Google Street View

Googles gute Freunde

d'Lëtzebuerger Land vom 20.08.2009

Am vergangenen Freitag kündigte der Konzern Google Inc. aus Mountain View in Kaliforien „den Beginn von Fotoaufnahmen in Luxemburg für die Street View-Funktion“ an: „In den kommenden Wochen werden eindeutig gekennzeichnete Google-Fahrzeuge durch die Luxemburger Straßen fahren und Aufnahmen von Orten im ganzen Land machen.“ Bis Ende September sollen sämtliche Straßen und Häuser in Luxemburg, Esch-Alzette, Differdingen, Düdelingen, Petingen, Sassenheim und Hesperingen fotografiert werden.

Die Aufnahmen sollen dann nach einer Bearbeitungszeit als Teil von Google Street View im Internet zu besichtigen sein. Denn „die vielen Vorteile von Street View reichen von der Tourismusförderung über die Suche örtlicher Geschäfte oder Treffpunkte bis hin zur Unterstützung von Immobilienkäufern und Mietinteressenten“.

Ob diese „vielen Vorteile“ die damit verbundene Gefährdung der Privatsphäre und des Rechts auf das eigene Bild rechtfertigen können – selbst wenn Google die Gesichter von Passanten und Autokennzeichen auf den Fotos geringfügig unkenntlich macht? Diese Frage scheint sich die Nationa­le Datenschutzkommission so nicht richtig gestellt zu haben, als sie Google nach einigen kleineren Einwänden die Erlaubnis zur Nutzung der „attraktiven technischen Neuerung“ erteilte, wie sie selbst lobt.

Denn den Nutzen der vielen Vorteile hat selbstverständlich der Konzern Google selbst. Derzeit bietet das Programm Google Earth bereits Satellitenaufnahmen des ganzen Erdballs an; aus Luxemburg beispielsweise in so hoher Auflösung, dass sich Einfamilienhäuser mit Gärten und Autos unterscheiden lassen. Doch nicht der kleine Voyeurismus interessiert den Konzern Google, sondern der Erdball als einzige große Reklametafel. Seine Satellitenaufahmen von Großstädten hat Google bereits mit einem dichten Netz von punktgenauer Werbung für Luxusgeschäfte und Hotels überzogen, zu jeder Hausnummer soll am Ende die passende Reklame verkauft werden.

Derzeit benutzen zweit Drittel aller Internetbenutzer weltweit die Suchmaschine von Google und viele beginnen jede Orientierung im Internet damit; so dass der Konzern einen großen Teil des Internetverkehrs kon­trolliert. Mit den dabei gesammelten Daten über das Verhalten von Millio­nen von Internetbenutzern verbessert er beständig die Algorithmen seiner Suchprogramme und seiner Anzeigenplatzierung.

Ähnlichen Zwecken dienen die persönlichen Daten, die Google damit gewinnt, dass der Konzern kostenlose E-Mail-Adressen über Gmail anbietet. Mit Youtube betreibt er auch den größten Marktplatz für private und gewerbliche Videos im Internet. Und für Google News sammelt der Konzern weitgehend ungefragt Nachrichten von den Web-Seiten der Zeitungen, Nachrichtenagenturen, Radio- und Fernsehsender und bietet sie auf der eigenen Web-Seite an. So tragen die Medien de Kosten der Nachrichtenbeschaffung, die Werbeeinahmen kassiert Google.

Der technische Vorsprung und die Finanzkraft von Google machen es Konkurrenten immer schwerer, gegen die marktbeherrschende Rolle anzukämpfen. Doch anders als der Konzern Microsoft, der den Markt für Programme beherrscht, interessiert Google sich für Inhalte.Das Privatunternehmen, das es seinen bedrohliche Absicht nennt, „to organize the world‘s information“, scannte und digitalisierte in fünf Jahren rund zehn Millionen Bücher für Google Book Search. Zuerst alte, urheberrechtsfreie Bibliotheksbestände, dann vergriffene, aber noch urheberrechtlich geschützte und nun auch lieferbare Titel. Auf diese Weise hat die kalifornische Firma bereits weit mehr Luxemburger Bücher digitalisiert als alle Luxemburger Bibliothe­ken und  Verleger zusammen. Dabei missachtet der Konzern aggressiv das bestehende Autorenrecht und schafft so vollendete Tatsachen, mit denen er nun Autoren und Verleger unter Druck setzt, um im Rahmen außergerichtlicher Einigungen mit ihm zusammenzuarbeiten. Auf diese Weise kann Google mittelfristig einen gro­ßen Teil des Buchmarkts kontrollieren und entscheiden, welche Lektüre wie verfügbar wird. Immer nach dem Kriterium, dass Jamie Oliver gewinnträchtiger ist als Marcel Proust.

Trotzdem musste selbst die konservative Die Welt die Luxemburger EU-Kommissarin Viviane Reding vor zwei Wochen „bei aller diplomatischen Zurückhaltung als Sympathisantin von Googles Scan-Offensive“ bezeichnen. Die sehr wirtschaftsliberale Reding nenne die Kritik an Google Book Search „eher ideologisch motiviert“. Weil der Konzern das Urheberrecht in der Europäischern Union ablehnt, müsse sein Problem rasch gelöst werden, damit das Geschäft mit digitalen Büchern nicht „auf der anderen Seite des Atlantik“ gemacht werde.

Romain Hilgert
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