 13. Juni 2017 erworben wurden, galten jedoch die früheren Regeln. Es war eine Verlängerung des Status quo.

Laut europäischen Verträgen müssen die Staaten die Richtlinie in nationales Recht umsetzen, haben dabei aber einen gewissen Spielraum. Und Braz hatte diesen genutzt. Der Entwurf, den der Minister im März vorlegte, ging deutlich über die Richtlinie hinaus. Die Sonderreglung für Waffen vor 2017 etwa hat er getrost ignoriert. Der Entwurf macht keinen Unterschied zwischen „neuen“ und „alten“ Waffen. Und er macht auch keinen Unterschied zwischen historischen Militärwaffen zu Sammelzwecken und modernen Waffen. Maschinengewehre aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg sollten fortan auf dem Index stehen.

Zudem definiert der Entwurf sehr detailliert in 37 Kategorien, was erlaubt ist und was nicht. Der Kauf halbautomatischer Waffen mit großem Magazin oder einer gewissen Länge wäre künftig nicht mehr möglich. Doch nicht nur Feuerwaffen, auch viele Blankwaffen wie Messer und Dolche sollten verboten werden.

Neutralisierung Félix Braz hatte sich mit seinem Alleingang mächtige Feinde gemacht. In Luxemburg gibt es rund 15 000 Waffenbesitzer quer durch alle Schichten: Arbeiter, Handwerker, Beamte, Ärzte, Anwälte, Parlamentarier. Sie sind hervorragend vernetzt, gut organisiert und gehen äußerst professionell vor, um ihren Einfluss auszuüben. „Die Grünen wollen den privaten Waffenbesitz vollkommen verbieten“, hieß es etwa damals von Pit Kaiser, dem Präsident der Scal, der Gesellschaft der Waffensammler in Luxemburg, die rund 170 Mitglieder zählt. Kaiser sowie viele andere Waffenbesitzer zeigten zwar grundsätzlich Verständnis für ein neues Gesetz, aber der Entwurf von Braz war für sie eine „vollkommene Übertreibung“. Der Minister würde über das Ziel hinausschießen, so der Tenor.

Das Problem der Waffenbesitzer lässt sich vor allem unter einem Begriff subsumieren: „Neutralisierung“. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass unerlaubte Waffen „neutralisiert“ werden müssen. Das heißt, sie müssen so entstellt werden, dass sie nicht mehr gebrauchsfähig sind. Dadurch verlieren diese historischen Objekte laut Kaiser ihre „Seele“, ihren kulturhistorischen Kern, aber vor allem ihren Wert. Zustand, Geschichte und Provenienz eines Objektes sind jedoch für den Wert einer Waffe entscheidend. Auf dem internationalen Markt lässt sich mit den entstellten Sammlerobjekten kein Gewinn mehr erzielen. Die Sammler sprechen deshalb von „Enteignung“.

Zukunft Und der Staatsrat gab den Waffenbesitzen in ihrer Argumentation recht: Er stellte unter anderem die Neutralisierung von historischen Waffen in Frage und sah darin die Eigentumsrechte der Besitzer gefährdet. Tatsächlich gibt es in Luxemburg offiziell rund 95 000 Waffen, die sich auf knapp 15 000 Waffenbesitzer aufteilen. Manche Sammler verfügen über eine Privatsammlung mit historischen Objekten im Wert von 50 000 Euro, heißt es aus Kreisen von Waffenbesitzern. Sie betrachten ihre Waffen als Anlage. Darunter sind Experten zufolge auch viele Waffen aus dem Zweiten Weltkrieg, die nach dem Abrücken der Streitkräfte in den Wäldern des Öslings herum lagen. Der Gesetzentwurf sah zwar eine Übergangszeit von wenigen Jahren vor, die es den Sammlern erlauben würde, ihre entstellten Originale auf den Markt zu bringen, aber das überzeugte den Staatsrat nicht.

Justizminister Braz musste demnach eine Niederlage einstecken, in seinem Bestreben den Waffenbestand zu reduzieren. Im Sommer führte er weitere Gespräche und begann den Text, mit Blick auf die Kritik des Staatsrats zu überarbeiten. Braz wird aufgrund der Folgen eines Herzinfarkts nicht mehr als Justizminister zurückkehren, nun liegt das Dossier bei der neuen Justizministerin Sam Tanson. Aktuell habe das Waffengesetz nicht oberste Priorität, heißt es aus Kreisen der Justizministerin. „Es gibt noch kein neues Datum, wann der Text wieder im Justizausschuss debattiert wird“, sagt Stéphanie Empain (déi Gréng), die designierte Berichterstatterin des Gesetzes. Doch insgeheim gilt: Es gibt eine Zukunft für Waffensammler in Luxemburg.

Pol Schock
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