Ärztehonorare

Teure Spezialisten?

d'Lëtzebuerger Land du 28.11.2002

Das war Pech für Joe Wirtz und Daniel Mart: Stets hatten Präsident und Generalsekretär der Association des médecins et médecins-dentistes (AMMD) nach außen die Rolle beinharter Verfechter der Forderung nach einer Aufhebung der obligatorischen Konventionierung frei praktizierender Ärzte mit der Krankenkassenunion UCM gegeben. Und dann revoltierten auf der AMMD-Jahresversammlung letzten Samstag Teile der Basis gegen ihren Vorstand, klagten, die Konventionierung bestehe noch immer, und forderten Wirtz' und Marts Rücktritt. Leider hatten die beiden AMMD-Führungsmänner nicht viel Neues zu verkünden. Noch nicht allesamt spruchreif sind die Verbesserungen, über welche die AMMD mit Gesundheitsminister Carlo Wagner (DP) weitgehend hinter verschlossenen Türen verhandelt hat. Der Anfang des Jahres neu strukturierte Bereitschaftsdienst der Allgemeinmediziner war ein erstes Entgegenkommen: pro Dienst gibt es ein Auto mit Chauffeur und 15 000 alte Franken Honorar. Doch die Kopplung der Arzthonorare an den Index befindet sich erst seit zehn Tagen als Teil des Gesetzentwurfs über die jüngsten Rentenanpassungen  auf dem Instanzenweg, und noch nicht ausdiskutiert ist das Vorhaben, die "actes intellectuels" der Mediziner großzügiger zu honorieren, also das Entgelt pro Konsultation, in der keine technischen Verrichtungen geleistet werden, anzuheben.

Die Allgemeinmediziner, die in den letzten zwei Jahren als die Verlierer in der Ärzteschaft galten, da von sinkenden Einkommen bei wachsender Arbeitsbelastung betroffen, wa-ren es allerdings nicht, die am Samstag aufbegehrten. Sondern die Vereinigung der Spezialisten, die per Brief unabhängig von der AMMD die Aufhebung der Konventionierung verlangte. Auf einer außerordentlichen Vorstandssitzung am Dienstagabend konnten zwar die Wogen wieder geglättet, die Abtrünnigen wieder auf Linie gebracht, die Rücktrittsforderungen an Joe Wirtz und Daniel Mart abgebogen werden. Und doch wirft gerade das Aufbegehren der Spezialisten die Frage nach dem Fortbestand der Konventionierung von einer anderen Seite her auf.

Denn sie sichert nicht nur jedem Arzt ein Einkommen, sie garantiert darüberhinaus, dass jeder Mediziner gleich welcher Fachrichtung sich in Luxemburg niederlassen und seine Leistungen bei den Kassen abrechnen kann. Laut jüngstem Rapport général sur la sécurité sociale der Inspection générale de la sécurité sociale (IGSS) verteilte sich die Gesamthonorarmasse 2001 zu 15 Prozent auf Allgemeinmediziner, zu 29 Prozent auf Zahnärzte und zu 56 Prozent auf Spezialisten. Die Honorare der Allgemeinmediziner stiegen zwar um 7,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr, im Schnitt erzielte jeder Generalist aber ein Einkom-men, das leicht unter dem des Jahres 1999 lag. Zehn Prozent der Mediziner verfügten über Jahreseinkünfte von weniger als 67 160 Euro: zu 56 Prozent waren das Generalisten. Unter den fünf Prozent der Mediziner mit der höchsten Einkommenstranche von mehr als 431 000 Euro im Jahr waren 45 Prozent Zahnärzte, zehn Prozent Augenärzte, gefolgt von Kardiologen, Radiologen und Orthopäden.

Dahinter verbirgt sich eine Entwicklung, die in der öffentlichen Debatte bislang wenig Beachtung fand: Ging es um die proportional zum Rest der Ärzteschaft niedrigen Einkommen der Generalisten, stand die Grundversorgung durch die Hausärzte in Frage. Drängen Spezia-listen auf mehr Geld, bedarf das eingehenderer Analyse. Wenn der IGSS-Bericht Kinderärzte und Psychiater die am schlechtesten verdienenden Spezialisten nennt, sind sie doch gerade jene, an denen laut Berechnungen der UCM ein Mangel herrscht, wohingegen etwa die Zahl der - gut verdienenden - Augenärzte seit Jahren schon derart groß ist, dass sie immer wieder in den Verdacht geraten, um ihres Umsatzes willen abzurechnen, was womöglich nicht nötig ist, da es ihnen an Patienten fehlt. Nicht unter der Maßgabe der Einkommensverbesserung wäre es nötig, die Konventionierung zu überdenken, sondern um einer Bedarfsplanung willen, die auch das Krankenkassenbudget schonen hilft. Im letzten Jahr stieg die Zahl der Ärzte im Lande mit einem Zuwachs von 2,9 Prozent doppelt so schnell wie die der Krankenversicherten (+ 1,4 Prozent). 

 

Peter Feist
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