Zufallsgespräch mit dem Mann in der Eisenbahn

Die Rettung eines mittleren Familienbetriebs

d'Lëtzebuerger Land du 14.02.2020

Das liberale Bürgertum aus Geschäftsleuten, Industriellen, Rechtsanwälten und Beamten der gehobenen Laufbahn misstraute stets der sehr klerikalen und konservativen Monarchie. Bis heute streitet es mit ihr um die Macht im Staat, weshalb Xavier Bettel (DP) nach den Wahlen 2013 lieber nicht abwartete, dass der Großherzog einen Formateur ernannte.

Dem liberalen Bürgertum geht es immer auch ums Geld. Die Zivilliste des König-Großherzogs war eine der Ursachen der Revolution von 1848, und nach den Beschwerden der Höflinge hetzte Premier Bettel dem Großherzog nicht die Gewerbeaufsicht auf den Hals, sondern

den langjährigen Direktor der Finanzinspektion. So kam es, dass ausnahmsweise ein Ökonom die Monarchie begutachtete, statt der von ihren rechtlichen Fiktionen geblendeten Juristen.

Der Monarch ist längst nicht mehr der nassauernde Eigentümer des Staates wie im
Absolutismus. Die Monarchie ist nicht einmal mehr eine reguläre Institution des Staates, wie es das Grundgesetz vorsieht; denn gerade ihrer Verselbständigung sollte Jeannot Waringo nachspüren. Wer seinen Bericht liest, bekommt vielmehr den Eindruck, dass die von einem Staatsoberhaupt erwarteten Pflichten an einen mittelgroßen Familienbetrieb outgesourct sind.

Gegen eine Jahrespauschale und Aufwandsentschädigungen von 14 Millionen Euro
liefert der großherzogliche Hof Dienstleistungen zur Verkörperung der staatlichen Hoheit. Mit den üblichen Nachteilen von Outsourcing, wie falsche Spesen, Missachtung des Arbeitsrechts und heimliches Outsourcen an Nachunternehmer, etwa den Hofmarschall. Streitfälle mit seinem Kunden klärt der Dienstleister über einen Anwalt.

So viel Flexibilität gefällt der Handelskammer. Sie zählt zu den letzten Verfechtern der Monarchie. Denn der Großherzog und der Erbgroßherzog seien bei Wirtschafts-missionen nützlich, um „Türen zu öffnen“. Durch sie schöpfen die Ölscheichs am Golf Ver-trauen, dass das Großherzogtum ebenso vordemokratisch sei wie ihre Emirate.

Wenn aber alle Welt über den Großherzog als Pantoffelheld und die Großherzogin als Xanthippe lacht, drohen sie, der Wettbewerbsfähigkeit des Produktionsstandorts zu schaden. Wer vertraut schon der Großherzogin von Gerolstein sein Geld an, wenn er es in Space Mining anlegen will?

Liberale, Sozialdemokraten und Grüne zögen inzwischen ein bürgerliches Staatsoberhaupt vor, befürchteten sie nicht damit einhergehende politische Verwerfungen. Nach allerlei peinlichen Familienaffären hatte der Großherzog 2015 seinen Familienbetrieb mit modischem Managerismus retten wollen, sich „Generaldirektor“ nennen lassen und einen Generalmanager eingestellt. Doch die Regierung und der parlamentarische Verfassungsausschuss wollen den Großherzog lieber wieder insourcen und zum obersten Staatsbeamten mit Arbeitsvertrag, Sozialversicherung und Finanzaufsicht machen. So wollen die Fensteröffner die Türöffner mit der Wiedereinführung des Erbbeamtentums retten.

Romain Hilgert
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