Noch zehn bis 15 Jahre lang bleibt viel in den Wasserbereich zu investieren. Aber ist er auch sinnvoll organisiert?

Reibungs- und Leckverluste

Blick auf eine Kläranlage
Foto: Patrick Galbats
d'Lëtzebuerger Land vom 02.11.2018

Vergangene Woche erstatteten staatliche Verwaltungen Vertretern von DP, LSAP und Grünen in Vorgesprächen zu Koalitionsverhandlungen Bericht über ihre Ressorts. Am Donnerstag war die Reihe am Wasserwirtschaftsamt. Als Formateur Xavier Bettel (DP) am Abend sagte, „es muss noch viel in die Infrastruktur investiert werden“, habe er den Wasserbereich gemeint, glaubt Jean-Paul Lickes, der Direktor des Wasserwirtschaftsamts. „Wir waren an dem Tag die einzige Verwaltung, die mit Investitionen zu tun hat, und ich habe gesagt, in den Wasserbereich müsse noch zehn bis fünfzehn Jahre lang viel investiert werden.“

Dass das noch derart lange so sein soll, erscheint nicht gleich einleuchtend. Zwar hatte die für die Wasserpolitik zuständige Umweltministerin Carole Dieschbourg (Grüne) im März eine Studie präsentiert, laut der Mitte der 2030-er Jahre in Luxemburg das Trinkwasser knapp werden könnte. Selbst wenn bis 2021 die Aufbereitungsanlage am Stausee in ihrer Tages-Kapazität um 40 000 Kubikmeter ausgebaut sein wird und die Gesamtkapazität im Lande, alle Quellen eingeschlossen, dann 218 000 Kubikmeter beträgt. Dieschbourg deutete an, die Gewinnung von Trinkwasser aus der Mosel durch Uferfiltration prüfen zu lassen. Griffe man darauf tatsächlich zurück, würde das vermutlich teuer. Die Ministerin stellte außerdem die Grundzüge einer Strategie vor, wie sich über die nächsten zwei Jahrzehnte der Wasserverbrauch durch unterschiedlich einschneidende Maßnahmen um 14 bis 31 Prozent senken lassen könnte. Manche davon würden Investitionen erfordern – so dass es alles in allem verständlich erscheint, dass in der Trinkwasserversorgung viel zu tun bleibt.

Aber andererseits hob im Sommer die EU-Kommission die Strafe auf, zu der der EU-Gerichtshof Luxemburg vor fünf Jahren verurteilt hatte: Weil zwei große Kläranlagen nicht der EU-Siedlungswasserrichtlinie entsprachen, musste der Luxemburger Staat gleich nach dem Urteil zwei Millionen Euro an den EU-Haushalt abführen und anschließend 2 800 Euro für jeden Tag, der bis zur „Konformität“ verging. Erreicht war die, als der Neubau der Kläranlage Bleesbrück fertig war. Ihr Betreiber, das interkommunale Nord-Abwassersyndikat Siden, hatte es sogar geschafft, Bleesbrück zwölf Monate früher als geplant auf den Stand zu bringen, den die EU-Regeln verlangen. Die Strafrechnung fiel am Ende mit insgesamt 6,2 Millionen Euro kleiner aus als befürchtet. Gibt es dennoch auch im Abwasserbereich noch viel zu tun?

Anscheinend vor allem dort. Unter die EU-Siedlungswasserrichtlinie fallen nur große Kläranlagen. Bleesbrück ist eine der größten im Land. Was nun ansteht, sind Neubau oder Renovierung kleiner und mittlerer Anlagen, die meist 30 Jahre oder älter sind. Und es stellt sich die Frage, was mit jenen 107 Klärwerken wird, die ebenfalls alt sind und so klein, dass ihre Kapazität nur 100 bis 200 „Einwohner-Gleichwerten“ entspricht – ein technisches Maß für die Abwasserlast. Außerdem arbeiten die 107 Anlagen rein mechanisch, bei starkem Regen können abgelagerte Sedimente aus solchen Klärbecken in die Bäche geschwemmt werden. Und: 2017 waren 14 126 Einwohner noch an gar keine Kläranlage angeschlossen, hielt das Wasserwirtschaftsamt in seinem Jahresbericht fest. Ihre Abwässer werden in Sickergruben gesammelt, die regelmäßig leergepumpt werden.

Ende 2015 machte ein Wasserbewirtschaftungsplan vor allem im Abwasserbereich Handlungsbedarf aus, der stark ins Geld schlüge: Von einem geschätzten Investitionsaufwand von 1,51 Milliarden Euro im ganzen Wassersektor bis zum Jahr 2021 seien 1,1 Milliarden für Abwasser nötig. Rund 500 Millionen Euro allein für Kläranlagen, der Rest für die Renovierung maroder Abwasserkanäle und für den Bau von Abwasser-Pumpwerken und Regenwasser-Überlaufbecken.

„Bei der Umsetzung des Bewirtschaftungsplans tut sich schon was“, sagt Jean-Paul Lickes. Im Abwasserbereich seien zum 1. März dieses Jahres von insgesamt 1 257 Vorhaben 49 abgeschlossen und 631 „in Umsetzung“ gewesen. Von Letzteren seien mittlerweile „einige fertig und bloß noch nicht eingeweiht“. Darunter sind 23 Kläranlagen-Neubauten und 21 Ausbauten.

Allerdings läuft Luxemburg der Entwicklung hinterher. Auch bei den großen Kläranlagen: Kürzlich ausgebaute und modernisierte sind mittlerweile schon wieder zu klein. „Für die Anlagen in Petingen und in Esch arbeiten wir an den Finanzierungsgesetzen zum Ausbau“, sagt Lickes. Und werde die Beggener Kläranlage, die mit Abstand größte im Land, demnächst fertig modernisiert, werde gleich danach auch für sie das Finanzierungsetz zum Ausbau nachgeschoben, „weil auf dem Kirchberg und im Ban de Gasperich so viel Abwasser neu hinzukommt“. Aus Sicht des Wasserwirtschaftsamts sei „das Wachstumstempo Luxemburgs schwindelerregend“. Zumal nun die großen Kläranlagen mit einer „vierten Reinigungsstufe“ nachgerüstet werden sollen. Sie würde auch Mikroschadstoffe aus dem Abwasser filtern, darunter Medikamentenrückstände, Reste von Seifen, Shampoos und organischen Chemikalien überhaupt. „Leider kann man solche Lösungen nicht von der Stange kaufen“, sagt Lickes. Man müsse sie für jede Anlage einzeln konzipieren, je nachdem, welche Art von Abwasser dort anfällt. „Ist ein Krankenhaus im Einzugsbereich, hat das Abwasser eine andere Zusammensetzung als wenn zum Beispiel ein Schlachthof da steht.“

Gut möglich ist aber, dass die Umsetzung dieser Pläne in der neuen Legislaturperiode nicht nur vom Geld abhängig sein wird. Oder besser: dass sich mit dem Geld auch politische Fragen verbinden. Der DP-LSAP-Grüne-Regierung war es viel besser als ihrer Vorgängerin gelungen, Wasserpolitik als Wasserschutzpolitik zu betreiben. Schutzgebiete um Trinkwasserquellen wurden ausgewiesen, Anrainer aus der Landwirtschaft nach und nach zur Mitarbeit beim Quellenschutz gewonnen. Die Renaturierung von Bach- und Flussbetten wurde vorangetrieben – wobei katastrophale Überschwemmungen im Ernztal im Sommer 2016 und im Müllerthal dieses Jahr zeigten, dass begradigte und betonierte Wasserläufe das Hochwasserrisiko steigern.

Dagegen war unter der CSV-LSAP-Regierung vor allem über den Wasserpreis und sein „Kostendeckungsprinzip“ diskutiert worden. Was unter anderem an Versprechen von CSV-Premier Jean-Claude Juncker lag: Erst stellte er der Landwirtschaft einen „landesweiten Einheitspreis“ von einem Euro pro Kubikmeter Trinkwasser in Aussicht. Dann zählte Ende 2011, nachdem die Tripartite gescheitert war und die CSV-LSAP-Regierung den Index zu manipulieren beschlossen hatte, zu Junckers Versprechen auf soziale Kompensationen auch eine „landesweite Sozialstaffelung“ im Wasserpreis. Die Nord-CSV und ihr Wortführer Aly Kaes, député-maire aus Tandel und Präsident des Abwasser-Syndikats Siden, verlangten darüber hinaus generell landesweit einheitliche Wasserpreise für Landwirtschaft, Industrie und alle anderen Verbraucher. Der damals fürs Wasser zuständige CSV-Innenminister Jean-Marie Halsdorf konnte die Debatte erst beenden, nachdem das Wasserwirtschaftsamt ausgerechnet hatte, ein landesweiter Einheitspreis bringe für 89 Prozent der Leute eine Preiserhöhung mit sich (d’Land, 15.03.2013).

Die liberale Koalition vermied eine Preisdebatte. Es könnte aber sein, dass sie wieder aufflammt. Wahrscheinlich passiert das schon hinter den verschlossenen Türen zu den Koalitionsverhandlungen, denn einen „gestaffelten Wasserpreis“ zur „Reduzierung der Trinkwasserverschwendung“, hatte die LSAP in ihrem Wahlprogramm angekündigt, DP und Grüne hingegen nicht. Die Preisdiskussion könnte sich aber auch auf verschlungenen Wegen erneut Bahn brechen. Und mit ihr eigentlich gemeint sein, wer für welchen Teil der Wasserpolitik sinnvollerweise zuständig sein sollte. Unter anderem auch für die Infrastruktur, die gerade im Abwasserbereich so teuer zu stehen kommt.

Denn prinzipiell sind Trinkwasserversorgung und Abwasserbehandlung mit allem, was dazu gehört, Sache der Gemeinden. Sie zählen laut Gesetz zu deren „obligatorischen Missionen“. Doch vom Gemeindeverband Syvicol ist zu hören, vor allem Dörfer im Norden des Landes hätten Schwierigkeiten, ihre Engagements zu Neubau und Modernisierung von Kläranlagen einzuhalten. Weil der Nachholbedarf so groß ist, finde man kaum noch Firmen als Auftragnehmer, und finde man sie, verlangten sie höhere Preise als noch vor zwei Jahren: Dass es in Luxemburg viel zu tun gibt, spreche sich herum.

Gleichzeitig stehen die Gemeinden unter Druck, ihre Abwasserinfrastruktur auf Vordermann zu bringen: Im Sommer 2017 änderte die DP-LSAP-Grüne-Koalition das Wasser-Rahmengesetz. Gegen die Stimmen der CSV, die verschiedene Änderungen für „unrealistisch“ hielt. Zum Beispiel die 24-Monate-Frist für Abwasserprojekte: Sie werden seit der Gesetzesänderung nur noch zu 50 Prozent aus dem staatlichen Wasserfonds subventioniert, vorher waren es 65 Prozent. Doch vor allem Kläranlagenplanungen können lange dauern. Und der Beihilfensatz für Abwasservorhaben war schon in der Vergangenheit gesenkt worden. Das Sparpaket der CSV-LSAP-Regierung kürzte ihn 2010 von 90 auf 70 Prozent. Mit dem Zukunftspak der DP-LSAP-Grüne Regierung wurde er auf 65 Prozent gesenkt. Ins neue Wassergesetz kam deshalb eine Überagangsklausel: Wer ein Projekt innerhalb von 24 Monaten nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung ausschreibt, erhält noch die alten Beihilfensätze. Womöglich sogar 90 Prozent, falls das Vorhaben schon lange anhängig ist. Vorausgesetzt, es wird spätestens nächstes Jahr ausgeschrieben.

Doch Schwierigkeiten wegen nicht verfügbaren Auftragnehmern und gestiegenen Preisen scheint es tatsächlich zu geben. „Wir sehen das am Wasserfonds“, sagt der Direktor des Wasserwirtschaftsamts. Teile von Kläranlagen-Ausschreibungen hätten annulliert werden müssen, und verschiedene Preise seien um bis zu hundert Prozent gestiegen. „Wir haben da Arbeit für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre geschaffen, haben aber Probleme, sie erledigen zu lassen.“ Auf allein Luxemburger Firmen werde nicht zurückgegriffen: „Die Auftragnehmer kommen schon jetzt auch aus dem Umland. Aus der Eifel zum Beispiel, aber auch aus Lüttich oder Namur.“

Im Umweltministerium will man noch nicht von einem Engpass sprechen. Ministerin Carole Dieschbourg habe angeordnet zu prüfen, ob die Auftragsvergabe abgesehen von Luxemburger Firmen in erster Linie an deutsche erfolgt und ob es im französischsprachigen Raum Reserven geben könnte, sagt Dieschbourgs Generalkoordinator André Weidenhaupt. Zwar scheint es danach nicht unbedingt auszusehen, wenn das Wasserwirtschaftsamt auch belgische Firmen in Aktion sieht, aber: „Wir prüfen das“, so Weidenhaupt.

Vielleicht ist das auch ein politisches Schutzargument. Denn die Fristen stehen nun mal im Gesetz. Carole Dieschbourg wollte durch sie die „Dynamik“ bei der Verbesserung der Abwasserinfrastruktur aufrechterhalten, wie sie dem parlamentarischen Umweltausschuss am 5. April 2017 erläuterte. Und Dynamik ist ohne Zweifel nötig, wenn man bedenkt, was zu tun bleibt im Abwasserbereich und dass Investitionen in Kläranlagen und lokale Abwasserkanäle vor allem für Landgemeinden lange keine Priorität waren. Oder in der Moselgegend, die noch vor ein paar Jahren eine kläranlagenfreie Zone war, in der die Abwässer einfach in den großen Fluss liefen.

Doch auch aus diesen Gründen hatte die Nord-CSV ab 2006 und besonders laut ab 2011 eine „nationale Solidarität“ und „landesweit einheitliche Wasserpreise“ verlangt. Eigentlich müssten Neubau und Renovierung der Abwasserinfrastruktur überhaupt nicht subventioniert, sondern durch die Einnahmen aus dem Wasserpreis bezahlt werden. Das Kostendeckungsprinzip für den Wasserpreis führte im Jahr 2000 die EU-Wasserrahmenrichtlinie ein. Doch in Luxemburg allein den Wasserpreis dafür zu nehmen, wäre ziemlicher Wahnsinn angesichts des großen Nachholbedarfs. Nicht einmal grobe Schätzungen darüber, welche Höhen der Wasserpreis dann erreichen müsste, wurden öffentlich angestellt. Deshalb nutzt Luxemburg eine Klausel in der Richtlinie und subventioniert über den staatlichen Wasserfonds einen Teil der nötigen Projekte. Damit es nicht nur die Staatskasse ist, die den Fonds dotiert, fließen in ihn auch die Trinkwasser- und die Abwasserabgabe ein, die zurzeit mit zehn beziehungsweise 16 Cent auf jeden Kubikmeter Wasser aufgeschlagen wird. Eine nationale Solidarität besteht über diesen Fonds also bereits. Und nicht nur Abwasserprojekte bezuschusst er: Die Gesetzesänderung vom letzten Jahr erhöhte den Zuschuss für Trinkwasserprojekte auf 50 Prozent, für Bach- und Flussbett-Renaturierungen auf 90 und für Hochwasserschutzvorhaben auf hundert Prozent.

Doch wie das Wasserwirtschaftsamt schätzt, wendet höchstens die Hälfte aller Gemeinden im Land das Kostendeckungsprinzip im Wasserpreis so an, wie es eigentlich sein sollte. In der großen politischen Preisdebatte zwischen 2011 und 2013 hatte die Behörde, die damals noch dem Innenminister unterstand, mit viel Mühe eine Excel-Tabelle mit Kostenpunkten aufgestellt, die in die Preisbestimmung eingehen sollten. Daraus sollte sich ein „landesweit harmonisierter Wasserpreis“ für jede der drei Verbraucherkategorien Industrie, Landwirtschaft und den Rest ergeben. Für den „Rest“, darunter die Privathaushalte, sollte der Kubikmeterpreis in allen Gemeinden höchstens sieben Euro betragen; selbst wenn von Gemeinde zu Gemeinde ganz unterschiedlich viel an der Infrastruktur zu tun bleibt. Aber wenn das Wasserwirtschaftsamt heute meint, höchstens die Hälfte der Gemeinden sei „konform“, ist damit weniger gemeint, wer sich an die Excel-Tabelle zur Wasserpreisberechnung hält. Sondern dass sich nicht genau sagen lässt, wer die Einnahmen aus dem Wasserpreis tatsächlich für Wasser-Ausgaben aufwendet.

So dass „Solidarität“ nicht nur über den Wasserfonds funktioniert, sondern auch über die allgemeine Gemeindefinanzierung und den interkommunalen Finanzausgleich: Muss in Wasser- und Abwasserinfrastruktur investiert werden und es fehlt das Geld dafür, bleibt die Kreditaufnahme. Ist eine Gemeinde nicht zu hoch verschuldet, genehmigt das Innenministerium so ein Darlehen auch, schließlich gilt Gemeindeautonomie. Aber damit wird die „Dynamik“ bei Investitionen im Wasserbereich abhängig von allen möglichen Finanzierungskanälen. Und in Wirklichkeit sind es nicht in erster Linie die Gemeinden selbst, die solche Projekte initiieren, sondern die Trinkwasser- und Abwasser-Syndikate, in denen fast alle Gemeinden regruppiert sind. Im Abwasserbereich ist das besonders ausgeprägt: Abgesehen von Luxemburg-Stadt und ein paar ihrer Randgemeinden sind alle anderen Mitglied in irgendeinem Abwasser-Syndikat. Das größte von ihnen, das Nord-Syndikat Siden mit Sitz in Bettendorf, hat mehr Mitarbeiter als das Wasserwirtschaftsamt.

Die politisch entscheidende Frage ist deshalb vermutlich gar nicht die, ob die Wasserpreise stimmen und wie gerecht sie sind. Ob sie „gestaffelt“ sein sollten, wie die LSAP sich das vorstellt, und ob es ein Menschenrecht ist, jedem Bürger 20 Liter Trinkwasser gratis zuzugestehen, wie Dan Kersch das in Monnerich durchsetzte, als er dort Bürgermeister war, und ob mehr „Solidarität“ zwischen den Gemeinden vonnöten wäre – gerade jetzt, da Kläranlagen-Firmen mehr Geld verlangen. Die entscheidendere Frage ist vermutlich, ob der Wassersektor wirklich gut organisiert ist, wenn die Zuständigkeit bei den Gemeinden liegt und sie die an Syndikate auslagern. Wäre nicht jeweils ein großes Syndikat für den Trink- und den Abwasserbereich, je zur Hälfte getragen von Staat und Gemeinden, besser?

Zuletzt hatte diese Frage der Rechnungshof angerissen, als er 2014 den Kläranlagenbau analysierte. Und herausfand, dass Planungen dafür mitunter viele Jahre dauern und es eigentlich kein Ausdruck von koordinierter Abwasserpolitik sei, wenn im kleinen Land die Initiative für Kläranlagenprojekte von den Abwasser-Syndikaten ausgeht, aber das staatliche Wasserwirtschaftsamt dafür geradestehen muss, wenn die Klärkapazität nicht reicht. Dass die Syndikate „undurchsichtig“ seien, fand der Rechnungshof auch (d’Land, 02.05.2014).

Die Option „Einheits-Syndikat“ hatte allerdings im Frühjahr 2013 auf dem Tisch gelegen, als der damalige CSV-Innenminister über die Wasserpreise, den „Einheitspreis“, den „harmonisierten Preis“ und was damit alles zusammenhinge, diskutieren ließ. Die vielen Syndikate zu fusionieren, war verworfen worden: Sie beizubehalten, wurde als die denkbar beste Garantie dafür bezeichnet, dass Wasserversorgung und Abwasserbehandlung nicht eines Tages privatisiert würden. Gäbe es nur je ein Syndikat für Trinkwasser und Abwasser oder gar ein einziges für alle Wasserbelange, sei das ein Risiko.

Viel weniger deutlich wurde damals, dass diese Frage innerhalb der politischen Parteien zu den besonders wenig konsensfähigen gehört. Manche Schöffenratsmitglieder wollen nicht auf die Jetons verzichten, die sie für die Mitarbeit in Syndikatsvorständen erhalten. Und Parteileitungen entsenden nicht ungern treue Parteisoldaten in die Syndikatsführungen. So dass, da heute so viel zu tun und zu investieren bleibt im Wasserbereich, die Organisationsfrage durchaus wieder gestellt gehört. Dass die Organisation öffentlich zu bleiben habe, könnte durch ein Gesetz festgeschrieben werden. Im EU-Ausland sinkt die Akzeptanz privater Wasserakteure immer weiter. Sogar in Frankreich, das vor Jahrzehnten ein Vorreiter bei der Wasser-Privatisierung war, nimmt die öffentliche Hand sich die Zuständigkeit nach und nach zurück, zumindest für die Netzinfrastruktur.

Doch dass in Luxemburg die Frage nach der Wasser-Organisation ernsthaft gestellt werden könnte, ist nicht sehr wahrscheinlich. Keiner der drei potenziellen alt-neuen Koalitionspartner widmete ihr in seinem Wahlprogramm auch nur ein Wort. Und selbst die CSV mit ihrem „Plang fir Lëtzebuerg“ schien nicht recht zu wissen, was sie wollte, versprach an einer Stelle ihres Programms die Zahl der Syndikate auf „leistungsfähige“ zu reduzieren, fand an anderer Stelle plötzlich, „mittelfristig“ müsse je ein Syndikat für Trink- und für Abwasser her.

Peter Feist
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