Konsum als patriotische Pflicht

d'Lëtzebuerger Land du 26.06.2020

„Smile again“ heißt die Kampagne mit dem knallgelben Smiley, mit der Mittelstandsminister Lex Delles (DP) dem Einzelhandel und den Luxemburger Kleinunternehmen unter die Arme greifen will. Der Gedanke dahinter ist löblich: Mit kleinen Firmenporträts soll die hiesige Kundschaft nach dem wochenlangen Lockdown wieder in die Geschäfte gelockt werden.

Eine Luxemburger Version des Think global, Act local in rot-weiß-blauen Nationalfarben, nur dass die Charme-Initiative steif und inszeniert wirkt und Michel Reckingers ausdrückliche Aufforderung, im eigenen Land einzukaufen, leicht nationalistisch klingt. Trotz Pflegepersonal aus der Region Grand-Est – beim Bemühen, der Wirtschaftsflaute zu entkommen, ist jedes Land sich selbst das nächste. Denn trotz 136 Millionen Soforthilfe in Form von Notkrediten scheint eine Pleitewelle im Handel nur eine Frage der Zeit.

Um dem zu trotzen, denken einige Geschäftsinhaber/innen um: Not macht erfinderisch, heißt ein altes Sprichwort, viele Geschäfte haben ihr Online-Angebot erweitert, und im Hotel- und Gaststättengewerbe haben manche tatsächlich charmante Wege gefunden, Social-Distancing-Auflagen, Maskenpflicht und freundlichen Kundenservice miteinander zu verbinden. Manch ein Café war „ready“ und hat direkt nach den ersten Lockerungen auf gemütlichen Straßenverkauf umgestellt; Sitzgelegenheit vorm Fenster inklusive. Solche Ideen kommen bei der Kundschaft an, davon zeugen die Schlangen, die sich schon morgens vor dem Lokal bilden.

Auch im Bahnhofsviertel zeigen kleine Läden, dass sich Mehraufwand lohnt: Ein türkischer Imbiss hatte ebenfalls früh auf Straßenverkauf gesetzt, Plexiglasabtrennungen zwischen den Tischen sorgen dafür, dass sich die Kundschaft trotz Covid-19 sicher genug zum Verweilen fühlt. Das Eckcafé mit Blick auf den Luxemburger Bahnhofs-
kiez läuft traditionell gut, sobald die ersten Sonnenstrahlen kitzeln. Und Sonne und blauen Himmel gab es während dieser Pandemie reichlich. Außerdem ist es weit genug weg von den riesigen Baugruben, mit der das Tramvorhaben die Nerven der Kunden und Lokalbesitzer strapaziert.

Wer früh genug in den Startlöchern war, scheint schneller wieder an Boden zu gewinnen. Eine Brasserie in Bonneweg hatte mit Weinausschank gleich nach der Aufhebung der kollektiven Quarantäne begonnen, nach dem Motto: Ertränken wir unsere Sorgen; abends ist auf der Terrasse kaum mehr ein freier Platz zu finden.

Wie ökologisch oder nachhaltig konsumiert wird, ist dabei Nebensache: Hauptsache, das Geld geht über eine luxemburgische Ladentheke. Das Gerede vom pandemiebedingten Neuanfang; eine Stunde Null gab es nicht und wird es nicht geben: Die Luxair lädt zum grenzenlosen Fliegen ein, als habe es die Klima-Proteste und das Pariser Umweltschutzversprechen nie gegeben, Werbeklitschen faseln nach zwangsweisem Autofasten von wiedergewonnener Freiheit. Derweil kündigen kilometerlange Staus auf den Autobahnen die Rückkehr der Pendler/innen an und lassen die neue Normalität wie eine Drohkulisse aussehen.

Andere denken sich, nach Corona ist vor Corona. Es ist verzwickt: Um zahlungsfähige Kundschaft anzulocken, müssen Geschäfte Präsenz zeigen und sich mehr als sonst in Szene setzen. Das kostet Energie und Geld. Inhaber/innen mussten Angestellte entlassen oder Schulden machen, um das Personal im Lockdown bezahlen zu können. Manche Schaufensterauslage ist unverändert, um Punkt sechs werden die Stühle hochgestellt.

Das geht vielleicht eine Zeit gut; aber wie meistens in der Krise dürfte es die kleinen Läden später besonders hart treffen. Oder es ergeht ihnen, wie jüngst ein Leserbriefautor schrieb: Weil sein auserwähltes Restaurant nach dem Lockdown an starren Öffnungszeiten festhielt, buchte er kurzerhand einen Tisch auf der anderen Seite der Mosel. Ist, von dort aus gesehen, auch lokal.

Ines Kurschat
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