Landesplanung praktisch

Die regionale Frage

d'Lëtzebuerger Land du 18.11.2011

In den Programmen der Parteien zu den Wahlen 2009 gab es in den Kapiteln zur Landesplanung eine Art rot-blau-grüne Koalition: LSAP, DP und Déi Gréng versprachen, „alle sechs Regionalpläne“ aufzustellen. Die CSV schwieg dazu. Dagegen war am Mittwoch, als der parlamentarische Nachhaltigkeitsausschuss die Reform des Landesplanungsgesetzes besprach, nur der Grünen-Vertreter Camille Gira unzweideutig für die Beibehaltung der Regionalplanung.

Was technisch klingt, ist auch von Belang für die Bürger. Das Landesplanungsgesetz von 1999 unterscheidet zwei Planungsansätze – einen „sektoriellen“ des Staates und einen „regionalen“ von Gemeinden und Staat zusammen. Der sektorielle Ansatz ist hoheitliche Sache des Staates. Er hat bisher zu Plänen über die Verteilung von Lyzeen, Bauschuttdeponien und Mobilfunkantennen über Land geführt, und zu Plan-Vorentwürfen über schützenswerte Landschaften, Transportwege, Gewerbegebiete und Wohnungsbauschwerpunkte. Regionalpläne sollten in den sechs Planungsregionen von Nord bis Süd entstehen, in die das Land eingeteilt ist. Weil dabei Staat und Gemeinden kooperieren sollen, ist dieses Bottom-up-Modell am ehesten geeignet, auch die Bürger in Planungsdinge einzuweihen, die über die Grenzen ihrer Gemeinde hinausreichen.

Doch zwölf Jahre nach Inkrafttreten des aktuellen Landesplanungsgesetzes gibt es noch immer keinen einzigen Regionalplan und noch nicht mal einen Vorentwurf. Deshalb, findet der Staatsrat in seinem Gutachten zur Reform des Landesplanungsgesetzes, sollte man die Regionalplanung am besten abschaffen. Nicht, weil der Staatsrat etwas gegen sie hätte. Sondern weil er Rechtsunsicherheit kommen sieht: Die staatlichen Sektorpläne seien schon so weit gediehen, dass Regionalpläne, falls sie in absehbarer Zeit geschrieben würden, schwerlich auf gleicher Höhe mit den staatlichen stehen könnten. Dem geltenden Gesetz nach sollen sie das aber; beide Sorten Pläne machen den Gemeinden verbindliche Vorschriften für deren eigene Planungen auf kommunaler Ebene. Mit dem Unterschied, dass an den Regionalplänen die Gemeinden mitgewirkt hätten – in Kooperation mit anderen Gemeinden.

Dass die Analyse des Staatsrats nicht so leicht von der Hand zu weisen ist, dürfte aber nicht der einzige Grund dafür sein, dass sie im Nachhaltigkeitsauschuss auf einiges Verständnis bei CSV, LSAP und DP gestoßen ist. Es hat auch damit zu tun, dass Bürgermeister und Schöffen mit Abgeordnetenmandat, die schon mit Versuchen zu tun hatten, regional zu planen, aus Erfahrung wissen: Dabei will der eine mehr für seine Gemeinde herauschlagen, während der andere fürchtet, zu kurz zu kommen. „Vielleicht“, sagt die Escher députée-maire Lydia Mutsch, sei eine „lockerere“ Veranstaltung, in der alle Beteiligten sich heraussuchen, was man gemeinsam plant, ja „zukunftsfähiger“ als die Verpflichtung zum großen Regionalplan, der von Wohnbauten bis zu gemeinsamen Transportpolitiken quasi alles umfasst. Bei Prosud, dem bisher einzigen interkommunalen Planungssyndikat, führte der Versuch, einen Regionalplan Süd als Vorbild fürs ganze Land zu entwickeln, lediglich zu einer Raumvision Côte du Sud in einer Hochglanzbroschüre, in der gemeinsam mit Experten von der Uni Hannover der Landessüden als Küstenregion mit Esch als „Zentralhafen“, Kayl als „Meerenge“, Beles als „Strand“ und Foetz als „künstlicher Insel“ halluziniert wurde.

Während der Grüne Gira warnt, bei so viel Freiwilligkeit sei „flächendeckende Planung“ von unten her als Ergänzung zu der des Staates nicht mehr möglich, scheint die Tendenz bei CSV, LSAP und DP in eben diese Richtung zu gehen. Doch eine ganz lockere Regionalplanung will auch die Regierung nicht. Denn die Sektorpläne halten nicht alles fest,
die genauen Standorte regionaler Gewerbegebiete zum Beispiel nicht. Im Nachhaltigkeitsministerium kann man sich deshalb vorstellen, Regionalpläne thematisch „gezielt“ zu initiieren. Auch zu bestimmten Infrastrukturen, die mit staatlicher Unterstützung in jeder Gemeinde zu schaffen, Geldverschwendung wäre, sie nur in den größten Städten zu haben, dagegen zu wenig Dienst am Bürger: „Wir wollen eine ausgeglichene Entwicklung über Land“, lässt Nachhaltigkeitsminister Claude Wiseler (CSV) auf Anfrage ausrichten. Der vom Staatsrat befürchteten Rechtsunsicherheit ließe sich vielleicht vorbeugen, indem man im Gesetz festhält, die Pläne des Staates hätten Vorrang. Aber so pragmatisch plausibel das wäre: Ein Verlust an Transparenz und Demokratie wäre es auch. Und Skandale um Projekte wie Liwingen zeigen, dass es nicht schadet, seine Hoheit, den planenden Staat, von unten her bei seinem Tun zu begleiten.

Peter Feist
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