Zufallsgespräch mit dem Mann in der Eisenbahn

Biotanktourismus der zweiten Generation

d'Lëtzebuerger Land vom 06.03.2020

Als mutig und zukunftsweisend stellten dieser Tage zwei grüne Minister den Integrierte[n] nationale[n] Energie- und Klimaplan vor. Bescheidener handelt es sich um die Ausführungsbestimmung zu einer EU-Verordnung, die „ein zuverlässiges, inkludierendes, kosteneffizientes, transparentes und berechenbares Governance-System für die Energieunion und für den Klimaschutz“ vorschreibt (S. 1), also europäische Firmen im Konkurrenzkampf gegen die amerikanische und chinesische Konkurrenz stärken soll. Der Plan ist in demselben abstoßenden Technokratenjargon wie die Verordnung verfasst.

Der nationale Klimaplan verspricht „ein Energieeffizienzziel von 40-44%“ bis 2030 (S. 10). So soll die Umwelt geschont und der Anteil des zirkulierenden konstanten Kapitals an den Produktionskosten wieder gesenkt werden. Man hört schon im zweiten Akt die Handelskammer über den dadurch mechanisch wachsenden Anteil des variablen Kapitals, die relativ steigenden Lohnkosten, jammern.

Durch die Erhöhung des Anteils „erneuerbarer Energien auf 25%“ (S. 35) soll die Handelsbilanz entlastet, die Abhängigkeit von arabischem Öl, russischem Gas und deutschem Strom vermindert werden. Dass dabei die Treibhausgasemissionen und die Klimabelastung vermindert würden, erscheint in den technischen Ausführungen des Klimaplans fast als angenehme Nebenerscheinung.

Während zwei Jahrhunderten mussten die Unternehmen die direkt der Umwelt entnommenen und dorthin abgeführten

Produktionsbestandteile kaum oder gar nicht in ihren Bilanzen führen, im Yoga-Lehrgang „Anthropozän“ genannt. Die drohende Erschöpfung der oft kostenlosen Ressourcen und Senken legt nun einen Produktionsumbau nahe. Seit ihrem Regierungsantritt besteht der historische Auftrag der Grünen darin, einen Produktionsumbau zu legitimieren, der die Produktionsverhältnisse nicht antastet.

Wenn zwecks internationaler Wettbewerbsfähigkeit entschieden wird, dass die subalternen Klassen die Kosten des Umbaus tragen sollen, liefern die Grünen die nötige Verzichts- und Erlösungsideologie. Der Aufstand von Automobilclub, Verbraucherschutzverein und Geschäftsanwälten der CSV bestätigt sie nur in der Auffassung, dass sie das auserwählte Volk des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gattopardismo sind, auch „Nachhaltigkeit“ genannt.

Doch keine Not, selbst Dürren, Orkane und Überschwemmungen sind zu schrecklich, um nicht ein Geschäft daraus zu machen. Um Zinsen und Kommissionen auf dem weltweit zum Produktions- und Zirkulationsumbau nötigen Kapital zu verdienen, soll laut Klimaplan „Luxemburg zu einem weltweit führenden Anbieter von Investmentfonds in den Bereichen Energieeffizienz und Erneuerbare Energien, sowie der internationalen Klimafinanzierung“ (S. 9) werden. Mit „Elektromobilität, Biokraftstoffe[n] der zweiten Generation, grüne[m] Wasserstoff“ (S. 12) soll die Automobil- und ihre nationale Zulieferindustrie gerettet werden – und, wer weiß, vielleicht sogar der grüne Tanktourismus der zweiten Generation.

Romain Hilgert
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