Wenn Mobilität an Informationsmangel scheitert

Spontan einsteigen schwer gemacht

d'Lëtzebuerger Land du 21.02.2020

„Ich rechne nicht mit einem Benutzerzuwachs.“ Das sagt Mobilitätsminister François Bausch (Grüne) seit das Vorhaben „Gratistransport“ in den Koalitionsvertrag der Regierung gelangt ist. Hauptstadtbürgermeisterin Lydie Polfer (DP) dagegen hofft, dass die Nachfrage steigt und in der Stadt viele spontan Bus und Tram nehmen werden, weil sie sich keine Gedanken mehr um einen Fahrschein machen müssen (d’Land, 25.01.2019). Eine Hürde dafür sah Polfer allerdings vor einem Jahr: Die elektronischen Abfahrt-Anzeigen an den Bushaltestellen der Stadt würden noch nicht über RGTR-Überlandbusse informieren, die dort ebenfalls halten. Eigentlich könne das nicht sein, meinte sie.

Ein Jahr später ist das aber noch immer so. Doch offenbar ist die Lage komplex, wie sich beispielsweise am Peripheriebahnhof Howald erleben lässt: Kurz vor dem Ausgang begegnen Passagiere dem Nonplusultra an elektronischer Information: Ein farbiger Bildschirm teilt nicht nur mit, welche Züge demnächst abfahren, sondern auch welche Busse an den Haltestellen ein paar hundert Meter weiter – und zwar Stater und Überlandbusse.

An den Haltestellen selber ist die Informationslage dagegen weitaus dürftiger. Elektronische Tafeln zeigen nur Überlandbusse an, aber keine des Hauptstadt-Busdienstes AVL, obwohl dessen Linien 3, 16, 29 und 30 dort öfter halten als der Überlandverkehr. So ist das quasi überall in Hauptstadt und Umland. Auch an der Bushaltestelle Rout Bréck auf dem Kirchberg, die seit der Inbetriebnahme von Straßenbahn und Standseilbahn im Dezember 2017 eine große Bedeutung hat: Dort kann zwischen Tram und Funicualaire zur Weiterfahrt per Bus umgestiegen werden. Doch elektronisch angezeigt werden nur AVL-Busse, nicht aber Eurobusse, die das Stadtzentrum durchqueren und ins Umland weiterfahren. Vor zwei Jahren erklärte die AVL-Direktion dem Land, Grund dafür sei, dass „das Signal aus den Eurobussen nicht immer gut ist“. An der Behebung des Problems werde gearbeitet. Zwei Jahre später scheint es noch immer zu bestehen.

Weil mit öffentlichen Verkehrsmitteln mobil sein zu können, nicht nur davon abhängt, wieviel Verkehr die Netze erlauben und ob es genug Busse und Züge gibt, sondern auch von der Verfügbarkeit von Informationen, wie man am schnellsten von A nach B gelangt, könnte der Mobilitätsminister am Ende Recht behalten und der „Benutzerzuwachs“ schon am Informationsmangel scheitern. Denn wie Gilles Dostert, der Generaldirektor des Verkéiersverbond, erklärt, gibt es derzeit auf dem Territorium der Haupstadt eine einzige Stelle, wo die Abfahrten von Überland- und Stater Bussen gemeinsam auf derselben schwarzen Anzeigetafel erscheinen: „Am Umsteigepol Luxexpo erproben wir das seit dem 5. Februar am Bussteig 4.“

Kurz vor Einführung des landesweiten Gratistransports ist das eine ziemlich ernüchternde Auskunft. Impliziert „Erprobung“ doch, dass aus der getesteten Innovation nichts werden könnte. Dostert sagt, geplant sei, „bis Mitte des Jahres an ausgewählten Stellen gemischte Abfahrten anzuzeigen“. Grundsätzlich könnten sowohl die Tafeln des AVL wie auch die für den RGTR die jeweils anderen Busse anzeigen. Es stelle sich aber vorher immer die Frage, „ob ein Plus an Informationen nicht zulasten der Übersichtlichkeit beziehungsweise der Vollständigkeit geht“. Denn manche Tafeln enthielten nur vier Zeilen. So dass an Haltestellen mit vielen Linien und hoher Taktdichte lediglich „dosierte Anpassungen“ möglich seien.

Das ist zwar ebenfalls nicht schön, deutet aber darauf hin, dass sich um die „Verkehrs-Telematik“ nur noch technische Fragen stellen, aber keine politischen mehr. Das war nicht immer so. Pionier in der elektronischen Steuerung von Bussen und der Echtzeit-Anzeige für die Passagiere waren die Hauptstadtgemeinde und ihr Busdienst. Seit 2012 werden die Stater Busse von einem computergestützten Leitsystem dirigiert. Es hat seinen Sitz in der AVL-Zentrale in Hollerich und erfasst per GPS ständig die Position der Busse im Verkehr und im Verhältnis zum „Betriebsfahrplan“. Damit der möglichst eingehalten wird, empfangen die Busfahrer über ein Terminal im Führerstand Anweisungen. Falls nötig, kann das Leitsystem kurzfristig zusätzliche Busse losschicken, bei schwieriger Verkehrslage oder einer Panne etwa. Die Echtzeit-Fahrdaten werden auch zur Information der Passagiere über die großen elektronischen Anzeigetafeln sowie im Innern der Busse für Haltestellenanzeigen und automatische Haltestellendurchsagen genutzt. Vor rund fünf Jahren begann die Gemeinde obendrein in neu errichteten Haltestellenhäuschen Flachbildschirme installieren zu lassen. Sie liefern dieselben Abfahrt-Informationen wie die großen Anzeigen.

Doch schon kurz nachdem die Bus-Telematik in der Haupstadt in Betrieb gegangen war, zeichneten Probleme sich ab. Noch unter CSV-Transportminister Claude Wiseler war beschlossen worden, auch CFL, Tice und RGTR digitale Leitsysteme zu spendieren. Das Projekt mit dem Arbeitstitel RBL (Rechnergestütztes Betriebsleitsystem, weil es bei einer deutschen Firma bestellt wurde) enthielt auch systemübergreifende, landesweite Komponenten: Zum Beispiel ein „E-Ticketing“, das es erlauben sollte, das teure und wenig zufriedenstellende System e-Go durch die mKaart zu ersetzen. Außerdem aber sollte das RBL im Falle einer großen Panne, die nicht nur lokalen Einfluss auf die Lage auf Straßen oder Schienen hätte, für sämtliche Verkehrsträger im Land das Disptaching übernehmen, damit der öffentliche Transport optimal weiterflösse. Für die Hauptstadt und den AVL aber war es lange ein politisches No-Go, dem Telematik-Pionier die Hoheit über seine Busse zu entziehen. Der Konflikt stand auch Bemühungen für vereinheitlichte Anzeigen im Weg.

Mittlerweile wurde er entschärft. Geblieben sind die technischen Probleme, obwohl heute sämtliche Verkehrsdaten aus den diversen Telematik-Systemen – die CFL betreiben für ihre Züge ein separates mit dem schönen Namen Aramis – auf einer Open Data-Plattform frei zur Verfügung stehen. Dennoch informieren auch die Flachbildschirme in Bushäuschen der Hauptstadt allein über AVL-Busse; auch dort, wo RGTR-Busse ebenfalls halten. Der AVL begann vor ein paar Jahren, auf den Flachbildschirmen alle Busse anzuzeigen, brach den Versuch jedoch ab: Obwohl diese Bildschirme mehr Zeilen zur Darstellung bieten als die großen Anzeigetafeln, hätten sie sich als „unterdimensioniert“ erwiesen, sagt der Generaldirektor des Verkéiersverbond. Der AVL sei aber dabei, „ein neues Interface“ einzurichten. Bis Mitte des Jahres solle es in Betrieb gehen.“

So dass in absehbarer Zeit vielleicht manches besser wird, wenngleich wohl noch nicht gut. Was das neue „Interface“ darzustellen erlauben wird, bleibt abzuwarten. Bildschirme wie der am Bahnhof Howald mit seiner Komplettanzeige sind leider nicht ohne Weiteres allgemein einsetzbar: „Sie eignen sich nur für Innenräume, deshalb hängt auch im Innern des Bahnhofs Rout Bréck/Pafendall so ein Bildschirm“, sagt der Verkéiersverbond-Chef. „Für den Einsatz im Freien scheiden sie aus.“

Ganz abgesehen von der Informationslage in der Haupstadt und ihrem Umland ist für die landesweite Installation elektronischer Anzeigen der Kostenpunkt offenbar ein Problem: „Als wir das Leitsystem für den RGTR einzurichten begannen, wollte nahezu jede Gemeinde so eine Anzeigetafel an ihren Bushaltestellen. Als wir darauf hinwiesen, dass jede Anzeige mit Mast und elektrischer Installation 30 000 bis 50 000 Euro kostet, war das den meisten zu viel. Jetzt prüfen wir mit dem Ministerium, an welchen Haltestellen die Anzeigen besonders nützlich wären und bauen sie mit staatlicher Unterstützung auf.“

Und es bleiben noch weitere Mobilitätsbaustellen, was Informationen betrifft. Zum Beispiel am Flughafen, wo ankommende Passagiere, sofern sie sich in Luxemburg nicht auskennen, nach den Haltstellen der Buslinien 16 und 29 suchen müssen, statt nach dem Verlassen der Aérogare unmissverständlich zu ihnen hingeführt zu werden. Sind die Haltestellen gefunden, ragt nur über der der Buslinie 16 eine elektronische Abfahrtanzeige in die Höhe, so dass über Linie 29 nicht nur schlechter informiert wird, sondern sie glatt übersehen werden kann.

Zu allem Überfluss ist auch nicht jede Smartphone-App über den öffentlichen Transport hierzulande gleich leistungsfähig: Die App der CFL bezieht im Unterschied zur App mobilitéit.lu des Verkehrsverbond keine Echtzeitdaten von Bussen in ihre Mobilitätsempfehlungen ein, sondern nur die der Züge. Hat ein Bus Verspätung, kann die CFL-App problematische Vorschläge machen. Dabei kommen beide Apps vom selben Lieferanten. Da kann der Gratisverkehr ja kommen.

Peter Feist
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