EU-Datenschutz-Grundverordnung

Ein Datenschutz für alle

d'Lëtzebuerger Land vom 26.07.2013

Selbstbewusst trat die EU-Justizkommissarin Viviane Reding nach dem informellen Treffen der Justiz- und Innenminister in Vilnius vor die Presse. Sie lobte die deutsch-französische Initiative, einen besseren Datenschutz zu fordern, das Ratstreffen habe „den Bürgern ein starkes Signal gesendet“, und sie legte selbst noch einmal nach: In einem Interview mit der Bild-Zeitung verteidigte sie die Haltung von Kommission und Parlament in der NSA-Affäre, die „die einzigen waren, die sich für einen starken Datenschutz für unsere Bürger“ eingesetzt hätten. Es sei die Kommission gewesen, „die als erste gesagt hat: Partner spionieren einander nicht aus“, so Reding, die sich zudem traute, was bisher kaum ein Politiker gewagt hat: Sie erwies dem Whistleblower Edward Snowden sogar ausdrücklich ihren „Respekt vor seinem Mut“.

Die gewiefte Politikerin tut das freilich nicht ohne Hintergedanken. Dank der Enthüllungen durch den ehemaligen NSA-Mitarbeiter hat eines ihrer wichtigsten Projekte neuen Aufwind erfahren: die Neufassung der Datenschutzrichtlinie von 1995. Bereits im Januar 2012 hatte Reding den Kommissionsentwurf offiziell vorgestellt, Vorversionen waren schon im frühen Winter 2011 durchgesickert und hatten prompt für kontroverse Diskussionen gesorgt.

Der Entwurf verspricht, die Rechte des Einzelnen zu stärken, über seine persönlichen Daten zu verfügen. So sollen beispielsweise Firmen verpflichtet sein, Auskunft zu geben, welche persönlichen Daten sie für welche Zwecke speichern. Kunden sollen ihre Daten einsehen und verändern oder, etwa in sozialen Netzwerken, auf Wunsch auch wieder löschen dürfen. Die Nutzung und Herstellung von Profilen durch die Verknüpfung unterschiedlicher Informationen soll untersagt werden können, grundsätzlich soll jede Speicherung nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Betroffenen geschehen. Firmen ab 250 Mitarbeitern sollen eigene Datenschutzbeauftragte aufstellen, die mit unabhängigen nationalen Datenschutzbeauftragten kooperieren und schwerer kündbar sind.

Vor allem dass die neue Regelung eben keine Richtlinie sondern eine Verordnung ist, sorgte bei verschiedenen EU-Ländern für erhebliche Bedenken. Anders als eine Richtlinie, die den Mitgliedstaaten einen gewissen Handlungsspielraum bei der Umsetzung überlässt, ist eine Verordnung unmittelbar in nationales Recht umzusetzen. Die Kommission begründet dies damit, so die verschiedenen natio-nalen Datenschutzregelungen harmonisieren zu können. Ein einheitlicher europäischer Datenschutz, so die Argumentation, würde die Verhandlungsposition gegenüber Drittstaaten wie den USA stärken, für Rechtssicherheit in ganz Europa sorgen und käme somit allen zugute.

Doch die Verhandlungen schleppten sich hin, insbesondere die für ihren starken Datenschutz bekannten Deutschen fürchteten eine Aufweichung ihrer Datenschutzregelungen, sowie eine Schwächung des Bundesverfassungsgerichts. Das hatte nicht zuletzt mit seinem Entscheid zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung den hohen Schutz von personenbezogenen Daten unterstrichen. Umso erfreuter zeigte sich Reding, dass plötzlich auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel, sonst eher Bremserin, aber durch die BND-NSA-Verbindung im eigenen Land unter Druck und auf Wahlkampftour, sich für eine einheitliche europäische Regelung ausspricht. Luxemburgs noch nicht aufgelöste schwarz-rote Regierungskoalition unterstützt die neue Verordnung, auch wenn sie noch Regelungsbedarf etwa bei dem Zusammenspiel zwischen nationalen Kontrollbehörden und Brüssel sieht.

Ob die Verhandlungen, wie geplant, bis Mai abgeschlossen sein werden, wie Reding gegenüber dem Land bekräftigte, und die neue Datenschutzregelung im Sommer 2014 wirklich in Kraft tritt, ist noch nicht gesagt. Über 4 000 Änderungsvorschläge liegen vor. Scharfe Kritik kommt aus der Wirtschaft, die zu strenge Datenschutzbestimmungen wegen des damit angeblich verbundenen bürokratischen Aufwands fürchtet. So sehr versuchen Lobbyisten Einfluss auf die Verordnung zu nehmen, dass Datenschützer mittlerweile eine eigene Plattform eingerichtet haben, um die Lobby-Einflüsse auf die europäischen Abgeordneten zu dokumentieren. Unter www.lobbyplag.eu können Interessierte die Änderungsvorschläge verschiedener Abgeordneter nachvollziehen, aufgeschlüsselt nach strenger oder schwächer als die Vorlage.

Auch ein Luxemburger Abgeordneter hat es in die Liste geschafft. Frank Engel, der für die CSV, respektive die konservative Europäische Volkspartei im Europaparlament sitzt, wird bei lobbyplag.eu als ein Abgeordneter gelistet, der im Sinne der Wirtschaft vor allem für eine Aufweichung des Kommissionsvorschlags plädiert. Vom Land dazu befragt, sagte Engel: „Das berührt mich nicht weiter.“ Er habe nichts gegen einen verbesserten Datenschutz, allerdings müsse dieser umsetzbar sein, sagte der Konservative, der einräumt, die Verordnung vor allem aus dem Blickwinkel der Luxemburger Finanzindustrie begutachtet zu haben. Deren Bedenken „scheinen mir berechtigte Einwände zu sein“, so Engel. Die anderen Luxemburger Abgeordneten sind nicht im Justizausschuss vertreten und haben daher keine Änderungen eingereicht.

Nicht zuletzt ist der Handel mit personenbezogenen Daten auch ein lukratives Geschäft. Mit der Verordnung wird das nicht mehr so einfach. Die Bürger müssen in die Weitergabe ihrer Daten grundsätzlich einwilligen. Auch sollen Internetfirmen, die Daten ohne Einwilligung weitergeben oder sonst gegen Datenschutzauflagen verstoßen, mit Bußgeldern in Höhe von bis zu zwei Prozent ihres weltweiten Umsatzes belegt werden können.

Dass diese Regel allerdings eine Weitergabe à la Prism verhindern würde, wie Viviane Reding in verschiedenen Interviews behauptet hat, ist so sicher nicht: Die Verordnung regelt nicht den Umgang von Geheimdiensten mit Informationen. Der unterliegt immer noch der nationalen Souveränität, die sich die Regierungen kaum aus der Hand nehmen lassen werden.

Fest steht jedoch: Für Viviane Reding hätte die Debatte über die Mitwisser- oder gar Mittäterschaft bei Prism, Tempora und Co. zeitlich gar nicht besser kommen können.

Ines Kurschat
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