Wie junge Luxenburger Designer sich zusammentun und neue Räume erschließen

Wir (er)schaffen das

Vor wenigen Wochen haben Irina Moons und Maida Halilovic einen Concept Store für Design in der Hauptstadt erröffnet
Photo: Sven Becker
d'Lëtzebuerger Land du 20.12.2019

Küb Sie schneidet noch schnell eine rote Paprika. Dann hält sie die Hände unter den Wasserhahn, wischt sie ab und streckt die Hand aus. „Hallo, ich bin Laura. Willst du ein Glas Apfelsaft – oder vielleicht lieber eine Paprika?“ Laura Ly Folschette ist Grafikdesignerin, Unternehmerin und gelegentlich auch Köchin. Denn im Küb in Düdelingen wird nicht nur gearbeitet und designt, sondern auch gemeinsam gekocht und gespeist.

Das Küb ist ein Ort, den man in urbanen Räumen wie Amsterdam, Köln, Berlin oder Zürich vermuten würde. Jedoch kaum in Düdelingen. Was es genau mit dem Küb auf sich hat, lässt sich schwer in nur einem Begriff zusammenfassen. Es handelt sich um eine Art Hybrid: ein Concept Store, in dem vorwiegend Luxemburger Designer, etwa Roxanne Flick, Julie Wagener oder auch Lucie Majerus, ihre Produkte verkaufen können. Ein Coworking Space, in dem bis zu acht kreative Unternehmer, darunter die Produktdesigner Serge Ecker und Raoul Gross, arbeiten können. Und ein Ort, wo regelmäßig Workshops und Ausstellungen stattfinden. Im Idealfall finden Konzeption, Produktion und Verkauf eines Produktes in ein und demselben Raum statt.

Hinter diesem multifunktionalen Laden stecken Laura Ly Folschette sowie ihr Geschäfts- und Lebenspartner Olli Eickholt. Beide haben sich 2005 während ihrer Design-Studien in Köln kennengelernt. Die Idee zu einem Ort wie dem Küb schwebte ihnen schon lange vor, doch bis zur Umsetzung sollten noch einige Jahre vergehen. Das 1535° in Differdingen war nach Studienende der geeignete Platz, um zunächst als Grafiker Fuß zu fassen. „Man hat uns den nötigen Freiraum gegeben, unsere Grafikagentur zu entwickeln und uns mit kreativen Köpfen auszutauschen“, so Folschette. Doch es war für die beiden nur eine Zwischenetappe auf dem Weg zum eigenen Creative Hub. Die Stadt Düdelingen war vom Konzept der beiden ebenfalls überzeugt, sodass sie ihnen kurzerhand das Lokal mitten in der Fußgängerzone zum fairen Preis von 1 600 Euro für zwei Jahre zur Verfügung stellte. Seit dem 28. September sind die Türen des Küb geöffnet.

Am Gronn Doch das Küb ist nicht der einzige Ort, an dem kreative Jungunternehmer sich verwirklichen wollen. Vor wenigen Wochen haben Irina Moons und Maida Halilovic einen artverwandten Concept Store in der Hauptstadt eröffnet. Am Gronn nennt sich die Geschäftsidee, die neben einem Coworking Space und einem Laden auch Ausstellungen kuratieren soll. Die Produktdesignerin Irina Moons hat sich – ähnlich wie Folschette und Eickholt – als unternehmerisches Ich im 1535° ein kreatives Netzwerk aufgebaut. Maida Halilovic hat in mehreren Kommunikationsagenturen gearbeitet. Die beiden Frauen kennen sich seit der Schulzeit und träumten stets von einer gemeinsamen Cocktailbar. Dieser Traum ist noch nicht ausgeträumt, denn in einer nächsten Phase soll ein Café Am Gronn entstehen. „Und warum sollte man nicht auch Cocktails servieren?“

„Ich hatte schon länger ein Auge auf diese Adresse geworfen“, so Moons. Doch die administrativen Hürden und das finanzielle Risiko bremsten das Projekt aus. Nach hartnäckigem Kampf durch die Mühlen der Bürokratie gab der Fonds de Logement schließlich grünes Licht. Monatsmiete: 3 250 Euro. Kaution: rund 18 000 Euro. „Klar, da mussten wir erst einmal schlucken.“ Aber die Freundinnen dachten sich dennoch: Jetzt oder nie. Mit familiärer Unterstützung sowie der Hilfe des Programms Fit for Entrepreneurship der Adem konnten sie ein Startkapital von etwa 50 000 Euro aufbringen und einen überzeugenden Business-Plan aufstellen. Am Gronn soll zu einem Raum werden, wo Design Made in Luxembourg Wertschätzung erfahren soll. „Wir finden es eigentlich erstaunlich, dass bisher nur wenige solcher Orte in Luxemburg entstanden sind.“ Die beiden Frauen erhalten deshalb viel Zuspruch für ihren Concept Store mit Coworking Space mitten in der Unterstadt. „Uns wird immer wieder gesagt, wie mutig wir doch sind.“ Mittlerweile werden sie schon stutzig, wenn sie derlei Schulterklopfer erhalten. „Ist unsere Idee denn so verrückt?“

Zolitt In den Augen von Metty Hoffmann, Lucie Majerus und Isabelle Mattern des Designerkollektivs Zolitt ist die Idee von Moons und Halilovic keineswegs verrückt. „Es ist schön, dass endlich neue Designinitiativen in Luxemburg entstehen.“ Altbau mit Hochbett, Whiteboard, Pinnwand, Leiter und natürlich einige Macbooks – die Designer haben in der Straßburger Straße ihr kreatives Zuhause gefunden. Auch ihre Idee reiht sich ein in die neue Riege der Kreativbüros. Metty Hoffmann designt unter anderem Lampen aus recyceltem Material, Lucie Majerus hat eine ungewöhnliche Methode des Schmuckdesigns entwickelt: Schmuck aus Zähnen. Sie träumt außerdem davon, aus den Vorhängen alter CFL-Züge ein neues Produkt zu entwerfen. Isabelle Mattern hat sich auf Illustration und Grafikdesign spezialisiert.

Das Kollektiv kämpft gegen ein großes Missverständnis in Luxemburg an: „Design ist für viele nur Spielerei.“ Als eigenständige Berufssparte wird es selten anerkannt. In Luxemburg, einem Land der Dienstleistung mit wenig Produktionsindustrie, bleibe dem Designer nur der Weg in die Selbstständigkeit. Als Ich-AG, ohne große Lobby im Hintergrund, bewegen die jungen Kreativen sich jedoch finanziell nahe am Mindestlohn. Es gehört schon eine Menge Idealismus dazu, da sind sich alle einig. Aus diesem Grund arbeitet es sich am besten Kollektiv. Konkurrenzdenken existiert nicht.

Und ein bisschen mehr Unterstützung von öffentlicher Hand würden sich die jungen Designer schon wünschen. Nicht nur was Sozialbeiträge anbelangt, sondern auch Infrastruktur. Was in Luxemburg etwa fehlt, ist eine Materialbibliothek. Ein Ort, der umfangreiche Materialmuster sammelt und zu neuen kreativen Lösungen anregt. Und ein sogenannter Makerspace fehlt, den es in nahezu jedem urbanen Ballungsgebiet gibt. Als junge Produktdesigner haben sie weder die finanziellen Möglichkeiten noch den Raum, um sich Fräsen, Vakuumgießmaschinen und sonstiges teures Handwerksgerät anzuschaffen. Ein Makerspace, in dem alle diese Maschinen geteilt werden können, würden hier Abhilfe leisten.

Pol Schock
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