Xavier Buck mag Innovationen rund ums Internet, technische und kommerzielle. Damit hat er innerhalb von 13 Jahren ein ganzes Netz an Unternehmen aufgebaut

Der Ökosystembetreiber

d'Lëtzebuerger Land du 22.03.2013

Es ist ungefähr elf Jahre her, da stand Xavier Buck eines Morgens im Badezimmer vor dem Spiegel und rasierte sich; wie immer nass. „Dabei fiel mir ein, dass ich Rasierklingen immer wieder brauche. Und ich fragte mich, welches Äquivalent es dazu im IT-Bereich gibt.“ Womit kommt ein Nutzer der Informationstechnologien und des Internet einfach nicht aus? Kurze Zeit später wusste Buck eine Antwort: Domain-Namen beispielsweise sind so unverzichtbar.

Das ist wahr. Gäbe es das Domain Name System, abgekürzt DNS, nicht, würden die wenigsten fröhlich im weltweiten Web „surfen“ und den allermeisten wäre das Internet eine Qual. Denn dann müsste, wer sich mit einem anderen Rechner über das Netz verbinden will, anstelle eines Namens mit einer Erweiterung wie .com, .org oder .lu für Luxemburg stets die Internetprotokolladresse der anderen Seite in den Browser eingeben, die technisch hinter jedem Domain-Namen steckt. Das wäre außerordentlich unbequem: Die derzeitigen IP-Adressen sind bis zu vier Mal drei Ziffern lang.

Allerdings ist Xavier Buck nicht der Erfinder der Domain-Namen, sondern ein Unternehmer, der in Luxemburg seit 2002 ein ganzes Netz an Dienstleistungsfirmen rund um diese Namen geschaffen hat und immer wieder neue hinzufügt. Zusammengenommen haben sie zuletzt an die 25 Millionen Euro Jahresumsatz gemacht.

Eigentlich begann alles schon im Jahr 2000, als Buck gemeinsam mit Marco Houwen Datacenter Luxembourg gründete, ein Datenzentrum voller Server-Schränke mit besonders schneller Anbindung an das Rückgrat des Internet, das backbone. Denn als Houwen und Buck 2002 mit Euro DNS ihr nächstes Unternehmen aus der Taufe hoben, sollte dieses europaweit Domain-Namen verwalten, vermieten, verkaufen. Ein solcher Dienstleister aber braucht ein großes und vor allem schnelles Datenzentrum.

Dass sich um die Domain-Namen anschließend eine ganze Palette von Geschäftsideen erdenken ließ, leuchtet vielleicht nicht sofort ein. Wer schon einmal eine Domain gemietet hat, weiß, wie unkompliziert das ist. Man steuert die Webseite eines Registrierungsdienstes an, der im Fachjargon Registrar heißt, und lässt online ermitteln, ob der gewünschte Name mit der gewünschten Erweiterung noch frei ist. Falls ja, kann man ihn sich gegen eine Gebühr sichern, zum Beispiel für ein Jahr. Die ganze Prozedur dauert nur ein paar Minuten.

„Am Anfang sollte Euro DNS“, erinnert Xavier Buck sich, „tatsächlich nicht mehr als ein Registrar sein.“ Wenngleich ein europaweiter: Euro DNS war seinerzeit einer der ersten, der die Erweiterung .fr für Frankreich als so genannter „Proxy“ außerhalb Frankreichs anbot. „Doch wir merkten schnell, dass unsere Kunden nicht nur einen Domain-Namen mit der Erweiterung .lu, .de oder .fr haben wollten, sondern mehrere zugleich.“ Vor zehn Jahren sei das mit viel Bürokratie verbunden gewesen. Euro DNS automatisierte diese Bestellvorgänge und fasste sie zu einer einzigen Anmeldung zusammen. „Diese Innovation war der Ausgangspunkt zu unserem Erfolg“, sagt Buck. Heute verwaltet Euro DNS an die 800 000 Domains nichrt nur in Europa, sondern weltweit und ist einer der führenden Registrars.

Innovationen in der Informationstechnik haben den hochgewachsenen Unternehmer schon lange vor seiner ersten Firmengründung begeistert. 1971 geboren, entdeckt er als junger Teenager Computer und Computerspiele. Mit zwölf beginnt er, das Programmieren zu erlernen, und gründet mit 14 im Jongelycée einen Computerclub, der zuletzt 2 000 Mitglieder zählt. Mitte der Achtzigerjahre ist das, als die Home Computer von Commodore und Atari ihre große Zeit haben. Anschließend beginnt Buck in Brüssel Computerwissenschaften und Wirtschaft zu studieren, bricht das Studium aber ab, weil er lieber Unternehmer werden will. Nachdem er sich, zurück in Luxemburg, in den Neunzigerjahren eine Weile mit einer eigenen IT-Beraterfirma versucht hat, holen Headhunter ihn 1998 als Sales Manager zur Téléphonie S.A., die Telefonausrüstungen vertreibt. „Meine Arbeit dort öffnete mir Türen auch zu großen Unternehmen. Und ich dachte, was ich für Téléphonie aufbauen konnte, könnte ich für mich selber wiederholen.“

Bei Téléphonie trifft er Marco Houwen, mit dem er Datacenter Luxembourg gründen wird – heute einer der wichtigsten europäischen Anbieter für die Unterbringung, das „Hosting“, von Internet-Inhalten. Vom Datacenter Luxembourg abgeleitet ist auch der Name DCL Group für die Holding, mit der die meisten Firmen verbunden sind, die Buck später gegründet oder mitgegründet hat. Mit einem „Ökosystem“ vergleicht er sie gerne. Am Firmensitz in Leudelingen steht, was zum System gehört, an einer silbergrauen Wand geschrieben: Euro DNS, VoIPGate, LuxCloud, Datacenter Luxembourg, Open Registry, Domain Tools, Domain Invest, eBrand Services, Geo Ranker ... Immer wieder kommen neue Unternehmen hinzu.

„Meine Prinzipfrage war stets: Wie schafft man es, einen Kunden an sich zu binden und ihm immer wieder Dienstleistungen in Rechnung stellen zu können?“, sagt Xavier Buck. Im Internet-Geschäft könne man nach wie vor so grandios scheitern wie die vielen Firmen, die trotz ihrer großen Ambitionen das Platzen der Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende nicht überlebten. Bucks Entscheidung für das Domain-Namen-Metier erweist sich als so gut, dass er immer neue „rekurrente Services“ schafft. Denn international tätige Unternehmen, aber auch Online-Händler stehen mit ihren Domains vor mehreren Herausforderungen. „Keiner kommt heute daran vorbei, dass Google bei den Suchmaschinen einen Marktanteil von 90 Prozent hat“, erläutert Buck. Über die Sichtbarkeit eines Auftritts im weltweiten Web entscheidet, mit welchem Rang er von Google indexiert wird. Dieser Rang kann für eine Domain mit der Endung .fr anders sein wie für dieselbe mit der Erweiterung .de und wieder anders wie für .be, .lu und so weiter.

Hinzu kommt, dass man Domain-Namen als Markennamen auffassen kann, dass ein Wettbewerb um sie herrscht und immer wieder versucht wird, bestehende Namen unter einer territorial anderen Erweiterung herauszubringen oder zu fälschen. Zumal in anderen Sprachen und mit anderen Zeichen als denen aus dem lateinischen Alphabet. Deshalb managt die eine Firma in Bucks System ganze Portfolios von Domain-Namen, beispielsweise allein 2 000 Namen für den Deutsche Bahn Konzern. Eine andere ist darauf spezialisiert, das Suchmaschinen-Ranking von Domains weltweit zu bestimmen. Wiederum eine andere – „eine der meistbesuchten Webseiten der Welt“, wie Buck stolz erklärt – ist Marktführer in der Suche nach Domain-Namen, bietet aber auch den Service an, Nachahme-Versuche aufzuspüren und den Inhaber der Domain darüber per E-Mail zu alarmieren. Allein diese Firma, Domain Tools, habe zuletzt einen Umsatz von sechs Millionen US-Dollar realisiert, berichtet Buck.

Neben dem Hosting und dem Domain-Management stieg die DCL Group vor mittlerweile fünf Jahren auch in die Promotion von Domains ein, als sie mit Domain Invest 70 000 besonders hochwertige Domain-Namen aufkaufte. 20 Millionen Euro an Kapital nahm sie dafür von der staatlichen Investitionsbank SNCI, von BIP Investment Partners, aber auch aus dem Ausland auf. Domain Invest gehören heute Namen wie whiskey.com, onlineschool.com oder . Die Firma kauft für ihre Domains Inhalte ein, sorgt für ihre günstige Platzierung durch Google und akquiriert Werbung – und verkauft die Domains wieder. „Wenn Euro DNS der ‚Notar’ im System ist, dann ist Domain Invest der Immobilienmanager“, sagt Xavier Buck.

Ob das Geschäft ohne Unterstützung aus der Fiskalnische so floriert hätte? Vielleicht nicht. Ende 2007 wurde durch eine Gesetzesänderung ein großzügiger Einkommenssteuernachlass für Einnahmen aus Transaktionen von Urheberrechten, einschließlich informatischen, eingerichtet. Nicht nur Xavier Buck und die von ihm mitgegründeten Firmen profitierten davon; in Luxemburg entwickelte sich daraufhin eine ganze Domain-Namen-Industrie. Luxemburg gelte heute als „das Silicon Valley im Domain-Bereich“, sagt Buck. Und insgesamt habe die Branche mittlerweile eine kritische Masse erreicht, die groß genug sei, dass man auch ohne die Fiskalnische weiterbestehen könnte. Der Mehrwertsteuervorteil für den E-Commerce fällt ja schon in zwei Jahren.

Nicht für die DCL Group, sondern als Privatmann nahm Buck vergangenen Sommer Kontakt mit Kim Dotcom auf, einer der schillerndsten Figuren im Internet-Geschäft. Bis Januar 2012 hatte Kim Dotcom von den USA aus mit Megaupload ein Filesharing-Portal betrieben, das auf Druck des FBI abgeschaltet wurde: Es habe auch zum Austausch von raubkopiertem Material gedient, lautete der Vorwurf.

Vor zwei Monaten ging Kim Dotcoms neuer Dienst Mega online. Buck ist an dessen Kapital beteiligt – in welchem Umfang, teilt er nicht mit –, und die DCL Group unterstützt Mega technisch und administrativ. Die Europa-Zentrale des Dienstes werde nach Luxemburg kommen, das sei schon entschieden, sagt Buck. In den zwei Monaten seit seiner Inbetriebnahme habe Mega vier Millionen Nutzer gewonnen.

Mega ist ein Upload-Dienst und eine Lagerstätte für Dateien in der Cloud. Die Inhalte werden jedoch gleich beim Hochladen verschlüsselt. Und dieser Code ist im Grunde nicht zu knacken: „Andere Upload-Dienste mit Verschlüsselung behalten den Schlüssel bei sich“, erläutert Xavier Buck. „Bei Mega dagegen wird er auf dem Computer des Nutzers gebildet und bleibt dort. Er setzt sich zusammen aus dem Passwort, das der Nutzer ausgewählt hat, und den letzten Mausbewegungen und Tastatureingaben.“

„Mega ist eine Innovation, wie ich sie mag“, fährt Buck fort, und er wird bei diesem Thema prinzi-piell: Die Hochleistungsverschlüsselung dürfte sogar für staatliche Nachrichtendienste schwer zu überwinden sein. „Aber das Recht auf Verschlüsselung steht nun mal überall auf der Welt in Gesetzen, und wenn das angegriffen würrde, gäbe es einen Riesenkrach.“ So betrachtet, sichere Mega dem Internet nur eine Privatsphäre, die es dringend nötig habe. Wie „seriös“ Mega ist, habe Paypal kürzlich klar gemacht, als es Mega validierte. Xavier Buck ist auch einer, der an das freie Internet glaubt.

Peter Feist
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