Ökosteuern

Den Bach hinunter

d'Lëtzebuerger Land vom 27.06.1996

Angefangen hatte alles mit dem feierlichen Versprechen in der Regierungserklärung vom 22. Juli 1994, zur "Durchsetzung des Verursacherprinzips" Ökotaxen auf Getränkeverpackungen, Abwasser, Kohlendioxid und Sondermüll einzuführen. Zwei Jahre später steht die Regierung vor einem Scherbenhaufen. Auch wenn sie seither nicht mit Versuchen gegeizt hat und den neusten Gesetzentwurf zur Einführung einer Abwasserabgabe erst letzte Woche verabschiedete. 

Am 15. März letzten Jahres hatte das Kabinett erstmals "im Prinzip und im Detail", so Premier Jean-Claude Juncker stolz, die Einführung von Abwasser- und Verpackungsabgaben ab 1. Juli 1995 beschlossen. Es konnte sich sogar mit dem OGB-L auf die weitgehende Berücksichtigung der Taxen im Index einigen, und im Eifer des Gefechtes verständigte man sich sogar auf die Finanzierung der geplanten Pflegeversicherung unter Zuhilfenahme einer CO2-Abgabe als dritte Ökotaxe.

Dann bildete sich der Widerstand einer Allianz von Unternehmen, Gemeindepolitikern und Staatsrat, und die Regierung schob am 2. Juni letzten Jahres die Einführung der zur Finanzierung von Kläranlagen schon für 1995 verplanten Abwassertaxe für Haushalte auf den 1. Januar 1996 und für Betriebe bis 1997 auf. Die Einführung einer Verpackungssteuer wurde gleich auf unbestimmte Zeit ausgesetzt, da die inzwischen als "Environnement et emballage" organisierte Getränkeindustrie das Recycling selbst in die Hand übernehmen sollte, und ein ausländischer Experte und danach die EG-Kommission um Begutachtung des Gesetzentwurfs gebeten wurden.

Auf die offizielle Antwort der Kommission, ob der Gesetzenturf mit den europäischen Richtlinien im Einklang sei, wartet das Umweltministerium bis heute; dafür hat es inzwischen mit der Ausarbeitung eines neuen Gesetzentwurfs begonnen, der die rezentesten Verpackungsrichtlinien der EU berücksichtigen soll, welche eigentlich schon Ende dieses Monats rechtskräftig werden müßten. Und nach dem Schock, daß ausländische Lkw-Fahrer zu Lasten der Staatskasse immer weniger in Luxemburg tanken, ist die CO2-Abgabe ganz in der Versenkung verschwunden, bis vielleicht irgendeinmal eine harmonisierte Abgabe auf EU-Ebene eingeführt wird.

Der Gesetzentwurf, auf den sich die Regierung am vergangenen Donnerstag einigte, ist nach allerlei Irrungen und Wirrungen und Gegenvorschlägen aus dem Innenministerium und von kommunaler Seite nur eine als koordinierter Text verpackte Serie von Änderunganträgen zum Gesetzentwurf, den sie am 15. März 1995 stimmte. Ab 1. Januar 1997 sollen Haushalte 20 Franken je Kubikmeter Wasser zusätzliche Abgabe zahlen. Eine Freimenge ist nicht mehr vorgesehen. Abgabenpflichtig sind nach dem Gesetzentwurf die Gemeinden, die einmal jährlich dem Staat die Wasserabrechnungen der Haushalte zustellen sollen, um die geschuldete Summe zu ermitteln. An den Gemeinden ist es dann, die Abgabe bei den Haushalten einzutreiben, indem sie bei der Wasserabrechnung 20 Franken auf jedes Kubikmeter hinzuschlagen, wenn sie nicht eine aufwendigere, sozial oder ökologisch differenzierte Staffelung versuchen. 

Die Betriebe sollen, ebenfalls ab 1. Januar 1997, jährlich eine von der Zollverwaltung erhobene Abgabe von 1 000 Franken pro Schmutzlasteinheit zahlen. Wobei sie 1997 und 1998 eine vereinfachte Formel zur Berechnung der Schmutzlast wählen können, da die Definition der Schmutzlastformel den 16 Schreibmaschinenseiten langen Entwurf eines großherzoglichen Reglements füllt.

Auch in der vorliegenden Version findet die geplante Abwasserabgabe keinen überzeugten Fürsprecher in der Regierung, und selbst in den Mehrheitsfraktionen stößt sie auf jede Menge Kritik. Insbesondere die Kommunalpolitiker, die sich bereits mit der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer brüskiert fühlen, empfinden es weiter als Zumutung, daß der Staat die Eintreibung der Abgabe auf die Gemeinden abwälzt. Und während man sich auf LSAP-Seite nicht allzu sehr an der Demontage des alleine haftbar gemachten Umweltministers beteiligen möchte, beanstandet man in der CSV-Fraktion zudem, daß die Gemeinden unterschiedslos besteuert werden, ganz gleich ob sie selbst schon Geld für Kläranlagen ausgaben oder nicht. Wenn die Fraktionen - die CSV-Parlamentarier haben das Thema noch einmal am Dienstag auf der Tagesordnung - ihren Segen zu der Abgabe geben, dann nur noch aus höheren Koalitionsinteressen.

Weil sie ein ungeliebtes Kind ist, muß die Abwasserabgabe ein Problemkind bleiben. Selbst Premier Juncker gibt nun zu, daß sie keine Ökosteuer mehr ist. In Wirklichkeit verfolgt sie nur nur noch zwei Ziele: Geld in die Staatskasse zu bringen und irgendwie Handlungsfähigkeit zu zeigen. Was, ganz im Trend der Zeit, als innovationsfreudiger Schritt in eine ökologische Steuerpolitik begann, der auch weitere Wahlerfolge der Grünen verhindern sollte, läuft nach knapp zwei Jahren nur noch auf hilflose Schadensbegrenzung hinaus. Die Regierung möchte die ganze Angelegenheit bloß noch hinter sich bringen.

Offenbar hat die Regierung eingesehen hat, daß es unter den gegebenen Umständen keine saubere Lösung zur allgemeinen Zufriedenheit gibt. Und die Hinnahme der gegebenen Umständen heißt, daß die Wasserversorgung und -entsorgung nach ökologischen Kriterien tiefgreifende Umstellungen verlangen würde, zu denen die Regierung weder die wahlberechtigten Verbraucher noch die um Standortvorteile bemühte Industrie zwingen möchte. Also soll alles beim alten bleiben, und nur möglichst viel Abwasser geklärt in die Flüsse laufen. Die weiteren Widersprüche, die von allen Seiten den Abgabenplänen angelastet werden, ergeben sich dann von selbst.

Romain Hilgert
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