Große Männer

Moneyfucker

d'Lëtzebuerger Land du 23.09.2011

Heute loben wir die Vorbildfunktion großer Männer. Herr Strauss-Kahn zählt zweifellos zu diesen exemplarischen Lichtgestalten. Leider wurde ihm übel mitgespielt von Zeitgenossen, die kein Verständnis haben für Herzenswärme, Zuwendung, Empathie und Hilfsbereitschaft. Nach seinem Auftritt im französischen Fernsehen erreichten die infamen Kommentare gar einen neuen Höhepunkt. Das sei erbärmliches Schmierentheater gewesen, eine triste Farce, ein abgekartetes Spielchen zwischen dem abgefeimten Herrn Strauss-Kahn und der opportunistischen Kondolenztante Claire Chazal.

Entschuldigung, waren wir vielleicht im falschen Film? Wir haben da etwas ganz anderes gesehen, nämlich einen äußerst feinfühligen Menschen, der einen «moralischen Fehler» eingestand und bei allen um Vergebung bat: bei seiner Frau, seinen Kindern und den Franzosen insgesamt. Das sind immerhin rund 60 Millionen Individuen, die er in seine Vergebungsbitte eingebunden hat. Wir können also sagen, dass Herr Strauss-Kahn ein sehr massenwirksamer Mann ist. Zwar hat er vergessen, sich auch bei Frau Nafissatou Diallo zu entschuldigen, aber schließlich trat er im französischen Fernsehen auf und nicht im amerikanischen. Ohnehin müssen wir uns fragen, ob Frau Diallo überhaupt der französischen Sprache mächtig ist.

Noch nebulöser ist, ob diese Frau [-]irgendetwas vom Internationalen Währungsfonds versteht. Sie weiß wahrscheinlich nicht, dass der Direktor dieser menschenfreundlichen Institution von Berufs wegen eine Art Liebeskünstler ist. Das viele Geld, über das er verfügt, will er liebevoll unter die bedürftigen Völker bringen. Nichts anderes als diesen permanenten Liebesdienst hat er im Sinn. Es will ja wohl keiner bestreiten, dass Frau Diallo einem bedürftigen Volk entstammt. Und ausgerechnet diese Dame, die vermutlich so arm ist wie eine Kirchenmaus, entzieht sich brutal der Liebe von Herrn Strauss-Kahn. Hat sich der IWF denn nicht vorrangig mit bemerkenswerter Großzügigkeit den Afrikanern zugewandt? Ist es denn nicht vollkommen logisch, dass Herr Strauss-Kahn seine pekuniäre Zuwendung mit einer privaten Sympathiebekundung verlängert? Warum sollte er eine leibhaftige Afrikanerin nicht tröstend in seine Arme schließen, wenn sie ihm schon unverhofft über den Weg läuft? Warum weiß Frau Diallo diese uneigennützige Geste nicht zu schätzen? Wieso reißt sie sich frech von ihrem Gönner los, und zwar so ungestüm, dass der arme Herr Strauss-Kahn mit vollem Körpergewicht auf sie stürzt? Springt man so mit einem hoch qualifizierten Tröster der Betrübten um?

Ja, es ist ein Kreuz mit den armen Schluckern. Herr Strauss-Kahn, dem das Geld bündelweise aus allen Taschen hängt, weiß ein Lied davon zu singen. Die unterentwickelten Länder strotzen nur so von un[-]dankbaren Spendenempfängern. Es scheint eine schlechte Sitte der Afrikaner zu sein, immer wieder voller Verachtung in die Hand zu beißen, die sie ernährt. Der IWF wird für seine karitativen Unternehmungen leider nicht belohnt. Wenn es sogar dem Direktor übelgenommen wird, dass er ein bedauernswertes Kind vom schwarzen Kontinent wenigstens symbolisch ein bisschen streicheln will, dann müssen wir uns fragen, ob wir als Wertegemeinschaft nicht völlig versagt haben. Was passiert denn, wenn man einen derart vorbildlichen Menschen wie Herrn Strauss-Kahn aus heiterem Himmel unter Verdacht stellt? Wir haben es ja erlebt. Dann weiß er plötzlich nicht mehr, was er mit dem vielen Geld machen soll, das er den Afrikanern zugedacht hat. Dann ist er plötzlich gezwungen, sich eine millionenteure Luxussuite in New York zu mieten, um wenigstens den produktiven Geldfluss nicht zu behindern. Dann muss er improvisieren und ganze Geldströme umleiten, damit die IWF-Politik wenigstens der Form halber im Gleichgewicht bleibt. Von all diesen komplizierten Vorgängen hat Frau Diallo natürlich keinen Schimmer.

Uns tut der liebestüchtige Herr Strauss-Kahn schrecklich leid. Nur allzu gerne möchten wir ihm helfend zur Seite stehen. Wir hätten da übrigens eine Idee. Wenn schon die realen Menschen, also jene aus Fleisch und Blut, ihm ständig in den Rücken fallen (oder auf den Bauch, je nachdem), sollte er kurz entschlossen umdisponieren und die Objekte seiner Gunst gezielt entschärfen. Das heißt, er sollte sich nicht länger in Gesellschaft böser Kreaturen begeben. Wir würden ihm sofort eine aufblasbare Gummipuppe schenken. Natürlich eine im Afrolook. Es könnten auch mehrere Puppen sein, ganz nach seinem Gusto, vor allem ein blondes französisches Püppchen macht sich immer gut im Sortiment. Diese folgsamen und ergebenen Liebesattrappen ersparen ihm nicht nur jeden Ärger mit der Justiz, sie sind auch transportabel und nehmen, schön zusammengefaltet, nicht viel Platz in seinen Koffern ein. Auf diese Weise könnte er ganz gefahrlos in allen Hotelzimmern der Welt immer das tun, was er am besten kann: nach Herzenslust blasen. Eine aufblasbare Präsidentenpuppe darf er sich selbstverständlich auch wünschen. Aber die platzt schneller.

Guy Rewenig
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