Theater

Feminismus von gestern

d'Lëtzebuerger Land du 15.11.2019

Zu Beginn tönt Beyoncés Crazy in Love aus den Lautsprechern. Näher an die Gegenwart als mit diesem Hit der gelegentlich als Feminismus-Ikone gehandelten Sängerin aus dem Jahr 2003 wird man an diesem Abend im Bettemburger Schloss nicht rücken. Auf dem Programm steht Nur Kinder, Küche, Kirche, eine Serie von Monologen aus der gemeinsamen Feder von Dario Fo und Franca Rame von 1977. Aus den ursprünglich neun Texten hat Regisseur Florian Hackspiel drei ausgewählt: „Eine Frau allein“, „Mama Hexe“ und „Medea“. Dargeboten werden sie abwechselnd von Rosalie Maes und Friederike Majerczyk im Zuschauerraum des Festsaals. Das Publikum sitzt im Stuhlkreis um die lediglich durch einen Teppich markierte Bühne.

In Sachen Raumgestaltung mag sich das Kaleidoskop Theater etwas einfallen lassen haben, kommt aber um das Problem nicht herum, dass die Textvorlage schlicht gealtert ist. Fos und Rames Nur Kinder, Küche, Kirche ist eine groteske Überzeichnung der Situation vieler Frauen zur Zeit der Entstehung des Stücks: Als Hausfrauen und Mütter sind sie an Heim und Herd gefesselt; alternative Lebensentwürfe sind im katholisch-konservativen Italien der Siebziger kaum möglich. Aber, ohne den Fortbestand alter Rollenbilder leugnen zu wollen, die Probleme von heute sind nun mal andere. Es gibt keine berufstätige weibliche Figur in Nur Kinder, Küche, Kirche, so dass ein weiteres K, die Karriere, die Frauen heutzutage weit mehr beschäftigen dürfte als etwa die Kirche, gar nicht thematisiert wird.

Im Programmheft wird dem Stück dennoch ein „unabdingbare Aktualität“ zugesprochen. Davon ist auf der Bühne leider wenig zu spüren. Wenn es Hackspiel um einen starken Gegenwartsbezug geht – der Beyoncé-Einspieler weist zumindest in diese Richtung –, ist diese Inszenierung missraten. Sie verfolgt bestenfalls archäologische Absichten und arbeitet die Fragestellungen auf, die die Mütter und Großmütter der #metoo-Aktivistinnen einst beschäftigten. Mit ein wenig gedanklicher Verrenkung ließe sich das als Mahnung verstehen, nicht zu jenen Verhältnissen zurückzukehren, die Fo und Rame anprangern.

In „Eine Frau allein“ wird ein klaustrophobisches häusliches Szenario entworfen. Rosalie Maes hetzt in goldenem Aerobic-Outfit und einer Mischung aus Morgenmantel und Häkeldecke um die Schultern zwischen den Zuschauern hin und her. Der Stuhlkreis ist ihr Gefängnis, in dem sie von Ehemann, Baby, Schwager, Liebhaber und Spanner in die Enge getrieben wird. Das ist alles herrlich überspitzt, nutzt sich in der durchweg schrillen Darbietung Maes’ allerdings schnell ab. Es gibt wenig Subtilität in dieser Aufführung, die nicht umhin kann, das Phallushafte der Waffe, mit der die Heldin ihren Spanner erschießen möchte, auch noch dadurch zu unterstreichen, dass die Schauspielerin am Gewehrlauf auf- und abreibt.

Ebenso unmissverständlich dürfte das überdimensionale Kreuz sein, das für den zweiten Monolog aus Kisten auf dem Boden errichtet wird. In „Mama Hexe“ sucht die von Friederike Majerczyk verkörperte Sprecherin, ebenfalls in gold-weißem Dress, in einem Beichtstuhl Zuflucht, nachdem Ehemann und Sohn der allzu nonkonformistischen Mutter die Polizei auf den Hals gehetzt haben. Geschildert wird ein gescheiterter Ausbruchsversuch, der zwischen Christdemokratie und Kommunistischer Partei zerrieben wird. Die Austauschbarkeit der großen Ideologeme in Bezug auf das Los der Frauen wird hier sehr schön herausgearbeitet, schauspielerisch fehlen allerdings wiederum die Zwischentöne.

Nach der Küche und der Kirche sind im letzten Teil des Abends die Kinder dran: Den kurzen Text von „Medea“ teilen sich Maes und Majerczyk, während sich ihre synchronen Bewegungen auf der nun zweigeteilten Bühne spiegeln. Nur im Kindsmord kann das Patriarchat noch gestoppt werden, freilich um den Preis, dass der Gesellschaft jegliche Zukunft verwehrt wird. Angesichts der hier stark ritualisierten Inszenierungsweise, die das Farcenhafte der vorherigen Monologe tilgt und den Medea-Stoff ins Überzeitliche hebt, fragt man sich abschließend wieder nach den Absichten dieser Produktion.

Ist Fos und Rames Nur Kinder, Küche, Kirche ein Stück der Siebzigerjahre, ein Stück für heute oder gar ein Stück für alle Zeiten? Die Bettemburger Inszenierung lässt einen ratlos zurück. Es gelingt ihr einfach nicht, den Bezug zwischen den auf der Bühne gezeigten Geschlechterverhältnissen und denen, mit denen wir gegenwärtig leben, klarzustellen. „Unabdingbare Aktualität“ sieht anders aus.

Nur Kinder, Küche, Kirche, von Dario Fo und Franca Rame; Inszenierung: Florian Hackspiel; mit Rosalie Maes und Friederike Majerczyk. Die Premiere war am 5. November; weitere Termine am 19. und
20. November, jeweils um 20 Uhr; Kaleidoskop Theater, Schloss Bettemburg. www.kaleidoskop.lu, ticket@kaleidoskop.lu oder Telefon 621 593 619.

Jeff Thoss
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