Beamte nicht zu „Sonderopfern“ in Tripartite bereit

Tarifautonomie

d'Lëtzebuerger Land vom 11.02.2010

Lebhaft habe das Comité fédéral der Staatsbeamtengewerkschaft CGFP am Montag über die bevorstehende Tripartite diskutiert, erzählte anschließend Generalsekretär Romain Wolff. Das Interesse ist verständlich. Schließlich befürchten die Gewerkschafter, dass den Staatsbeamten in der Tripartite die Haut über den Kopf gezogen wird, dass, neben Einsparun­gen bei den Sozialtransfers und den In­ves­titio­nen, die Verringerung der Ge­hältermasse der dritte Weg ist, um die Sparziele zu erreichen, die sich die Regierung gesetzt hat.

Die Handels- und die Handwerkerkammer hatten bereits im November in ihren hochoffiziellen Haushaltsgutachten neben der von der Regierung angekündigten Kürzung der Anfangsgehälter beim Staat „kurzfris­tige Korrekturen“ der öffentlichen Ausgaben vorgeschlagen. Etwa „die Außerkraftsetzung der automatischen Indexanpassung der Gehälter im Jahr 2010 oder eine Kürzung der als 13. Monatsgehalt gezahlten Beträge“ im öffentlichen Dienst, so die Handwerkerkammer. Sie schätzte, dass der Staat 25 Millio­nen Euro sparte, wenn er seinen Beamten die dieses Jahr fällige In­dextranche vorenthielte, die Handelskammer bezifferte die Ersparnis sogar auf 75 Millionen Euro. Zum Vergleich: Ein standardisiertes Ly­zeum, die neue Recheneinheit der Finanzpolitiker, kostet 120 Mil­lio­nen Euro.

Die Handwerkerkammer schlug eine Kürzung der 13. Monatsgehälter um zehn bis 50 Prozent vor, die Handelskammer hielt 20 Prozent für angebracht. Eine 20-prozentige Kürzung der 13. Monatsgehälter senkte die Kosten nach Berechnungen der Handwerkerkammer um 29 Millionen Eu­ro, beziehungsweise, laut Handelskammer, um 27,9 Millionen Euro. Die Handelskammer plädierte zudem dafür, dass die von der CSV versprochene Senkung der Anfangsgehälter beim Staat umgehend und zwar um 20 Prozent vorgenommen werde. Auf diese Weise könnten bereits dieses Jahr 6,3 Millionen Euro gespart werden.

Die Diskussion um eine Kürzung der Gehältermasse beim Staat erhält derzeit zusätzliche Brisanz dadurch, dass nächsten Monat die Wahlen zur Berufskammer der Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes stattfinden. Dann treten, mit Ausnahme der Kategorie F, „Ministres du culte catholique“, OGB-L, FNCTTFEL und, bei den Gemeindebeamten, auch LCGB gegen die CGFP an. Deshalb kann es sich keine Gewerkschaft erlauben, schon vor Beginn der Tripartite Nachgiebigkeit zu zeigen, ohne dass die Wähler demobilisiert oder gar in die Arme der Konkurrenz getrieben werden.

Um dem befreundeten LCGB einen kleinen Schubs zu geben, empfingen ihn die CSV-Minister François Biltgen und Octavie Modert letzte Woche und unterhielten sich mit ihm über die geplante Gehälterreform beim Staat. Die christliche Gewerkschaft ließ es sich nicht nehmen, umgehend eine Pressemitteilung zu verschicken, in der sie sich brüstete, Biltgen das Versprechen abgerungen zu haben, dass „das 13. Monatsgehalt als Gehälterelement trotz aller Unkenrufe bei der Gehälterreform nicht zur Debatte stehen wird“. Was die um ihr Quasi-Monopol als „authentische Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes“ besorgte CGFP als weitere Provokation empfand.

Dass die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in der Tripartite zweimal zur Kasse gebeten werden sollen, einmal über die vorgesehenen Sparmaßnahmen für alle und einmal mit Einkommensverlusten, stellt für die Unternehmerorganisationen die Gegenleistung zur Arbeitsplatzsicherheit beim Staat und in den Gemeinden dar, als Preis dafür, dass sich die Betroffenen nicht von der Arbeitslosigkeit bedroht fühlen müssen. Doch davon will die CGFP nichts wissen. Als Zeichen der Solidarität mit den Beschäftigten der Privatwirtschaft erklärte sie sich deshalb schon im Voraus mit einer Erhöhung der Solidaritätssteuer zur Speisung des Beschäftigungsfonds einverstanden.

Aber „Sonderopfer“ lehnt die Gewerkschaft um so entschiedener ab. Sie ist kategorisch dagegen, dass in der Tripartite über die Kürzung der Gehältermasse beim Staat diskutiert werden soll. Denn Gehälter und alles was da­zu gehört, falle, wie in anderen Branchen auch, unter die Tarifautonomie, müsse also zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, im konkreten Fall: Staat und CGFP, ausgehandelt werden, so Wolff. Die Drohung der Gewerkschaft: Wenn die Tripartite über die Entlöhnung der Beamten diskutiert, verweigert die CGFP unter Berufung auf die Tarifautonomie von vorneherein ihre Unterschrift unter das Tripartite-Abkommen.

Ob die CGFP damit durch kommt, hängt vor allem davon ab, ob sie ganz alleine da steht. Denn das Tripartite-Modell ist nun einmal auf den breitest möglichen, wenn nicht gar allgemeinen Konsens aufgebaut. Auf die Frage, ob der OGB-L sich solidarisch mit der CGFP verhalten wird, wenn die Tripartite über die Beamtengehälter diskutieren würde, antwortete Präsident Jean-Claude Reding am Dienstag mit einem klaren Ja. Sein Generalsekretär André Roeltgen zeig­te Verständnis dafür, dass die CGFP ihre Tarifautonomie gegen die Tripartite verteidigt: „Wir haben das gleiche Problem in den Krankenhäusern.“ Im Escher Sitzungssaal des OGB-L hing ein Plakat vom 16. Mai letzten Jahres, als OGB-L, CGFP und all die anderen Gewerkschaften einen Monat vor den Wahlen gemeinsam demonstriert hatten.

Romain Hilgert
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