Leitartikel

Gebremster Indexwahlkampf

d'Lëtzebuerger Land vom 13.09.2013

Seit vor bald 30 Jahren mit dem Versprechen, die automatischen Indexanpassungen wieder einzuführen, (und dank einer allgemeinen Erhöhung der Abgeordnetenzahl) die LSAP ihre Parlamentsfraktion um 50 Prozent vergrößern konnte, wurde der Indexwahlkampf in seiner heute bekannten Form zu einer festen Einrichtung. Den aktuellen Anstoß dazu gab der bisherige Premierminister Jean-Claude Juncker, als er im März, zu einem Zeitpunkt, da noch kaum jemand die Notwendigkeit vorgezogener Wahlen vermutete, die CSV aufforderte, in ihr Wahlprogramm zu schreiben, dass sie in den nächsten „drei oder vier Jahren, so lange die Krise anhält“, den Index „deckeln“ wolle. Dazu wird sie nun Gelegenheit haben, wenn sie ihr Wahlprogramm in einer Woche verabschieden soll.

Allerdings wird die CSV mit ihrem Vorschlag recht einsam da stehen. Denn diese Woche dämmerte es sogar der Handwerkskammer, dass ihre mittelständischen Betriebe mit einem auf den doppelten oder dreifachen Mindestlohn beschränkten Index kaum einen Euro Lohnkosten sparen. Nachdem sich die Handwerksmeister nun offiziell vom gedeckelten Index verabschiedet und die Forderung der großen Schwester Handelskammer nach einer restlosen Desindexierung der Volkswirtschaft übernommen haben, unterstützt nur noch die Piratenpartei die CSV in ihrem Bestreben, den Index zu deckeln. Das überrascht nicht. Denn vor drei Jahren hätte selbst Pre­mier Jean-Claude Juncker lieber die Treibstoffpreise aus dem Indexwarenkorb entfernt und als Gegenleistung den kostenlosen öffentlichen Personentransport eingeführt. Andererseits gibt es bezeichnenderweise keine einzige Partei, welche die Unternehmerforderung nach einer Abschaffung des Index übernehmen will.

Wie die Geschichte ausgehen wird, lässt sich bereits absehen. Denn die LSAP, die noch vor wenigen Monaten den automatischen Index wieder einführen wollte; die DP, die eine Tranche ausfallen lassen und den Warenkorb reduzieren wollte; und die Grünen, die einst Junckers „ökologischen Index“ begrüßten, erklärten sich einer nach dem anderen bereit, im Zweifelsfall das gegenwärtige System einer Indextranche jährlich fortzuführen. Durch diese Einmütigkeit überlässt keine Partei der anderen im Wahlkampf einen Wettbewerbsvorteil auf einem politisch noch immer brisanten Gebiet. Zudem tut das ohne allzu großen Widerstand der Gewerkschaften durchgesetzte System zumindest auf der Seite der Lohnabhängigen und Rentner niemandem weh. Denn eine Indextranche jährlich macht eine 2,5-prozentige Bruttolohnerhöhung aus, während die jährliche Inflationsrate vorigen Monat bei 1,8 Prozent lag; die durch einen schönen Zufall ausgerechnet im kommenden Wahlmonat ausgezahlte Indextranche ist diejenige, die im Februar dieses Jahres fällig wurde. Das scheinen die Wähler so ähnlich zu sehen. Denn laut einer Mitte Juli durchgeführten Umfrage hielt nur ein Drittel der Befragten eine jährliche Tranche für eine gute Idee, aber drei Viertel hielten sie für persönlich annehmbar.

Also dürfte der Index auch kein größeres Hindernis bei der Bildung einer Koali­tion darstellen. Denn die vier im Parlament vertretenen Fraktionen sind sich einig, dass eine Fortsetzung der Indexmanipulation im Interesse der internationalen Wettbewerbsfähigkeit nötig sein könnte. Auch wenn die seit vier Jahren von den LSAP-Wirtschaftsministern versprochene Reform des großherzoglichen Reglements von 1985 mit neuen „Warnleuchten“ für Indexmanipulationen bis heute ausblieb. LSAP, DP und Grüne sind sich sowieso einig, und statt eine Koalition am Index scheitern zu lassen, kann die CSV mit einer Tranche jährlich als Kompromiss leben. Schließlich haben CSV, LSAP, DP und Grüne schon im Januar 2012 für eine Tranche jährlich bis Ende 2014 gestimmt. Damals sollten die Wahlen noch nächstes Jahr stattfinden.

Romain Hilgert
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