Cargolux

Erbschaftsprobleme

d'Lëtzebuerger Land vom 27.02.2015

Weil es Cargolux-CEO Dirk Reich vergangenen Freitag nicht gelungen war, die Botschaft unters Volk zu bringen, musste Präsident Paul Helminger am Montag noch einmal ran, um mit expliziten sprachlichen Bildern zu erklären, wie „ernst“ die Situation sei. Auch in einem optimistischen Zukunftsszenario, in dem die Konjunktur nicht einbrechen würde, die Margen stabil blieben und der Sprit nur langsam teurer würde, wäre der geplante Jahresgewinn von 80 Millionen Dollar in den kommenden Jahren „nicht einmal die Hälfte dessen, was gebraucht würde, um die Ausgaben zu decken“. Nötig wäre ein Jahresgewinn von jeweils 180 Millionen Dollar. Ohne Sparmaßnahmen werde Cargolux „ausbluten“. Dennoch ist im Budget für 2015 keine Kapitalerhöhung vorgesehen. Für 2016 müsse man dann sehen. Aber die Aktionäre können nicht unendlich Geld in die Firma pumpen. Sonst drohe Luxair zu „verbluten“, so Helminger. Außerdem dürften, im Falle neuerlicher Kapitalspritzen, sowohl die EU-Wettbewerbsbehörden, als auch die chinesischen Aktionäre anfangen, unangenehme Fragen zu stellen, denen man versichert hat, Cargolux sei eine super Firma.

Die Flotte aus „schönen Dash eight“, wie Reich sagt, ist der ganze Stolz von Cargolux und gleichzeitig ihr größtes Problem. Zwischen zwei und drei Milliarden Dollar muss die Gesellschaft in den kommenden sieben Jahren für die vor zehn Jahren beschlossene Flottenerneuerung aufbringen, so Reich am Freitag. Weil niemand mehr Fracht-Jumbos kaufen will, liegt der Marktwert der alten 747-400 der Cargolux unter ihrem Buchwert und Caroglux muss seine Flugzeuge schneller zurückbezahlen, als sie abgeschrieben werden, wie Finanzchef Richard Forson hinzufügte. Darüber hinaus ist das Unternehmen stark verschuldet. Für jeden Dollar Kapital hat es vier Dollar Schulden. Also behält die Firma einstweilen die „alten“ Flugzeuge, die sie nicht ohne Verlust verkaufen kann, und versucht, sie so gut wie möglich mit Fracht zu füllen.

So ist die Cargolux-Flotte binnen zehn Jahren von 14 auf 24 Flugzeuge angewachsen – mit 24 Maschinen will Dirk Reich in den kommenden Jahren fliegen. Dieses Jahr werden noch zwei neue 747-8 geliefert, 2017 eine weitere. Die Finanzierung dieser Flottenerneuerung und -expansion wird ein Loch in die Konten der Firma reißen, das laut Paul Helminger „mehrere hundert Millionen“ tief ist. Deshalb hofft Dirk Reich mit Einsparungen von zehn Millionen Dollar jährlich – entweder über die Verlagerung von Flugzeugen nach Mailand oder durch Zugeständnisse der Beschäftigten in den Tarifverhandlungen – das Loch über zehn Jahre gesehen, 100 Millionen kleiner zu halten. Auch wenn er weiß, dass die Firma „nicht auf Basis der Pilotengehälter saniert wird“.

Das Flottenproblem hat Dirk Reich vom vorherigen Management geerbt. Das vorerst letzte zusätzliche Flugzeug wurde vor einem Jahr bestellt, auf Basis der Wachstums­pläne von Verkaufschef Robert van de Weg, der kurz darauf aus Protest gegen den Einstieg von HNCA kündigte. Wenn der Markt wachse, müsse Cargolux wachsen, um von der Entwicklung zu profitieren, war sein Mantra. Nur dass der Markt von Golf-Carriern abgegrast wird, die unendliche Kapitalreserven und wenig Gewinndruck haben. Wie Qatar Airways beispielsweise, Ex-Cargolux-Aktionär, dessen Fracht-Sparte von Ex-Cargolux-CEO Ulrich Ogiermann geleitet wird. Während der Katar-Ära 2012 war der Kapitalbedarf von Cargolux intern auf 430 bis 450 Millionen Dollar für die folgenden drei Jahre geschätzt worden, eventuell eine Milliarde bis 2016. Diese Summe hielten damals viele für eine böswillige, übertriebene Unterstellung des Katar-Klans. Solche Mutmaßungen sind auch jetzt nicht ausgeschlossen. Schließlich ist es der letzte Überlebende der Katarer, der im Betrieb den Rechenschieber in der Hand hält: CFO Richard Forson.

Michèle Sinner
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