Braucht Luxemburg eine Landeskommunikation? Was sollte man dabei in Vordergrund stellen? Eine Gruppe von Beamten will die Diskussion ankurbeln

Bonjour du Luxembourg

d'Lëtzebuerger Land vom 24.02.2012

Luxemburg gelte nicht mehr als Anlageparadies, meinte der Spiegel-Autor, der diese Woche beschrieb, wie Zollfahnder auf deutschen Landstraßen hinter der luxemburgischen Grenze Steuersünder aufgreifen. Ob man das als Fortschritt werten kann im Vergleich zu den früheren Anklagen, Luxemburg sei ein Steuerparadies und Schmarotzerstaat? Auf jeden Fall waren sie wieder da, die Negativ-Schlagzeile und der Vorwurf, deutsche Steuerhinterzieher hätten bei Luxemburger Banken 50 Milliarden Euro gebunkert. Ob und wie man auf solche Vorwürfe reagieren soll, darüber macht sich eine Gruppe Luxemburger Beamte Gedanken, seit sie 2010 am Luxemburg-Werbefilm Is it true what they say about Luxembourg? zusammenarbeiteten, und die es als Erfolg werten, dass der Film unter Beteiligung so unterschiedlicher Ministerien und Akteure zu Stande kam. „Derzeit“, bedauert Sasha Baillie, beigeordnete Generalsekretärin im Außenministerium, „gibt es keine kohärente Herangehensweise, um zu reagieren oder präventiv vorzugehen“, und ihre Mitstreiter pflichten ihr bei. Um eine breite Debatte über das Bild anzukurbeln, das man sich außerhalb der Grenzen über Luxemburg macht, organisieren sie kommenden Mittwoch ein Rundtischgespräch, an dem – Luxembuerger –Vertreter aus Diplomatie, Real- und Finanzwirtschaft sowie Kultur teilnehmen, und wollen dort Studienergebnisse zum Außenbild Luxemburgs vorstellen. Die Vorgehensweise an sich ist kurios. Denn die Gruppe aus Beamten des Presse- und Informationsdienstes (Sip), aus Außen-, Wirtschafts-, Tourismus-, Kulturministerium und Vertretern der Förderagentur Luxembourg for Finance (LFF) hat keinen offiziellen Regierungsauftrag, in dieser Sache aktiv zu werden. Mit dem Vorwurf, es mangele an Kohärenz in den Botschaften, die nach außen gesendet werden, riskieren sie nicht nur, sich gegenseitig und all jenen Kollegen auf die Füße zu treten, die in irgendwelcher Weise für Luxemburg kommunizieren. Mit ihrer Initiative, die darauf abzielt, ein Interesse daran zu schüren, ob Luxemburg eine Landeskommunikation braucht, wie sie beispielsweise die Schweiz, Österreich oder Finnland betreiben, unterstellen sie mehr oder weniger direkt ihren Vorgesetzten, also der Regierung, unzureichendes Interesse an der Sache. Was auch heißt, dass es dafür (noch) kein Budget gibt. „Auf gar keinen Fall soll das hier darauf hinauslaufen, dass schnell ein neues Logo und ein Slogan entworfen werden“, warnt Carole Tompers von Luxembourg for Business (LFB) in Richtung der Werbeagenturen, die, seit die Einladung zur Konferenz raus ist, einen Auftrag wittern. „Dieses Thema betrifft alle, die in Luxemburg leben und arbeiten“, sagt Sasha Baillie. „Deswegen hat es keinen Sinn, wenn sich ein paar Beamte im stillen Kämmerlein etwas ausdenken. „Wir wollen eine breite und tiefe Debatte, die der Sache auf den Grund geht“, erklärt Jean-Claude Knebeler, Direktor der Abteilung Außenhandel und Investitionen im Wirtschaftsministerium. Darüber, was man im Ausland überhaupt über Luxemburg sagt, sofern das Land nicht völlig unbekannt ist, und überhaupt nichts gesagt wird. Die Studienergebnisse über das Image Luxemburgs sollen bis kommenden Mittwoch unter Verschluss gehalten werden. Allerdings muss man kein Quantenphysiker sein, um den Ergebnissen vorzugreifen. „Man kennt uns nicht in der Welt“, pflegte Ex-Wirtschaftsminister Jeannot Krecké seine Promotionsreisen rund um den Globus zu rechtfertigen. Eine Feststellung, die auch die neue Studie nicht widerlegen wird. Die wahrscheinlich auch ergeben wird, dass es viele negative Assoziationen mit dem Luxemburger Finanzplatz und dessen Bankgeheimnis gibt. Und es ist nicht auszuschließen, dass andere Weltbürger die Luxemburger für ebenso provinziell, spießig und engstirnig halten, wie sie sich oft gegenseitig selbst finden. Dass die Mehrsprachigkeit sowie die politische Stabilität hingegen gut ankommen. Dabei sind die Initiatoren des Prozesses längst selbst nicht einig darüber, wie es nach der ersten Bestandsaufnahme weitergehen soll. „Wir haben viele Trümpfe“, sagen Carole Tompers, Sasha Baillie, aber auch Pierre Barthelmé vom Tourismusministerium und Bob Krieps, Kulturministerium. Diese, glauben sie, sollte man mehr in den Vordergrund stellen. Jean-Claude Knebeler sieht das etwas nüancierter. Für ihn bleibt zu klären, wie es um den Wahrheitsgehalt der gängigen Luxemburg-Vorurteile steht, also ob Luxemburg nur ein Problem mit dem Image oder wirklich ein Problem hat. Er verweist auf das „Spannungsverhältnis zwischen Anspruch und Wirklichkeit“: „Wir können nicht im Ausland sagen, wir sind grün und fortschrittlich, wenn wir gleichzeitig auf unserem Gebiet die größte Tankstelle Europas haben.“ Eine solche Übung verspricht vor allem für den Finanzsektor anstrengend zu werden. Die Finanzbranche ist der größte Wirtschaftszweig im Land, an ihm wird aber im Ausland oft Anstoß genommen. Die Branche verfügt über ihre eigene staatlich-privat finanzierte Förderagentur LFF, während sich die meisten anderen Wirtschaftssegmente unter dem Dach von LFB zusammengefunden haben. Zudem zeigte sie sich, was die kohärenten Botschaften nach außen sowie die Zusammenarbeit nach innen angeht, bisher ziemlich resistent. Denn als vor Jahren LFB und LFF gegründet wurden, verweigerte sich der Finanzsektor der Gründung einer gemeinschaftlichen Förderagentur für alle Branchen und ließ sich zudem von den staatlichen Partnern noch das alte Logo des Branchenverbandes Profil als Sacheinlage vergüten. Dass es mittlerweile, wie Jean-Jacques Picard von LFF sagt, eine erklärte Strategie der Banken ist, „zweifelhafte Kunden loszuwerden“, ist vor allem auf den großen Druck von außen zurückzuführen, der darin gipfelte, dass Luxemburg im Frühling 2009 auf die „graue Liste“ der Steuerparadiese gesetzt wurde. Dass man in der Zwischenzeit etwas anders denkt, zeigt sich auch daran, dass die LFF-Verantwortlichen eingreifen, wenn Kredithäuser im Internet mit dem Slogan „Your offshore bank in Luxembourg“ werben. Das Beispiel verdeutlicht nur zu gut das grundlegende Problem auf dem Finanzplatz: Er wird von ausländischen Firmen beherrscht, denen die Interessen des Standorts Luxemburg weniger wichtig sind als die eigenen. Denn wenn negative Berichte über das Bankgeheimnis Luxemburg als Land in Verruf brachten, lockten sie gleichzeitig genau solche Kunden an die Luxemburger Bankschalter, die tatsächlich etwas zu verstecken hatten. Dass es nicht förderlich ist, wenn Luxemburg außerhalb der Grenzen nur als Finanzplatz bekannt ist, auch nicht für die Geschäfte am Finanzplatz selbst, davon ist Picard überzeugt. „Es ist wichtig zu sagen, dass 70 Prozent der Luxemburger Wirtschaftsleistung nicht von der Finanzbranche erbracht werden.“ Eine Einsicht, die sich in der Branche aber noch durchsetzen muss. Die Vertreter von Tourismus und Kultur sehen das Problem ähnlich gelagert, weil es auch für ihre Branchen nicht dienlich ist, wenn das Bild Luxemburgs im Ausland von einem schlechten Banken-Image beherrscht wird. „Rund 60 Prozent der Luxemburg-Touristen sind Geschäftsreisende“, sagt Pierre Barthelmé. Geht die Aktivität am Finanzplatz zurück, weil Krise herrscht oder weil er einen schlechten Ruf hat, bleibt das nicht ohne Auswirkung auf die Übernachtungsstatistik. „Wenn wir ein Image als Provinzler oder Hinterwäldler haben, wenn man glaubt, dass es bei uns nur Banken gibt, steht das auch der Karriere unserer Künstler im Weg“, sagt Bob Krieps. Dabei geht es den anderen Branchen wohl auch um Anerkennung. Und, obwohl das niemand so sagt, jetzt da man in Harmonie und positiv gestimmt, branchen- und verwaltungsübergreifend an der Kohärenz arbeiten will, auch darum, welche finanziellen Mittel für die Förderung der jeweiligen Branchen eingesetzt werden. „Der indirekte Einfluss des Tourismussektors auf das Bruttoinlandsprodukt liegt, vorsichtig geschätzt, bei 6,5 Prozent“, sagt Barthelmé und unterstreicht, dass die Branche 15 000 Beschäftigte zählt. „Wenn unsere Künstler im Ausland ihre Exzellenz zeigen, verbessert das unser Image“, gibt Krieps zu bedenken. Für ihn und Barthelmé geht es darum, im Konsens die Trümpfe Luxemburgs zu identifizieren, eine Identität zu definieren, hinter die sich „jeder“ stellen kann und diese Botschaft nach außen zu tragen. Das findet Picard sowieso: „Wir versuchen, die Bankgeheimnisdiskussion mit anderen, positiveren Themen zu über[-]lagern.“ Oder wie Sip-Direktor Mil Jung – „da war nicht viel drin“ – es mit Verweis auf den dürftigen Inhalt des Luxemburger Pavillons bei der Weltausstellung in Shanghai sagt: „Wenn man weiß, was man ist, kann man es darstellen.“ Andererseits wird es auch darum gehen, wie solche Attacken überhaupt erkannt werden und welches Krisenmanagement folgt. Bei Présence Suisse, einer Abteilung des Schweizer Außenministeriums, die für die eidgenössische Imagepflege 45 Mitarbeiter beschäftigt, hat sich die Arbeitsgruppe vor wenigen Wochen, ein System zeigen lassen, mit dem die Schweizer überwachen, was in der Welt über ihr Land gemeldet wird, und ob es positiv oder negativ ist. Instrumente, die man braucht, um zu wissen, was auf einen zukommt, und nicht erst zu reagieren, wenn es zu spät ist, wie Jung findet, der sich dafür in den kommenden Monaten und Jahren einsetzten will. Doch zu wissen was kommt, reicht allein nicht, wenn nicht geklärt ist, wie reagiert wird. Das gilt auch für die Abläufe innerhalb der Verwaltungen. Welche Rollen übernehmen beispielsweise die Luxemburger Botschaften bei der Imagepflege und wie? Und wie geht man mit der ausländischen Presse um, da, wo die Schlagzeilen gemacht werden? Pressereferenten, die proaktiv Journalisten briefen, wie es im Ausland gemacht wird, gibt es in Luxemburg nicht. wo Beamte, Botschafter inklusive, ohne Genehmigung keine Interviews geben dürfen. So wird auf Presseanfragen oft zurückhaltend bis abwehrend reagiert. Ob die Diskussion so weit gehen, wird, bleibt abzuwarten. Diskussionsstoff gibt es reichlich.

Die Konferenz Luxembourg, vu de l’ étranger findet am Mittwoch, den 29. Februar in der Handelskammer statt. Einschreibungen unter inscriptions@promoteluxembourg.lu
Michèle Sinner
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